Spotlight Pharma Market 03.25
AMNOG-Markt

AMNOG steht für das „Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz“. Inzwischen ist die Abkürzung zu einem Eigennamen geworden und meint das seit 2011 bestehende Verfahren der Preisregulierung innovativer Arzneimittel in Deutschland.
Das AMNOG-Verfahren hat zwei wesentliche Schritte. Zunächst erfolgt die Zusatznutzenbewertung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA). Auf dieser Grundlage vereinbaren pharmazeutische Hersteller mit dem GKV-Spitzenverband (GKV-SV) Erstattungsbeträge (Preise) für neue Arzneimittel. Das gesamte Verfahren dauert regulär zwölf Monate. Die Erstattungsbeträge greifen jedoch rückwirkend ab dem 7. Monat nach Verfahrensbeginn und gelten sowohl für die gesetzliche als auch für die private Krankenversicherung.
Das Verfahren stand von Beginn an im Fokus politischer Diskussionen. Es reguliert inzwischen umfassend einen wichtigen Teilmarkt der Arzneimittelversorgung: den der patentgeschützten Arzneimittel. Um die Regulierung des AMNOG-Marktes besser zu verstehen, sollen im Folgenden relevante Entwicklungen der letzten Jahre betrachtet werden.
Entwicklung des Zusatznutzens
In den letzten Jahren nahm der Anteil an Verfahren mit Zusatznutzen ab. Denn das AMNOG wird den zunehmend kleineren Patientenpopulationen und zielgerichteten Therapieansätzen häufiger nicht gerecht.
Über den gesamten Zeitraum seit Inkrafttreten des AMNOG hat der G-BA in rund 52 Prozent der Verfahren einen Zusatznutzen festgestellt. Dieser Anteil lag im Zeitraum zwischen 2011 und etwa 2019 bei rund 57 Prozent und blieb weitgehend konstant. Seit 2020 ist der Anteil der Verfahren mit einem Zusatznutzen jedoch gesunken. Er lag in den Jahren 2023 bis 2025 nur noch bei 44 Prozent(1)
.
Diese Entwicklung korreliert mit dem Befund einer deutlich sinkenden Größe der Patientenpopulationen, die mit neuen Arzneimitteln behandelt werden können. Der Nachweis eines Zusatznutzens ist zunehmend unter anderem aufgrund einer geringen Häufigkeit der Erkrankung erschwert. Empirisch zeigt sich, dass der Anteil der AMNOG-Verfahren mit einem belegten Zusatznutzen bei kleinen Populationen am geringsten ist(2)
.

Erläuterung zur Datenbasis
Der Indikator bildet den Anteil der AMNOG-Verfahren mit einem belegten Zusatznutzen im Zeitverlauf ab. Erfasst wurden alle G-BA-Beschlüsse zwischen 2011 und 2025(3) . Die Sortierung erfolgte nach Datum des Verfahrensbeginns. Als belegter Zusatznutzen wurde jedes Ausmaß des Zusatznutzens in mindestens einer Patientengruppe eines Verfahrens eingestuft.
Anteil der Mehrfachbewertungen
Die Nutzenbewertung im AMNOG ist kein einmaliger Prozess: eine Mehrfachbewertung ist längst der Normalfall.
Im AMNOG-Verfahren werden neue Arzneimittel nicht nur einer einmaligen Nutzenbewertung und Erstattungsbetragsverhandlung unterzogen. Die Beschlüsse des G-BA können befristet werden, was zu einer späteren Neubewertung führt. Ebenso führen alle neu zugelassenen Anwendungsgebiete zu neuen Bewertungen und Verhandlungen.
Waren die ersten AMNOG-Jahre insgesamt von Erstbewertungen geprägt, so wandelte sich dieses Bild zuletzt deutlich. Die meisten Verfahren sind inzwischen erneute Bewertungen der Arzneimittel. In den letzten zehn Jahren lag ihr Anteil bei rund 58 Prozent. Zu den häufigsten Anlässen einer Mehrfachbewertung gehörte mit 42 Prozent die Zulassung eines neuen Anwendungsgebiets, gefolgt von Neubewertungen nach Fristablauf (8 Prozent) und Überschreitung der Umsatzgrenze für Orphan Drugs (5 Prozent).

