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Die Orphan Drug-Verordnung ist ein Erfolg

Obwohl die europäische Orphan Drug-Verordnung erst im Jahr 2000 eingeführt wurde – in den USA gibt es eine ähnliche Regelung seit 1983 – ist sie ein großer Erfolg: Wurden zuvor nur sehr wenige Arzneimittel gegen seltene Krankheiten zugelassen, kommt mittlerweile jedes Jahr eine zweistellige Zahl dazu. Bis Ende 2024 wurden mehr als 240 Arzneimittel als Orphan Drugs gegen mehr als 170 Krankheiten in der EU zugelassen. Davon haben aktuell 148 noch einen aktiven Orphan Drug-Status.

Die EU-Verordnung für Orphan Drugs baut Hindernisse ab. Unternehmen können beispielsweise damit rechnen, dass ihr Medikament für zehn Jahre nicht nur vor Nachahmerpräparaten geschützt ist, sondern auch davor, dass andere Medikamente gegen die gleiche Krankheit zugelassen werden, die nicht besser sind. Nur Wettbewerbermedikamenten, die weiteren medizinischen Fortschritt bringen, wird die Zulassung nicht verwehrt.

Zu den Erleichterungen für Unternehmen, die ein Medikament mit Orphan Drug-Status entwickeln, gehören reduzierte Gebühren für die wissenschaftliche Beratung durch die Zulassungsbehörde EMA und für die Zulassung. Die EU setzt also Anreize – und verbessert damit die Bedingungen in einem sehr schwierigen Markt.

Pharmazeutische Unternehmen können den Orphan Drug-Status beantragen. Darüber entscheiden können sie nicht: Das ist allein der EMA vorbehalten, der Arzneimittelbehörde der EU.

Kriterien für die Zuerkennung des Orphan Drug-Status

Schaubild

Die Kriterien sind streng: Damit ein in Entwicklung befindliches Arzneimittel von der EU den Orphan Drug-Status erhält, muss die betreffende Erkrankung selten sein. Außerdem muss eine zufriedenstellende Behandlungsoption fehlen. Oder das Arzneimittel muss gegenüber einem bereits erhältlichen Präparat einen erheblichen Zusatznutzen erwarten lassen. Hinzu kommt: Einem Medikament, das für Patienten mit einem seltenen Subtyp einer häufigeren Krankheit entwickelt wurde, bleibt der Orphan Drug-Status verwehrt.

Neben der Verbesserung der Entwicklungs- und Marktbedingungen ist übrigens die Wissenschaft der weitere große Treiber für die Entwicklung im Bereich der seltenen Erkrankungen. Durch ein immer besseres Verständnis der menschlichen Genetik ist die Suche nach den Ursachen dieser oft genetisch bedingten Erkrankungen zwar nicht einfach, aber zumindest einfacher geworden.

Fortschritte für Patientinnen und Patienten

Die Orphan Drug-Verordnung ist Ausdruck des politischen und gesellschaftlichen Willens, auch Menschen mit seltenen Erkrankungen medizinisch zu versorgen. Und sie funktioniert: Bisher zugelassene Orphan Drugs verlängern und verbessern das Leben der Patientinnen und Patienten deutlich:

  • Unter dem Sammelbegriff Lysosomale Speicherkrankheiten verbergen sich Erbkrankheiten, bei denen durch einen Enzymmangel der Stoffwechsel gestört ist. Bei 13 dieser Krankheiten konnten Arzneimittelentwickler Ersatzenzyme entwickeln, die gentechnisch hergestellt werden. Mit ihnen lassen sich Entstellungen des Körpers, Störungen der geistigen Entwicklung, Erblindung oder Schmerzen verhindern oder lindern.
  • Patientinnen und Patienten mit chronischem Lungenhochdruck hatten in den 1990er-Jahren eine mittlere Überlebenszeit von unter drei Jahren. Mit mittlerweile acht Medikamenten kann die Durchblutungsstörung der Lunge behandelt werden. Und die mittleren Überlebenszeiten haben sich mit diesen verdoppelt. Ein 2024 zugelassenes Medikament nimmt als erstes direkt Einfluss auf die krankhafte Veränderung des Lungengewebes.
  • Auch für Menschen mit Mukoviszidose haben sich die Überlebensraten deutlich verbessert. Die Krankheit wird von einem mutierten CFTR-Gen ausgelöst; es entsteht ein zäher Schleim, der lebenswichtige Organe verstopft. Im Jahr 2001 war das Sterbealter im Durchschnitt 23,5 Jahre, 2023 lag es bei rund 38,5 Jahren. Dies konnte erreicht werden, weil es einerseits gelungen ist, die Therapie zu optimieren. CFTR-Modulatoren, die ersten Medikamente, die genau dort ansetzen, wo die Krankheit entsteht, stehen für verschiedene Mutationen im CFTR-Gen zur Verfügung, sodass seit 2020 knapp 90 Prozent der Patienten hochwirksam behandelt werden können.
  • Genmutationen sind für die Amyloid-Polyneuropathie verantwortlich – eine tödlich verlaufende Erkrankung, die fast den gesamten Körper angreift. Ein neu entwickelter Wirkstoff erreicht, dass bei rund der Hälfte der Patienten und Patientinnen die Krankheit nicht mehr fortschreitet. Vorher verstarben sie im Durchschnitt zehn Jahre nach den ersten Symptomen.

Ein laufend aktualisiertes Verzeichnis aller Orphan Drugs findet sich unter www.vfa.de/orphans.