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Neue Medikamente gegen den „roten Wolf“

Oft zeigt sich die Krankheit „systemischer Lupus erythematodes“ äußerlich nur an roten Flecken im Gesicht, doch ist es eine schwere Erkrankung, die mit Entzündungen in vielen Organen einhergeht. Das Leiden kann man zwar heute schon behandeln; in Zukunft dürften aber neue, gezielter wirkende Medikamente noch besser wirken. So wird die Therapie weiter verbessern.

Der systemische Lupus erythematodes (SLE) ist eine chronische entzündlich-rheumatische Erkrankung, die nicht heilbar ist. In Deutschland leiden daran etwa 40.000 Menschen, davon rund 90 Prozent Frauen. Meist beginnt sie zwischen dem 20. und 30. Lebensjahr.

SLE ist eine Autoimmunerkrankung: Das Abwehrsystem des Körpers greift plötzlich auch Bestandteile des eigenen Organismus an. Dies geschieht durch Antikörper, die von bestimmten weißen Blutkörperchen, den B-Zellen, produziert werden. Sie heften sich an die von ihnen als fremd angesehenen Zellbestandteile und bilden mit ihnen größere Komplexe. Diese wandern mit dem Blut durch den Körper und lagern sich an den Gefäßwänden und in den Organen ab, wo sie den Blutfluss blockieren und Entzündungen hervorrufen können. Die Erkrankung verläuft meist in Schüben, die u. a. durch die UV-Strahlung der Sonne ausgelöst werden können. Auch das Hormon Estrogen könnte ein Auslöser sein.

Je nachdem, welche Organe betroffen sind, hat die Krankheit andere Symptome. Besonders typisch ist ein rötlicher Hautausschlag, der sich schmetterlingsförmig über Nase und Wangen ausbreitet und auch den Rumpf befallen kann. Heilt er ab, kann er an Bisswunden erinnernde Narben hinterlassen, die der Krankheit auch ihren Namen gaben (lupus = Wolf, erythematosus = rötlich). Viele Betroffene klagen zudem über Abgeschlagenheit, Schmerzen, Fieber oder Haarausfall. Lebensbedrohlich kann die Erkrankung werden, wenn die Entzündungen auf innere Organe wie Herz, Leber, Lunge und Nieren übergreifen.

Therapie ist möglich
Mit den heutigen Behandlungsmöglichkeiten (Cortisonpräparate und Immunsupressiva) überleben rund 90 Prozent der Patienten die ersten zehn Jahre nach der Diagnose. Dennoch gibt es dringenden Bedarf an neuen Medikamenten, vor allem für sehr schwere Verlaufsformen, wo die bisherigen Medikamente viele Nebenwirkungen hervorrufen und mitunter wirkungslos bleiben.

Pharmaforscher arbeiten daher an neuen, gezielter wirkenden Medikamenten, die speziell die Teile der Körperabwehr dämpfen sollen, die bei SLE eine Rolle spielen. Hierzu muss man jedoch die Ursachen kennen, die das Immunsystem zum Entgleisen bringen, worüber mittlerweile einiges bekannt ist.

Wie entsteht Lupus?
Viele Forscher nehmen heute an, dass letztlich eine Schwäche der körpereigenen „Müllabfuhr“ die Ursache von Lupus ist: In jedem Menschen sterben ständig viele Zellen ab, die durch neue ersetzt werden. Weil sie von Fresszellen rasch beseitigt werden, hat das Immunsystem keine Gelegenheit, mit Proteinen oder der Erb-substanz DNA aus dem Innern der Zelltrümmer in Kontakt zu kommen. Patienten mit Lupus haben jedoch weniger und zudem sehr inaktive Fresszellen. Hierdurch bleiben viele Zelltrümmer länger als sonst erhalten und können vom Immunsystem „studiert“ werden. Manchmal hält es deren „Innereien“ – vor allem deren DNA und die damit verbundenen Proteine – fälschlicherweise für Fremdmaterial. Somit lässt es einige B-Zellen Antikörper dagegen produzieren, was bei Gesunden nicht vorkommt. Diese schädlichen Antikörper greifen aber leider nicht nur ohnehin schon abgestorbene Zellen an, sondern machen im Körper Jagd auf weiteres solches Material. Das Resultat sind dann Entzündungen in vielen Organen.

Neue Therapieansätze
Pharmaforscher versuchen nun zu verhindern, dass die B-Zellen weiterhin Antikörper gegen körpereigene Moleküle bilden. Dazu erproben sie Medikamente, die B-Zellen entweder zerstören oder von Botenstoffen abschirmen, die bei ihnen die Antikörperproduktion starten. Andere Medikamente sollen weitere Botenstoffe blockieren, die die bei Lupus entstehenden Entzündungen fördern, indem sie weitere Abwehrzellen aktivieren und an den Entzündungsort locken.