Erläuterung zur Datenbasis
Der Indikator misst den Anteil der AMNOG-Verfahren mit einer erneuten Nutzenbewertung eines Arzneimittels im Zeitverlauf. Erfasst wurden alle abgeschlossenen Verfahren zwischen 2011 und 2024(4) . Als Erstbewertung wurden gezählt: erstmaliges Inverkehrbringen, Aufhebung der Freistellung, erstmalige Dossierpflicht nach Zulassung eines neuen Anwendungsgebietes, Bewertung eines bekannten Wirkstoffs mit neuem Unterlagenschutz. Als erneute Bewertung wurden zusammengefasst: Neubewertung nach Fristablauf, Vorliegen neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse, Überschreitung der Umsatzgrenze für Orphan Drugs, Aufhebung des Orphan Drug-Status sowie Bewertung eines neuen Anwendungsgebiets.
Preis-Mengen-Effekt je Neueinführung
Neueinführungen von heute haben keinen größeren Preis-Mengen-Effekt als die vor zehn Jahren. Das zeigen Daten aus den G-BA-Beschlüssen.
Für die Analyse der budgetären Wirkung von Neueinführungen ist es notwendig, neben der Preiskomponente die Verordnungshäufigkeit und die Größe der Zielpopulation zu berücksichtigen. Die Angaben zu den Jahrestherapiekosten sowie zur Größe der Patientenpopulation eines Arzneimittels können den öffentlich verfügbaren G-BA-Beschlüssen entnommen werden(5)
. Auf dieser Basis lässt sich der Preis-Mengen-Effekt je Arzneimittel zu Beginn des AMNOG-Verfahrens bestimmen.
Die Analyse zeigt, dass sich der durchschnittliche Preis-Mengen-Effekt von Neueinführungen weitgehend konstant auf dem Niveau des Ausgangswerts bewegt. In den vergangenen beiden Jahren lag er sogar unter dem Ausgangswert. Ein Aufwärtstrend, wie bei der alleinigen Betrachtung der Preise zu sehen, ist in der budgetären Gesamtbetrachtung nicht festzustellen.

Erläuterung zur Datenbasis
Der Indikator stellt die indexierte Entwicklung des durchschnittlichen Preis-Mengen-Effekts je Neueinführung im Zeitverlauf dar. Betrachtet wurden jahrgangsweise alle Erstbewertungen der letzten zehn Jahre(6) . Die Berechnung des Preis-Mengen-Effekts erfolgte als Multiplikation der jeweiligen Jahrestherapiekosten mit der Größe der GKV-Zielpopulation. Sofern im Beschluss des G-BA diese beiden Größen als Spanne angegeben sind, wurde ein Mittelwert gebildet.
Einigungsquote
In der Regel einig: 96 Prozent der AMNOG-Verfahren führen zu einem frei verhandelten Erstattungsbetrag im Rahmen einer Verhandlungslösung.
Es zeigt sich, dass 96 Prozent der AMNOG-Verfahren zu einem frei verhandelten Erstattungsbetrag führen, der einen Interessenausgleich zwischen dem GKV-Spitzenverband und dem jeweiligen pharmazeutischen Unternehmen darstellt. Die Verhandlungslösung stellt also klar den Regelfall dar. Lediglich in etwa 4 Prozent der Verfahren mussten Erstattungsbeträge am Ende durch die AMNOG-Schiedsstelle festgesetzt werden.

Erläuterung zur Datenbasis
Der Indikator gibt den Anteil der AMNOG-Verfahren mit vereinbarten Erstattungsbeträgen an. Erfasst wurden alle abgeschlossenen Verfahren zu verfügbaren Arzneimitteln mit Verfahrensbeginn zwischen 2018 und 2023(7)
. Die Angaben, ob ein Erstattungsbetrag in Folge einer Einigung verhandelt oder von der AMNOG-Schiedsstelle festgesetzt wurde, basieren auf öffentlichen Angaben des GKV-Spitzenverbandes zu den Verhandlungen nach § 130b SGB V.
Die pharmazeutischen Unternehmen und der GKV-Spitzenverband verhandeln auf der Grundlage der Nutzenbewertung über einen Erstattungsbetrag, der den Wert eines Arzneimittels widerspiegeln soll. Für die Verhandlung ist ein Zeitraum von sechs Monaten vorgesehen. Kommt es danach zu keiner Einigung, kann von beiden Verhandlungsparteien die AMNOG-Schiedsstelle angerufen werden, um einen Erstattungsbetrag festzusetzen.
Preissenkungsquote
Für die meisten AMNOG-Arzneimittel zeigt sich eine Preisspirale nach unten aufgrund mehrfacher Preissenkungen.
Bei nahezu allen Arzneimitteln führt die Erstattungsbetragsverhandlung zu mindestens einer initialen Preissenkung. Verfolgt man die Entwicklung der einzelnen Erstattungsbeträge weiter, so zeigt sich, dass bei zwei Dritteln (66 Prozent) aller AMNOG-Arzneimittel im betrachteten Zeitraum mindestens zwei Preissenkungen erfolgt sind. Bei knapp der Hälfte der Arzneimittel (46 Prozent) wurde der Preis sogar mindestens dreimal abgesenkt. Ein bedeutsamer Anteil der Arzneimittel erfuhr weitere Preissenkungen(8)
.
Die Analyse zeigt, dass für die meisten Arzneimittel im AMNOG-Markt das bestehende Preisregulierungsverfahren eine stetige Preisspirale nach unten auslöst (Kellertreppeneffekt). Die Preissenkungen ergeben sich insbesondere aufgrund von Neubewertungen oder von initiierten Neuverhandlungen im Rahmen des AMNOG-Verfahrens.

