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CAR-T-Zell-Therapie: Mit zellbasierten Immuntherapien gegen Krebs

Seit 2018 sind außergewöhnliche Krebstherapien in Europa zugelassen: CAR-T-Zellen. Einsetzbar ist diese immunonkologische Methode bislang gegen bestimmte hämatologische Krebsarten, also solchen, die von Blutzellen oder ihren Vorläufern ausgehen. Die dafür individuell hergestellten CAR-T-Zellen zählen zu den Arzneimitteln für neuartige Therapien (Advanced Therapy Medicinal Products: ATMP).

Schematische Darstellung der Wirkungsweise einer CAR-T-Zell-Therapie

  1. operative Entfernung,
  2. Bestrahlung,
  3. Chemotherapie (die teilungsaktive Zellen tötet) und
  4. zielgerichtete Therapie (die medikamentös in die Steuerung der Krebszellen eingreifen).(3)

Für welche Krebsarten stehen CAR-T-Zelltherapien in der EU zur Verfügung?

Derzeit sind in der EU sechs CAR-T-Zelltherapien zugelassen, die bei der Behandlung bestimmter Patient:innen mit verschiedenen Krebserkrankungen des Blut- oder Lymphsystems eingesetzt werden. Es handelt sich hier um seltene Formen von Leukämie, Lymphomen und dem Multiplen Myelom, die zum Teil auch nach einem Wiederauftreten (Rezidiv) der Erkrankung behandelt werden können. Eine detaillierte Übersicht zugelassener ATMP inklusive der CAR-T-Zelltherapien stellt der vfa in einer Datenbank bereit.

Leukämien (Blutkrebs) und Lymphome (Lymphdrüsenkrebs) werden von anderen Krebserkrankungen abgrenzt, die ihren Ursprung als sogenannte solide Tumore nehmen und (Metastasen ausgenommen) ein spezifisches Organ betreffen.(4) Einige grundlegende Unterschiede auf zellulärer Ebene erleichtern den Einsatz von CAR-T-Zellen in der Therapie von Leukämie und Lymphomen im Vergleich zu soliden Tumoren.(5) Das Multiple Myelom (eine Krebserkrankung der Plasmazellen im Knochenmark) stellt einen Grenzgänger zwischen soliden und nicht soliden Tumoren dar.(6) Neben laufenden Studien zum Einsatz gegen solide Tumore lassen daher auch Erfolge in der Entwicklung von CAR-T-Zelltherapien für das Multiple Myelom auf einen zukünftig stärker verbreiteten Einsatz gegen solide Tumore hoffen.

Im Einsatz mit EU-Zulassung bzw. in der Erprobung innerhalb medizinischer Studien befinden sich CAR-T-Zelltherapien für folgende Krebsarten und Patientengruppen:

  • diffus großzelliges B-Zell-Lyphom (DLBCL); wiederkehrend bzw. nicht ausreichend therapeutisch ansprechend; Einsatz bei Erwachsenen
  • mediastinales großzelliges B-Zell-Lymphom (PMBCL); wiederkehrend bzw. nicht ausreichend therapeutisch ansprechend; Einsatz bei Erwachsenen
  • transformiertes follikuläres Lymphom; Einsatz bei Erwachsenen
  • Mantelzelllymphom; rasch wiederkehrend bzw. nicht ausreichend therapeutisch ansprechend; Einsatz bei Erwachsenen
  • akute lymphatische B-Zell-Leukämie (B-Zell-ALL); rasch wiederkehrend bzw. nicht ausreichend therapeutisch ansprechend; Einsatz bei Personen bis zur Vollendung des 26. Lebensjahres(7)
  • Multiples Myelom; wiederkehrend bzw. nicht ausreichend therapeutisch ansprechend(8) (9)

Die Behandlung diverser solider Tumore wird international in verschiedenen Studien erprobt, darunter

  • gastrointestinale Tumore, also Krebserkrankungen des Magen-Darm-Trakts wie Dickdarmkrebs, Magenkrebs, Leberkrebs und Bauchspeicheldrüsenkrebs,
  • Keimzellentumore, d.h. Tumore, die auf Veränderungen von Keimzellen zurückzuführen sind und sich bei Männern und Frauen oft unterschiedlich darstellen
  • und Glioblastome, bösartige Hirntumore mit raschem Wachstum.(10)

"Gen- und Zelltherapien - Neue Hoffnung für die Krebstherapie" im vfa-Podcast #MicroScope:

Wie läuft eine CAR-T-Zell-Therapie ab?

