Impfstoffhersteller gegen Omikron
Die Omikron-Variante von SARS-CoV-2 hat die Fallzahlen weltweit in neue Höhen getrieben. Aber mehrere Hersteller entwickeln an die Variante angepasste Impfstoffe oder haben geprüft, wie gut eine Boosterung mit ihren vorhandenen Impfstoffen schützt.
vfa-Forschungssprecher Dr. Rolf Hömke berichtet am 21. April 2022 in einem Interview mit dem Deutschlandfunk über die Entwicklung von Impfstoffen gegen Omikron und weitere Varianten von SARS-CoV-2.
Bei einigen geht es darum, schon zugelassene Impfstoffe anzupassen:
- BioNTech und Pfizer entwickeln seit Ende November 2021 neue Versionen ihres mRNA-Impfstoffs: neben einem monovalenten Omikron-Impfstoff auch einen bivalenten Impfstoff, der mRNA sowohl für das Spikeprotein des Wuhan-Stamms als auch das der Omikron-Variante enthält. Erste Produktionsschritte begannen laut Medienberichten schon im Januar. Die vergleichende klinische Studie zur Prüfung von Wirksamkeit und Verträglichkeit dieser Impfstoffe begann ebenfalls im Januar. Laut Unternehmensmitteilung vom 25.06.2022 sind beide imstande, eine stärkere Immunantwort gegen Omikron BA.1 hervorzurufen als der ursprüngliche Impfstoff, wobei der Omikron-Monoimpfstoff hier noch bessere Resultate erzielt als der bivalente Impfstoff. Beide induzieren auch eine Abwehr gegen die aktuell meistverbreiteten Variante Omikron BA.4 und BA.5, allerdings in geringerem Maße. - Schutzlos war man aber auch mit dem bisherigen Impfstoff nicht: Epidemiologische Daten zeigten, dass dieser nach dreimaliger Injektion (Grundimmunisierung plus "Booster") immerhin recht gut vor schweren Infektionsverläufen schützen konnte.
- Moderna hat zeitgleich mit BioNTech/Pfizer mit der Entwicklung eines an Omikron angepassten Impfstoffs begonnen und im Februar über den Beginn einer klinischen Studie informiert. Das Unternehmen erprobt sowohl einen monovalente Omikron-angepasste Impfstoffvariante als auch einen bivalenten Impfstoff (Wuhan + Omikron) (in UK). Laut Unternehmensmitteilung vom 08.06.2022 schützt der bivalente Impfstoff, als Booster angewendet, besser vor der Omikron-Variante als der bisherige Impfstoff des Unternehmens. – Auch die Schutzwirkung der Impfungen mit dem bisherigen Impfstoff wurde untersucht. Demnach ist nur mäßig geschützt, wer nur zweifach geimpft wurde, aber deutlich besser, wer dreifach geimpft wurde.
- Novavax hat mit der Entwicklung einer an Omikron angepassten Variante des eigenen Impfstoffs begonnen, damit aber noch nicht das Stadium der Studienerprobung erreicht. Der zugelassene Impfstoff zeigt aber auch schon Wirksamkeit gegen Omikron.
Auch mehrere Entwickler von noch nicht (oder nicht in der EU) zugelassenen Covid-19-Impfstoffen haben auf die Omikron-Variante reagiert:
- So hat der für den Rollout des Impfstoffs Sputik V zuständige russische Russian Direct Fund (RDIF) mitgeteilt, dass Sputnik V gegen Omikron wirksam ist. Im Moskauer Gamaleya Institut, das schon die ursprüngliche Version von Sputnik V entwickelt hat, werde aber auch schon an einer an Omikron adaptierten Variante für Boosterimpfungen gearbeitet. Die Orginalversion von Sputnik V befindet sich bei der EMA im Rolling Review, der in ein reguläres Zulassungsverfahren übergehen wird, sobald alle Kapitel des Zulassungsantrags eingereicht sind.
- Für den Impfstoff von Valneva, der derzeit ebenfalls bei der EMA im Rolling Review ist, deuten Laborexperimente auf eine Wirksamkeit gegen die Omikron-Variante.
- Hipra (Spanien) hat einen Protein-basierten Impfstoff entwickelt, der als Antigen ein Fusionsprotein aus Teilen des Spikeproteins der Alpha und der Beta-Variante enthält. Im Rahmen der laufenden Phase III-Studie wird ausdrücklich geprüft, wie gut der Impfstoff vor Erkrankungen mit der Omikron-Variante schützt. Ergebnisse aus früheren Entwicklungsphasen zeigen Chancen für eine gute Schutzwirkung. Der Impfstoff ist bei der EMA auch schon im Rolling Review.
- Clover Biopharmaceuticals (China) entwickelt einen Protein-basierten bivalenten Impfstoff, der Spikeprotein des Wuhan-Stamms und von Omikron enthält. Im Tierversuch zeigte er Wirksamkeit gegen Omikron und andere Variants of Concern. Als Adjuvans dient bei diesem Impfstoff CpG 1018 von Dynavax.
- Shionogi, ein japanischer Hersteller, wird laut Medienbericht sicherstellen, dass sein in Entwicklung befindlicher, proteinbasierter Impfstoff S-268019 auch gut vor der Omikron-Variante schützt. Dazu zieht er auch die Ergänzung einer an Omikron angepasste Komponente in Betracht. Der Impfstoff hat Phase III der Studienerprobung mit Freiwilligen erreicht.