Erläuterung zur Datenbasis
Der Indikator bildet den Anteil der Arzneimittel ab, bei denen eine und mehrere Senkungen des Erstattungsbetrages festzustellen sind. Erfasst wurden alle Arzneimittel bzw. Wirkstoffe, die ab Januar 2011 bis Dezember 2020(9) ein komplettes AMNOG-Verfahren durchlaufen haben. Bei allen Arzneimitteln liegt ein Erstattungsbetrag vor, unabhängig davon, ob dieser vereinbart oder durch die Schiedsstelle festgelegt wurde. Ausgeschlossen wurden Arzneimittel, die als Opt-Out vom Markt gegangen sind.
AMNOG-Einsparungen
Das AMNOG führt zu erheblichen Einsparungen für das Gesundheitssystem.
Es zeigt sich, dass die Einsparungen seit Einführung des AMNOG jedes Jahr steigen. Ursache für den kontinuierlichen Anstieg des Einsparvolumens ist der wachsende Anteil von neuen Arzneimitteln, die das AMNOG-Verfahren zum Teil mehrfach durchlaufen haben. Zum Start umfasste der „AMNOG-Markt“ nur eine zweistellige Zahl neu eingeführter Medikamente, heute sind es bereits mehr als 500 Arzneimittel.
Für 2025 werden Entlastungen in Höhe von rund 12 Mrd. Euro für die GKV erwartet. Über den betrachteten Zeitraum summieren sich die Einsparungen auf gut 45 Mrd. Euro.

Erläuterung zur Datenbasis
Der Indikator bildet das Einsparvolumen ab, das durch Preisverhandlungen im Rahmen des AMNOG pro Jahr generiert wurde. Grundlage der Berechnung sind die GKV-Abrechnungsdaten. Die Daten wurden monatsgenau auf Wirkstoffebene und auf Basis des Abgabepreises des pharmazeutischen Unternehmers (ApU) analysiert. Damit sind mehrfache AMNOG-Verfahren der Wirkstoffe berücksichtigt. Die Einsparungen ergeben sich aus der Differenz zwischen Einführungspreis und Erstattungsbetrag bezogen auf die Verordnungsmenge.
(1) Zu der Entwicklung der Zusatznutzenausmaße siehe Tabelle 1 im verlinkten PDF.
(2) vgl. Verband forschender Arzneimittelhersteller e. V. (2024). Spotlight Pharma Market 04.2024 „Besondere Therapiesituationen“. https://www.vfa.de/de/gesundheit-versorgung/spotlight-pharma-market/besondere-therapiesituationen
(3) Erfasst wurden 1094 abgeschlossene Nutzenbewertungsverfahren zu 486 Arzneimitteln zum Stand 1.7.2025.
(4) Erfasst wurden 1109 im jeweiligen Jahr begonnene AMNOG-Verfahren zum Stand 31.12.2024.
(5) Diese theoretischen Angaben berücksichtigen nicht die reale Behandlungsdauer sowie die Verfügbarkeit konkurrierender medikamentöser und nicht-medikamentöser Behandlungsoptionen. Die entsprechenden Beschlüsse zur AMNOG-Nutzenbewertung sind auf der Webseite des G-BA verfügbar: https://www.g-ba.de/bewertungsverfahren/nutzenbewertung/
(6) Bewertung aufgrund des erstmaligen Inverkehrbringens, des Überschreitens der Geringfügigkeitsgrenze oder wegen Einführung eines bekannten Wirkstoffs mit neuem Unterlagenschutz
(7) Erfasst wurden 646 abgeschlossene AMNOG-Verfahren zum Stand vom 1.5.2025. Die Wahl des Zeitraums 2018 bis 2023 dient der Eingrenzung auf einen repräsentativen Zeitraum mit verfügbaren Informationen zum Erstattungsbetrag nach einem vollständigen AMNOG-Zyklus.
(8) Für die absoluten Zahlen je Stufe siehe Tabelle 2 im Anhang.
(9) Die Wahl des Zeitraums 2011 bis 2020 dient der Eingrenzung auf einen repräsentativen Zeitraum mit verfügbaren Informationen zu ggf. mehrfachen Preissenkungen