Grün-blau eingefärbte 3D-Abbildung einer T-Zelle mit AusläufernEine CAR-T-Zell-Therapie (als Abkürzung für Chimeric Antigen Receptor T-Cell Therapy) folgt diesem Schema: Zunächst werden den Patient:innen T-Zellen aus dem Blut entnommen, die dann im Labor genetisch modifiziert werden, um spezifische Rezeptoren (chimäre Antigen-Rezeptoren, CAR) zu bilden. Anschließend erfolgt eine Vermehrung dieser modifizierten Zellen. Im nächsten Schritt werden die vermehrten CAR-T-Zellen dem Patienten wieder zugeführt, meist durch Infusion. Die infundierten CAR-T-Zellen erkennen mithilfe des neuen Rezeptors gezielt Krebszellen, binden an diese und zerstören sie. Da die Vermehrung der CAR-T-Zellen eine gewisse Zeit dauert, ist bei einigen Patienten zwischenzeitlich eine Überbrückungstherapie notwendig (11)

Da die CAR-T-Zelltherapien auf körpereigenen Abwehrzellen der Patient:innen basieren, die zudem gentechnisch modifiziert sind, handelt sich um komplexe „lebende Arzneimittel“, die von der EMA als Gentherapien eingestuft werden. Schon als es 2017 um die erste Zulassung dieser Art in den USA ging, sagte Gwen Nichols, medizinische Leiterin der amerikanischen Leukämie- und Lymphom-Gesellschaft: „Dies ist der Beginn von etwas Großem“.(12) (13) (14)

Wie das Immunsystem „scharf“ gestellt wird

Die Therapie besteht aus autologen (von den Patient:innen selbst stammenden) T-Lymphozyten – kurz T-Zellen –, die im Labor gentechnisch umprogrammiert wurden, damit sie diejenigen Zellen erkennen und angreifen, die ein Tumor-spezifisches Oberflächenmerkmal wie etwa CD19 oder BCMA tragen. Dazu werden die T-Zellen gentechnisch mit einem Chimären Antigenrezeptor (CAR) ausgestattet. Chimär bedeutet hier, dass der CAR-Rezeptor aus Teilen von zwei anderen Molekülen zusammengesetzt ist. Mit seinem Antikörper-Teil bindet der CAR spezifisch an Moleküle, die auf den Krebszellen vorkommen. Anschließend erfolgt die Aktivierung der CAR-T-Zelle mit dem anderen Teil des CAR, der Signaldomäne eines T-Zell-Rezeptors.(15)

Das Konzept der CAR-T-Zell-Therapie stammt bereits aus den 1980er Jahren. Im Prinzip könnte dieser Therapieansatz zur Bekämpfung aller Krebsarten eingesetzt werden, bei denen sich die Tumorzellen von allen oder den meisten anderen Zellen durch bestimmte Marker auf ihrer Oberfläche unterscheiden, so dass diese den T-Zellen als Erkennungsmerkmale dienen können.(16)

