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Emnid: Forschungsmanager kritisieren Standortpolitk

Junge Forscher in Deutschland - aussterbende Spezies?Deutsche Forschungsmanager beklagen einen Niedergang Deutschlands als Forschungsstandort. Sie bemängeln unklare Forschungsförderung nach dem Gießkannenprinzip, zuviel Bürokratie durch Politik und Behörden gegenüber der Forschung und sie sehen den bisherigen Standortvorteil Deutschlands, über ein gutes Personalangebot zu verfügen, langfristig in Gefahr. Dies ist das Ergebnis einer im August durchgeführten Befragung von fünfzehn Top-Managern aus den besonders forschungsintensiven Branchen Automobilbau, Elektrotechnik, Chemie, Pharma und Anlagenbau durch das Meinungsforschungsinstitut Emnid, die vom Verband Forschender Arzneimittelhersteller in Auftrag gegeben worden war.

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"Es ist leider viel zu wenig im Bewusstsein, dass der F&E-Standort Deutschland eine ganz, ganz wichtige Basis für unseren Wohlstand ist." (Antwort aus der Befragung)»

Die pessimistischen Einschätzungen der Befragten stehen im Einklang mit empirischen volkswirtschaftlichen Daten:

Das Bundesforschungsministerium musste im Feburar einräumen: "In den 90er Jahren hat sich herausgestellt, dass das deutsche Außenhandelsportfolio immer 'automobillastiger' geworden ist. Würde man - als Gedankenexperiment - den Automobilsektor aus der Außenhandelsbilanz herausrechnen, dann wäre Deutschland nicht mehr als ein Land zu bezeichnen, das im internationalen Handel auf forschungsintensive Produktionen spezialisiert ist."

Die gesamtwirtschaftliche F&E-Intensität - der Anteil der F&E-Ausgaben am Bruttoinlandsprodukt - ist im Jahr 2002 in Deutschland mit 2,5 Prozent unverändert geblieben, obwohl das innerhalb der EU vereinbarte Ziel lautet, bis zum Jahr 2010 mindestens 3 Prozent zu erreichen. Während zwischen 2000 und 2002 die Forschungsausgaben in Schweden um 30 Prozent und in den USA um 25 Prozent stiegen, waren es in Deutschland nur 6 Prozent.

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"Man stellt ja ein Paradoxon fest: Die Forschung wird mit Zukunft assoziiert, ständig, bei jedem Parteitag steht hinter dem Redner 'Innovation und Zukunft' und so weiter. Und in jeder Sonntagsrede passiert das auch. Aber wenn es um Mittel- und Ressourcen-Verteilung geht, da sitzt die arme Frau Bulmahn am Katzentisch." (Antwort aus der Befragung)»

Die von Emnid befragten Manager stuften die Forschungssituation in Deutschland insgesamt zwar noch als "relativ brauchbar" ein, da es überdurchschnittlich gute Human Ressources, eine differenzierte Forschungslandschaft mit einer Vielzahl von Instituten und eine langjährige Forschungstradition gebe. Jedoch existierten gegenwärtig auch attraktivere Forschungsstandorte als Deutschland.

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"Hier bleibt mir wohl nichts anderes übrig, als die USA zu nennen." (Antwort aus der Befragung)»

Damit Deutschland nicht weiter abfällt, sondern seine Position verbessert, wird dringend Handlungsbedarf in drei Bereichen angemahnt:

Forschungsförderung

Staatliche Forschungsförderung müsse strategischer werden, beispielsweise durch die Einrichtung von Kompetenzcentern, durch die Förderung des Wettbewerbs um themenspezifische Forschungsgelder, durch Anreize zur Zusammenarbeit zwischen Universitäten und Wirtschaft.

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"Forschungspolitik muss die Innovation und das Wissen und die Forschung voran bringen und nicht der Region XY mehr Institute geben." (Antwort aus der Befragung)»

Bürokratie

Die zügige Genehmigung und Durchführung von Forschungsvorhaben müsse durch weniger Bürokratie, Administration und Regulierungen und mehr systematische Kooperation zwischen verschiedenen administrativen Instanzen - wie Bund, Länder und EU - in starkem Maße erleichtert werden.

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"In Deutschland sitzen so viele Player an einem Tisch, Regionen, Länder und dies und das und jenes, jeder, der da mitreden will, das geht in die Zeit. Das ist in zentralistischen Ländern einfacher." (Antwort aus der Befragung)»

Ausbildung

Das Image von Forschung und Entwicklung in der Öffentlichkeit müsse ebenso dringend verbessert werden wie Berufsperspektiven von Nachwuchswissenschaftlern, um dafür zu sorgen, dass genügend junge Menschen einen wissenschaftlichen Weg einschlagen, und um zu verhindern, dass zu viele deutsche Fachkräfte in anderen Ländern dauerhafte Forschungstätigkeiten aufnehmen.

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"Es schreiben sich immer weniger in naturwissenschaftliche Fächer ein, das bringt ein Nachwuchsproblem." (Antwort aus der Befragung)»

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"Die Deutschen nehmen ja schon nach der jüngsten Statistik den Platz der fünftstärksten Nation der Auslandsforscher in den USA ein, d.h. also, so schlecht kann die Ausbildung gar nicht sein. Die werden mit Kusshand überall genommen. Nur das Dableiben, daran krankt es." (Antwort aus der Befragung)»

Download der Emnid-Untersuchung "Forschungsstandort Deutschland - Expertenbefragung im Auftrag des Verbandes Forschender Arzneimittelhersteller (VFA)"
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