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Rösler: Ärztenachwuchs soll Landpraxen kennenlernen

Loitz (dpa) - Medizinstudenten in Deutschland müssen nach Auffassung von Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) die Arbeit von Hausärzten viel umfassender als bisher kennenlernen. «Das müsste beim praktischen Jahr, aber auch schon im Studium eine viel größere Rolle spielen», sagte Rösler, selbst Arzt, am Mittwoch nach dem Besuch einer Landarztpraxis im vorpommerschen Loitz. Um den bundesweit befürchteten Mangel an Allgemeinärzten zu beheben, müssten zudem Bürokratie abgebaut, Ärzte vor Regressforderungen geschützt und die Bedarfsplanung für Ärzte verbessert werden. Rösler nahm in Loitz rund 90 Minuten an der Sprechstunde von Astrid Elgeti teil, die seit
35 Jahren in der 4200-Einwohner-Kleinstadt praktiziert.

«Mehr Geld ist nicht mein Problem», sagt die Allgemeinärztin und versetzt damit den Minister in Erstaunen. Doch sie mache sich als 58- Jährige schon Sorgen, ob sie einen Nachfolger für ihre Praxis am Loitzer Markt finde. Ein bundesweites Problem: Experten schätzen, dass rund 2000 Landärzte fehlen. Speziell in Mecklenburg-Vorpommern werden bis 2020 rund 40 Prozent der Hausärzte in den Ruhestand treten. Nachwuchs scheint derzeit meist Fehlanzeige.

Elgeti weiß, wovon sie spricht. Die Ärztin hat in Loitz, wo mit den Dörfern im Umland rund 7000 Menschen leben, noch zwei Kollegen.
Allein Elgeti hat im Quartal knapp 1500 Patientenkontakte. «Fast doppelt so viel wie im bundesweiten Schnitt», staunt der Minister.
Die Loitzerin hat drei Angestellte, darunter ihr Bruder, der allein für die computertechnische Erfassung und Verarbeitung der Daten verantwortlich ist. Ihr Problem: In der Region, knapp 25 Kilometer von der Ostsee entfernt, fehlen Fachärzte. «Und wenn man jemanden überweist, dauert es sehr lange, überhaupt Termine zu bekommen, zum Beispiel bei Augenärzten und Orthopäden», sagt sie.

«Ich glaube, man muss dafür sorgen, dass die Hausärzte mit ihrem Beruf zufrieden sein können - nur wer das ist, findet auch einen Nachfolger», lautet Röslers Diagnose. Zuvor hat er unter anderem Karl-Heinz Berndt mit untersucht, der zur Blutdruckkontrolle gekommen ist. «Das ist eine tolle Ärztin, die kommt immer, wenn man sie braucht, macht sogar samstags noch Sprechstunden», weiß der stabile 68-Jährige. Das Gros der Patienten in Loitz ist in diesem Alter, auch die Patienten von Rösler am Mittwoch.

Aber der Minister hat auch ganz praktische Erfahrungen gesammelt: «Ich habe zum ersten Mal einen Fragebögen der AOK über eine Zuzahlungsbefreiung gesehen.» Das sei ganz schön kompliziert. So will Rösler dafür sorgen, dass die Bürokratie für die Ärzte weniger wird. «Besonders schwierig ist es, wenn Regressforderungen kommen, ich habe mich einmal rechtlich dagegen gewehrt», berichtet Elegti. Vor allem Ärzte in unterversorgten Gebieten sollten von dieser Belastung ausgenommen werden, findet Rösler. Außerdem will der Minister die Sicherstellungszuschläge, die im Nordosten bereits an die Ärzte gezahlt werden, auch bundesweit auszahlen lassen. Diese Gelder werden laut Ministerium über die Kassenärztlichen Vereinigungen ausgereicht, um damit die medizinische Versorgung in den Regionen sicherzustellen.

Einen ganz praktischen Hinweis für den Minister hat noch der Bürgermeister von Loitz, Johannes Winter (CDU), im Gepäck: «Das Hauptproblem für den Arzt ist: Was macht meine Frau?» Über Kinderbetreuung und Arbeitsplätze für den Partner oder die Partnerin von Landärzten will Rösler jetzt mit den kommunalen Spitzenverbänden reden. Er ist persönlich betroffen: Die Frau des Ministers - ebenfalls Medizinerin - überlegt, ob sie statt in einer Klinik als Hausärztin tätig sein will. «In so einer Kleinstadt müssen sie das wollen», rät die Loitzer Ärztin. Hier werde man auch auf dem Friedhof und beim Einkaufen von Patienten angesprochen und bekomme mal einen vereiterten Zeh gezeigt. «Das ist eben das wahre Leben», sagt Rösler und fährt mit der Ärztin noch zu einem Hausbesuch auf dem Lande. In seiner Ausbildung habe das echte Kennenlernen einer Hausarztpraxis ganz gefehlt.