Zerstörung von B-Zellen
Als „Zielscheibe“ für Wirkstoffe, die B-Zellen gezielt ausschalten, eignen sich Proteine, die man nur auf der B-Zell-Oberfläche findet; etwa die Proteine CD-20 und CD-22. Ein auf CD-20 abzielender Wirkstoff (ein gentechnisch hergestellter Antikörper, der sich schon gegen Lymphdrüsenkrebs bewährt hat) zeigte allerdings in Studien überwiegend keine überzeugende Wirkung, auch wenn er bei einigen Patienten die Symptome deutlich lindern konnte.

Erfolgversprechender scheint ein Wirkstoff zu sein, der gegen CD-22 gerichtet ist (ebenfalls ein gentechnisch hergestellter Antikörper). In einer ersten größeren Studie erhielten Patienten zusätzlich zu einer einheitlichen Standardtherapie entweder den neuen Wirkstoff oder ein Scheinmedikament (Placebo). Mit dem neuen Wirkstoff sprachen mehr als doppelt so viele Patienten auf die Behandlung an als ohne ihn. Der Wirkstoff linderte zudem die Symptome besser und brachte die Entzündungen häufiger zum Verschwinden. Die Nebenwirkungen der Therapie fielen in beiden Gruppen generell gleich aus. Der Wirkstoff wird zurzeit in zwei weiteren, großen Studien getestet.

Blockade der B-Zell-Aktivierung
B-Zellen beginnen erst dann mit der Antikörperproduktion, wenn sie vom Botenstoff Blys dazu aufgerufen werden. Lupus-Patienten haben oft erhöhte Menge davon im Blut. Ein neuer Wirkstoff – wiederum ein gentechnisch hergestellter Antikörper – fängt Blys im Blut ab, ehe es die B-Zellen erreicht. In zwei großen klinischen Studien hat sich dieser Ansatz als so vielversprechend erwiesen, dass in den USA kürzlich die Zulassung dieses Antikörpers empfohlen wurde. Die amerikanische Gesundheitsbehörde FDA wird in wenigen Wochen darüber entscheiden. Auch hier zeigten die Studien, dass die zusätzlich zur Standardtherapie mit diesem neuen Medikament behandelten Patienten viel häufiger auf die Behandlung ansprachen und die Symptome deutlich besser gelindert wurden.

Abfangen des Botenstoffs Interleukin-6
Pharmaforschern ist es auch gelungen, den Botenstoff Interleukin-6 (IL-6) abzufangen, der bei Krankheitsschüben von Lupus ebenfalls in erhöhter Menge vorliegt. Ähnlich wie Blys aktiviert er B-Zellen, fördert jedoch zusätzlich Entzündungen im Körper, indem er weitere Abwehrzellen anregt, sich daran zu beteiligen. Auch in diesem Fall konnte ein gentechnisch hergestellter Antikörper entwickelt werden; dieser bindet IL-6 und macht es auf diese Weise unschädlich. Eine erste kleine Studie mit 16 Patienten zeigte bereits vielversprechende Ergebnisse. So kam es bei keinem der Patienten zu einem Krankheitsschub, und auch die Menge an schädlichen Antikörpern gegen eigenes Gewebe sank deutlich. Bei der Hälfte der Patienten wurde zudem eine deutliche Linderung der Symptome erreicht. Weitere Studien müssen nun zeigen, ob der Antikörper auch bei einer größeren Zahl von Patienten wirksam und gut verträglich ist.

Wirkstoff in ErprobungWirkungsweise
RituximabZerstörung von B-Zellen
EpratuzumabZerstörung von B-Zellen
BelumimabBlockade von Blys
TocilizumabBlockade von IL-6

Medikamente von Übermorgen
Weil Forscher die Vorgänge im Immunsystem immer besser verstehen, konnten sie noch weitere Ansatzpunkte für die Entwicklung neuer Medikamente identifizieren. Prüfenswert ist beispielsweise die Blockade der Botenstoffe Interleukin-10 und Interferon-alfa sowie weiterer Immunzellen – der T-Helferzellen –, die alle bei der Aktivierung von B-Zellen eine Rolle spielen. Ob sich darauf wirksame und verträgliche Therapien aufbauen lassen, wird die weitere Forschung zeigen.

Insgesamt bestehen heute gute Chancen, dass sich in den nächsten Jahren die Behandlungschancen für viele Patienten mit Lupus deutlich verbessern lassen - auch und gerade, wenn diese an schweren Krankheitsverläufen leiden.