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BGH entscheidet über mögliche Bestechung von Kassenärzten

Karlsruhe (dpa) - Sind Vergünstigungen für Kassenärzte Bestechung und somit strafbar? Der Bundesgerichtshof hat am Donnerstag einen Fall von grundsätzlicher Bedeutung verhandelt: Eine Firma für Medizingeräte hatte Ärzten die Kosten für hochwertige Reizstromgeräte in ihren Praxen erlassen, wenn sie ihren Patienten Therapiegeräte derselben Firma zur Eigenanwendung zu Hause verordneten. Nach Ansicht der Bundesanwaltschaft ist dies als «Bestechung im geschäftlichen Verkehr» strafbar. Krankenkassen rechnen mit Millionenschäden durch solche Praktiken.

Wie der Vertreter der Bundesanwaltschaft am Rande der Verhandlung sagte, dürfte der Fall grundsätzliche Bedeutung für die Beurteilung aller Arten von Vergünstigungen haben, die Pharmafirmen und Medizingerätehersteller Kassenärzten gewähren. Nach Einschätzung der AOK Niedersachsen sind derartige Methoden nicht selten. «Daher wird der Gesamtschaden bei den Krankenkassen in Deutschland vermutlich in die Millionen gehen», sagte ein Sprecher auf Anfrage der Nachrichtenagentur dpa.

Im konkreten Fall zahlte die AOK-Niedersachsen der beschuldigten Firma pro Reizstromgerät 75 Euro plus Mehrwertsteuer. «Uns war damals nicht bekannt, dass der Hersteller zehn bis 15 Euro pro Verordnung als Rückzahlung an den Arzt eingerechnet hatte», sagte der Sprecher der AOK-Niedersachsen. «Wäre uns das bekannt gewesen, hätten wir den Festbetrag entsprechend gemäßigt.» Den entstandenen Schaden im konkreten Fall bezifferte die Krankenkasse mit rund 350 000 Euro.

Die Firma stellte den Ärzten sogar die Briefumschläge zur Verfügung, in denen sie die Verordnungen für Reizstromgeräte zur Heimanwendung direkt an das Unternehmen schicken konnten. Wenn sie ausreichend viele Verordnungen ausstellten, wurden ihnen die Kosten für die Geräte in ihrer Praxis ganz erlassen.

Insgesamt verschrieben die Ärzte zwischen 2004 und 2008 mehr als 70 000 Reizstromgeräte. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass die Verordnungen aus medizinischer Sicht unnötig waren; dies ist jedoch nicht Voraussetzung für die Strafbarkeit wegen Bestechung.

Rechtlich ist umstritten, ob die Ärzte bei der Verordnung von Hilfsmitteln als Beauftragte der gesetzlichen Krankenkassen handeln, welche die Kosten der Verordnungen tragen. Nur dann wäre der Tatbestand der Bestechung erfüllt. Über diese Grundsatzfrage hat der BGH erstmals zu entscheiden. Der Vertreter der Bundesanwaltschaft bejahte diese Frage: Der Vertragsarzt der Krankenkassen sei «Schlüsselfigur der Arzneimittelversorgung». Deshalb sei er den Krankenkassen gegenüber verpflichtet.

Zurückhaltend äußerte sich der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen zu der Thematik. «Wir setzen darauf, dass der BGH den vorgetragenen Argumenten folgt und Vertragsärzte als Beauftragte der Krankenkassen ansieht, die dementsprechend grundsätzlich auch wegen Bestechlichkeit belangt werden können», sagte Sprecher Florian Lanz. Der BGH will seine Entscheidung am 5. Mai verkünden (Az.: 3 StR 458/10).