Folgen und Nebenwirkungen für das Immunsystem

Da CAR-T-Zell-Therapien zum Teil mit erheblichen Nebenwirkungen einhergehen, können sie laut Zulassung nur angewandt werden, wenn mindestens zwei andere Krebstherapien (wie Bestrahlung oder Chemotherapie) nicht angeschlagen haben. Zu den Nebenwirkungen zählt insbesondere der Zytokinsturm (Cytokin Release Syndrom: CRS) – eine starke Ausschüttung von Immunbotenstoffen durch die CAR-T-Zellen, die sich zu einer körperweiten Entzündungsreaktion ausweiten kann und umgehende intensivmedizinische Betreuung erfordert. Für diese Fälle muss vor Beginn der CAR-T-Zell-Therapie und während der Wochen danach ein bestimmtes immunmodulatorisches Medikament und eine Notfallausrüstung bereitliegen. Auch neurologische Symptome – insbesondere Enzephalopathie, Verwirrtheitszustände, Delirium oder andere Formen der Neurotoxizität – sind möglich. Außerdem zerstören gegen CD19 gerichtete CAR-T-Zellen neben den zu Krebszellen entarteten B-Zellen auch die normalen B-Zellen der Patient:innen, so dass ihr Immunsystem nicht mehr hinreichend auf Krankheitserreger reagieren kann. Die B-Zellen produzieren nämlich die dafür wichtigen Antikörper. Der mit dem B-Zell-Mangel einhergehenden Immunschwäche kann mit einer Immunglobulin-Ersatztherapie begegnet werden.(17)

Erfolgschancen durch eine CAR-T-Zell-Therapie

Da CAR-T-Zellen als Therapiemethode erst seit wenigen Jahren im klinischen Alltag eingesetzt werden, liegen hauptsächlich Daten aus relativ kleinen klinischen Studien mit kurzer Nachbeobachtungszeit vor. Diese Daten belegen, dass zu Beginn viele behandelte Patienten positiv auf die Therapie ansprechen und keine nachweisbaren Krebszellen mehr haben. So wurden in den längsten Studien die Patient:innen mehr als drei Jahre nach der CAR-T-Zell-Therapie untersucht, und bei drei von vieren zeigte sich eine komplette Remission. Die erste, mit einer CAR-T-Zell-Therapie behandelte Patientin ist mittlerweile sogar zehn Jahre krebsfrei. Dennoch kommt es bei einigen Patient:innen auch zu einem Rückfall. Es scheint, dass das Risiko eines Rückfalls abnimmt, je länger die CAR-T-Zellen im Körper verbleiben. Gegenwärtig wird erforscht, welche Faktoren und Voraussetzungen das Rückfallrisiko nach einer CAR-T-Zelltherapie erhöhen.(18) (19)

Ziel: Nicht nur gegen Leukämien und Lymphome

Mit CAR-T-Zellen oder verwandten Zellen sollen künftig noch andere hämatologische Krebsarten, aber auch solide Tumore immunonkologisch behandelt werden. Intensiv wird etwa an CAR-T-Zell-Therapien für Brustkrebs, Lungenkrebs oder Darmkrebs geforscht. Dies ist mit CAR-T-Zellen jedoch deutlich schwerer, da diesen Tumorarten oft ein geeigneter Krebsmarker fehlt. Vor allem aber ist es für CAR-T-Zellen eine große Herausforderung, in das Tumorgewebe einzudringen. Dieses schirmt sich nämlich über immunhemmende Substanzen und dichte Barrieren vor dem Immunsystem ab.(20)

Eine Vielzahl klinischer Studien laufen, in denen geklärt wird, ob sich die Therapien hier bewähren oder nicht.(21) Zudem forschen Wissenschaftler:innen daran, mit CAR-T-Zellen auch Autoimmunerkrankungen und Infektionskrankheiten wie Multiple Sklerose, Lupus erythematodes und HIV zu behandeln. Erste klinische Studien hierzu laufen bereits.(22) (23)

Weitere zelluläre Therapien gegen Krebs in Entwicklung

Während des Lebens entstehen im menschlichen Körper viele Krebszellen, die jedoch in den meisten Fällen zuverlässig von Immunzellen wie den T-Zellen erkannt und abgetötet werden. Anstelle eines chimären Rezeptors kann den patienteneigenen T-Zellen daher auch ein natürlich vorkommender T-Zell-Rezeptor eingesetzt werden. Dieser bindet dann ebenfalls spezifisch Antigene auf Tumorzellen und bewirkt das Auslösen des programmierten Todes der Tumorzelle. Da hier kein CAR-Protein in die Zellen eingeschleust wird, spricht man nicht von CAR-T-Zellen, sondern von T-Zell-Rezeptor modifizierten T-Zellen (TCR-T-Zellen). Zudem sind TCR-T-Zellen – anders als CAR-T-Zellen – in der Lage, auch spezifische Moleküle aus dem Inneren von Tumorzellen zu erkennen und eröffnen damit Möglichkeiten für noch zielgerichtetere Therapien.(24)

Zusammenfassend stellen CAR-T-Zell-Therapien einen der bemerkenswertesten Fortschritte in der Krebsbehandlung dar. Sie haben bereits vielen Patient:innen, bei denen keine anderen Optionen zur Verfügung standen, langanhaltende und hochwirksame Therapieoptionen geboten. Es ist jedoch unabdingbar zu verstehen, dass diese Therapieform äußerst komplex ist und lediglich für eine begrenzte Patientengruppe in Frage kommt.

Darüber hinaus wird sowohl an weiterentwickelten CAR-T-Zell-Therapien als auch an anderen zellbasierten Immunonkologika intensiv geforscht. Dank dessen könnten in naher Zukunft noch mehr Patient:innen auch mit anderen (Krebs-)Erkrankungen von diesen innovativen Therapien profitieren.

Quellen:

(1) https://www.krebsgesellschaft.de/onko-internetportal/basis-informationen-krebs/krebsarten/non-hodgkin-lymphome/car-t-zell-therapie-wichtige-fragen-antworten.html

(2) https://www.pei.de/SharedDocs/Downloads/DE/forschung/pharmakon-artikel-volltext.pdf?__blob=publicationFile&v=2

(3) https://www.krebsinformationsdienst.de/behandlung/

(4) https://mvz.uk-koeln.de/fachbereiche/onkologie/leukaemien-und-lymphomen/

(5) https://www.ccc.uk-erlangen.de/aktuelles/nachrichten/detail/neueste-entwicklungen-bei-der-car-t-zelltherapie-von-soliden-tumoren/

(6) https://www.interpharma.ch/blog/solide-tumoren-im-visier/

(7) https://car-t-cell.com/patienteninfos/bei-welchen-erkrankungen-kommt-car-t-zelltherapie-zum-einsatz

(8) https://www.krebsgesellschaft.de/onko-internetportal/aktuelle-themen/news/car-t-zelltherapie-bei-multiplem-myelom-fruehzeitig-anwendbar.html

(9) https://www.ukw.de/aktuelle-meldungen/detail/news/meilenstein-in-myelom-behandlung-car-t-zell-therapie-toppt-standardbehandlung/

(10) https://car-t-cell.com/aktuelles/ausweitung-der-car-t-zelltherapien

(11) https://www.gpoh.de/kinderkrebsinfo/content/patienten/behandlung/behandlungsmethoden/car_t_zelltherapie/behandlungsablauf/index_ger.html

(12) https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/76981/Leukaemie-Erste-CAR-T-Zell-Therapie-in-den-USA-vor-der-Zulassung

(13) https://www.nytimes.com/2017/07/12/health/fda-novartis-leukemia-gene-medicine.html

(14) https://www.nejm.org/doi/10.1056/NEJMoa1407222

(15) https://link.springer.com/article/10.1007/s00103-020-03222-8

(16) https://www.vfa-bio.de/biotech2020

(17) https://www.gpoh.de/kinderkrebsinfo/content/patienten/behandlung/behandlungsmethoden/car_t_zelltherapie/nebenwirkungen/index_ger.html

(18) https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/37055515/

(19) https://www.gpoh.de/kinderkrebsinfo/content/patienten/behandlung/behandlungsmethoden/car_t_zelltherapie/prognose/index_ger.html

(20) https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/141579/Forscher-wollen-Effektivitaet-von-CAR-T-Zelltherapien-verbessern

(21) https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC10110629/

(22) https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/36109639/

(23) https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/34375315/

(24) https://www.pharmazeutische-zeitung.de/t-zell-rezeptor-basierte-t-zell-therapie/