- Daiichi Sankyo – ein weitere japanisches Unternehmen, das aber auch in Deutschland Forschungslabors unterhält – untersucht laut Medienbericht derzeit, ob sein in Entwicklung befindlicher mRNA-Impfstoff auch vor der Omikron-Variante schützen kann. Falls nicht, sei eine rasche Anpassung an Omikron möglich. Der Impfstoff wird derzeit in einer Phase I/II-Studie mit Freiwilligen erprobt.
- Everest Medicines und Providence Therapeutics (China und Kanada) haben mit der Arbeit an einem an Omikron adaptieren mRNA-Impfstoff begonnen.
- Gritstone bio (USA) arbeitet an einer an Omikron angepassten Variante seines in Entwicklung befindlichen Covid-19-Impstoffs auf Basis von selbst-amplifizierender mRNA. Er hat aber noch nicht das Stadium der klinischen Erprobung erreicht. Die Coalition for Epidemic Preparedness Innovations (CEPI) unterstützt das Projekt.
- Inovio entwickelt ebenfalls einen DNA-basierten Impfstoff (INO-4800) und hat damit Phase III erreicht. Das Unternehmen prüft dessen Wirksamkeit gegen Omikron.
- Takis Biotech und Rottapharm Biotech, zwei italienische Unternehmen, haben eine an Omikron adaptierte Variante ihres DNA-basierten Impfstoffs COVID-eVax erarbeitet. Der ursprüngliche Impfstoff hat in Phase I positive Ergebnisse erbracht.
- Phylex BioSciences (USA) entwickelt einen bivalenten mRNA-Impfstoff, der sowohl vor der Delta-Variante als auch der Omikron-Variante Schutz bieten soll. Die mRNA codiert für die Rezeptorbindungsdomänen der Spikeproteine beider Varianten.
- Das indische Unternehmen Gennova Biopharmaceuticals arbeitet an einer an Omikron angepassten Variante seines mRNA-Impfstoffs. Der ursprüngliche Impfstoff hat Phase III errreicht; die Omikron-Version ist noch nicht in klinischer Erprobung.
- Das US-Unternehmen Sorrento arbeitet an einem mRNA-Impfstoff, der an die Omikron-Variante angepasst ist. Er ist derzeit in vorklinischer Entwicklung.
Die deutsche Bundesregierung gab am 18.05.2022 bekannt, dass sie die Möglichkeit für erneute Boosterimpfungen ("4. Impfung") ab Herbst 2022 schaffen wird, für die dann voraussichtlich die bisherigen Impfstoffe (gegen den Wuhan-Stamm) und ein Mono-Omikron-Impfstoff von BioNTech sowie ein bivalenter Impfstoff (Wuhan + Omikron) von Moderna zur Verfügung stehen werden (wenn letzte beide Impfstoffe gute Studienergebnisse erbringen und von der EMA genehmigt werden).
In 5 Schritten zum angepassten Impfstoff
Für die Entwicklung eines Varianten-angepassten Impfstoffs gegen SARS-CoV-2, ausgehend von einem schon zugelassenen Impfstoff, sind von der Arzneimittelbehörde EMA grundsätzlich die folgenden Schritte vorgesehen. Im Einzelfall kann die EMA allerdings auch entscheiden, von diesen Vorgaben abzuweichen.
1. Anpassung des Impfstoffs
Der Hersteller passt seinen Impfstoff im Labor an die neue Variante an. Im Fall von mRNA- und Vektorviren-Impfstoffen wird dafür einfach der RNA- bzw. DNA-Abschnitt, der die Bauanleitung für das Spikeprotein (oder ein Stück davon) darstellt, gegen einen entsprechenden Abschnitt für das Spikeprotein der Variante ausgetauscht.
2. Technische Qualitätsprüfung
Der Impfstoff wird einer technischen Qualitätsprüfung (zur Konzentration der Inhaltsstoffe, der Reinheit und der Stabilität) unterzogen. Hingegen sind keine Wirksamkeits- und Verträglichkeitstests mit Zellkulturen oder Tieren erforderlich.
3. Zwei parallele klinische Studien
Der Varianten-Impfstoff wird in zwei parallelen Studien mit Freiwilligen mit dem ursprünglichen Impfstoff verglichen: in der einen Studie als Erstimpfung, in der anderen als Auffrisch-Impfung. Es wird im Labor gemessen, wie zuverlässig nach der Impfung genügend Antikörper gebildet werden, die die betreffende Virusvariante unschädlich machen (neutralisieren). Der Varianten-Impfstoff muss dabei besser abschneiden als der ursprüngliche. Ein Kontakt der Geimpften mit dem Virus ist nicht erforderlich; es müssen keine Erkrankungsfälle gezählt werden.
4. Prüfung und Genehmigung
Der Hersteller beantragt die Genehmigung für den Varianten-angepassten Impfstoff bei der EMA (eine sogenannte Type-II-Variation). Die EMA kann diese nach priorisierter Prüfung befürworten, die EU-Kommission sodann genehmigen.
5. Produktionsumstellung
Der Hersteller und seine Produktionspartner stellen die Großproduktion ganz oder zum Teil auf den Varianten-Impfstoff um. Das ist im Fall von mRNA- und Vektorvirenimpfstoffen einfach, da sich am Herstellungsverfahren fast nichts ändert. Die Impfstoff-Gefäße werden gekennzeichnet, um Verwechslungen mit dem alten Impfstoff zu vermeiden.
PDF-Download: In fünf Etappen zum Varianten-Impfstoff als Poster
Dr. Rolf Hömke, Forschungssprecher des vfa, hat am 01. Dezember 2021 der Moderatorin Kristin Hunfeld von Radio Bremen Zwei Rede und Antwort gestanden.
Thema: Virus-Varianten und die Wirksamkeit der mRNA-Impfstoffe
Hier können Sie das Gespräch nachhören: