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Ein Bakterienkompass für die Medizin: Magnetosomen und ihre Anwendungen

Einige Bakterienarten sind in der Lage, stark eisenhaltige Nanopartikel zu produzieren, die ihnen die Bewegung entlang des Erdmagnetfelds erlaubt. Ein Team aus Bayreuth und Jena hat nun ein standardisiertes Verfahren entwickelt, um solche Magnetosomen im großen Maßstab für biomedizinische Anwendungen herzustellen.

Stilisiertes Konzeptbild eines Prozesses, der eine Krebszelle vernichtet

Manche Bakterien produzieren magnetische Partikel – und die können in der Medizin genutzt werden

Im März 1980 berichteten Wissenschaftler:innen der US-amerikanischen University of New Hampshire erstmals von Magnetosomen in speziellen Bakterienarten. So bezeichneten sie unter dem Elektronenmikroskop sichtbare Organellen der Einzeller, die in langen, perlenartigen Ketten aufgereiht sind. Sie bestehen hauptsächlich aus Eisen und erlauben den Bakterien, sich entlang des Erdmagnetfelds fortbewegen zu können.(1) Mittlerweile haben Magnetosomen als biologische Nanopartikel jedoch Bedeutung über die Bakteriologie hinaus erlangt, da sie neue Anwendungen in Medizin und Biotechnologie eröffnen. Beispielsweise wird bereits an ihrem Einsatz in Kontrastmitteln für die Tumordiagnostik oder in der Gewebetherapie gearbeitet.(2)

Insbesondere ihre Struktur macht Magnetosomen für die medizinische Forschung so interessant. Denn die magnetischen Partikel wie das Eisenoxidmineral Magnetit sind jeweils von einer Membranhülle umgeben, die eine ähnliche Zusammensetzung aufweist wie die anderer Zellorganellen oder der Zellmembran selbst. Aber auch die Möglichkeit zur Anpassung der Magnetosom-Zusammensetzung durch gentechnische Veränderung der Bakterien schafft großen Spielraum für weitere Funktionen. Dem Transfer der Ergebnisse aus der Grundlagenforschung in technische Anwendungen stehen jedoch noch einige Herausforderungen im Weg. Dazu zählt vor allem, dass die Nanopartikel homogen und in hochreiner Form vorliegen müssen. Dies ist wichtig, weil schon kleine Änderungen der Kultivierungsbedingungen Einfluss auf die Magnetosom-Qualität haben können, die wiederum mögliche Auswirkungen im diagnostischen und therapeutischen Einsatz nach sich ziehen könnten. So könnten Kontaminationen mit Bestandteilen von Bakterien eine Immunreaktion auslösen.

Neues Verfahren standardisiert Magnetosom-Produktion

Lösungen für diese Probleme hat nun ein Team der Universitäten in Bayreuth und Jena in der Fachzeitschrift Acta Biomaterialia vorgestellt.(3) Im Zentrum der Arbeiten stand die Entwicklung eines reproduzierbaren sowie schonenden Verfahrens, um Magnetosomen aus Kulturen des magnetotaktischen Bakteriums M. gryphiswaldense zu gewinnen, die anschließend in Medizin- und Biotechnologie genutzt werden können. Dazu werden die Bakterienkulturen nach der Anzucht zunächst unter Druck aufgeschlossen und die Zellsuspension anschließend durch einen porösen Magneten filtriert. Zum Schluss wird das Filtrat nochmals mit einer viskosen Zuckerlösung zentrifugiert. Durch ihre hohe Dichte setzen sich die Magnetosomen dabei auf dem Boden des Zentrifugenröhrchens ab und sind durch die Zuckerlösung von Verunreinigungen wie Zellresten getrennt.(4)

Mithilfe dieses Verfahrens gelang so die Reduzierung wichtiger Verunreinigungen um den Faktor 300 bis 1000. Gleichzeitig zeigten weitere Analysen, dass die Magnetosomen nach der Aufreinigung auch in Hinblick auf Proteinzusammensetzung, Partikelgröße und -form sowie Eisengehalt mit den erwarteten Eigenschaften übereinstimmen. Die in diesem Zusammenhang etablierten Techniken könnten zukünftig zur Qualitätskontrolle des Prozesses eingesetzt werden.

Magnetosomen wirken nicht giftig auf Zellkulturen

Um nicht nur Form und Zusammensetzung, sondern auch die Toxizität der Magnetosomen nach der Aufreinigung zu beurteilen, testeten die beteiligten Forscher:innen ihre Wirkung zudem bei verschiedenen Zellarten, darunter Tumorzelllinien und Primärzellen, die aus Patientenproben gewonnen wurden. Dabei zeigte sich zwar eine dosisabhängige Reduzierung der Lebensfähigkeit der Zellen, allerdings wurde für typische Wirkstärken der Nanopartikel nur eine geringe Beeinträchtigung der Zellen beobachtet.

Einsatz an der Schnittstelle von Diagnostik und Therapie

Die mithilfe des neuen Verfahrens erhaltenen Magnetosomen besitzen einheitliche Eigenschaften und weisen weniger Verunreinigungen auf, sind kaum zellschädigend und zudem – durch Hochskalierung des Prozesses – in den benötigten Ausbeuten verfügbar. Sie können nun für vielfältige medizinische Anwendungen erforscht und entwickelt werden.

Besonders interessant dürfte ihre Verwendung in der Theranostik sein. An diesem Grenzgebiet treffen Therapie und Diagnostik direkt aufeinander. So kommt die Studie eines deutsch-italienischen Teams zu dem Schluss, dass Magnetosomen, die spezifisch Tumorzellen erkennen, gleichzeitig für die Bildgebung sowie als zielgerichtete Behandlung eingesetzt werden könnten. Denn aufgrund ihres hohen Eisengehalts eignen sich Magnetosomen ideal als Kontrastmittel für Magnetresonanztomographie. Zudem führt ein sehr intensives magnetisches Feld dazu, dass sich die Eisenpartikel um bis zu fünf Grad Celsius aufheizen und dabei das Tumorgewebe stark schädigen. Durch Theranostik mit Magnetosomen könnte man so etwa die Zeit zwischen Diagnose und Behandlung deutlich verkürzen.(5)

Seit 2010 ist in der EU bereits ein auf Magnetnanopartikeln basierendes Theranostikum als Medizinprodukt zur Behandlung von Gehirntumoren zugelassen.(6) Bevor allerdings Magnetosom-basierte Theranostika ihren Weg in den medizinischen Alltag findet, müssen diese noch umfassend in Labor- und Tierversuchen untersucht werden. Mithilfe des neuen Verfahrens dürfte aber zumindest die Gewinnung der Magnetosomen in hoher Ausbeute und Qualität keine Hürde mehr darstellen.

Literaturtipps