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Euro-HTA - Was ist das eigentlich?

Die jüngste Diskussion um die europäische Nutzenbewertung hat wieder deutlich gemacht, welche Begriffsverwirrung im Bereich des Dokumentierens, Vergleichens und Bewertens von Therapien besteht. Neben den in Deutschland bekannten Begriffen „Nutzenbewertung“ „Zusatznutzenbewertung“, „frühe Nutzenbewertung“ oder „Kosten-Nutzenbewertung“ trat in letzter Zeit der des „Health Technology Assessment (HTA)“.

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Was ist ein Health Technology Assessment (HTA)?

Die Idee der Bewertung von Therapien hat sich zunächst in englischen Sprachraum entwickelt. Deshalb stammen viele Fachbegriffe der gesundheitsökonomischen Debatte von dort. So auch der Begriff des „Health Technology Assessment“ (HTA). Und es ist kein Wunder, dass mit einer europäischen Diskussion um die Nutzenbewertung auch in Deutschland verstärkt der Begriff HTA auftauchte.

HTA steht eine systematische Bewertung medizinischer Verfahren und Technologien mit Bezug zur gesundheitlichen Versorgung der Bevölkerung. Hierzu werden alle verfügbaren Daten (Evidenz) dargestellt und unter einer bestimmten Fragestellung beurteilt und bewertet. HTA-Berichte informieren behandelnde Ärzte, Gesundheitsbehörden, Krankenkassen oder Patienten über den medizinischen und gesundheitsökonomischen Wert, sowie den sozialen, ethischen und legalen Rahmen der jeweiligen Fragestellung. HTA ist keinesfalls auf Arzneimittel beschränkt, wird aufgrund der qualitativ hochwertigen Studien in diesem Bereich aber besonders oft verwendet. Im Rahmen eines HTA kann es durchaus zu Meinungsverschiedenheiten kommen welche Daten in welcher Form relevant sind, welche Daten also wie in die Diskussion einbezogen werden sollten. Diese Meinungsverschiedenheiten machen deutlich, dass hinter einem HTA nicht nur objektive Fakten, sondern normative Wertungsfragen stehen.

Wie läuft ein HTA in Deutschland ab?

Die Zusatznutzenbewertung nach AMNOG (Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes) ist nicht der einzige aber der prominenteste Fall einer systematischen Bewertung medizinischer Verfahren und Technologien - kurz HTA - im deutschen Gesundheitssystem. Deshalb werden die Begriffe „Zusatznutzenbewertung“ bzw. „Nutzenbewertung“ und HTA hierzulande auch gleichgesetzt. Nach dem deutschen Ansatz bewertet das oberste Selbstverwaltungsgremium (Gemeinsamer Bundesausschuss; kurz: G-BA) den Zusatznutzen neuer Arzneimittel gegenüber einer herkömmlichen Therapie umgehend nach ihrer Einführung. Zweck dieses HTA-Prozesses ist die Preisfindung. Auf Basis der Bewertung handelt der Spitzenverband der Krankenkassen (GKV-SV) nämlich mit dem Hersteller den Preis aus.

Bei seiner Bewertung wählt der G-BA eine Vergleichstherapie und bewertet ausgehend davon den Zusatznutzen des neuen Arzneimittels. Die Bewertung im AMNOG konzentriert sich also auf einen Teil der Aspekte (z.B. eine Vergleichstherapie), deshalb ist sie kein „Full-HTA“, der die Gesamtheit der verfügbaren Evidenz berücksichtigt, sondern ein „einfaches“ HTA.

Erhält ein bereits bewertetes Arzneimittel eine erweiterte Zulassung, erfolgt auch dafür eine Zusatznutzenbewertung. Deshalb ist der Begriff der „frühen“ Nutzenbewertung, den man noch gelegentlich hört, irreführend.

Was will die EU in ihrer Gesetzgebung zu HTA?

Die EU arbeitet daran - nach dem Vorbild der europaweiten Zulassung - die Vielzahl der nationalen HTAs zu harmonisieren. Somit können unterschiedliche Daten- und Evidenzanforderungen innerhalb der EU verhindert werden und das Risiko verspäteter Therapiezugänge in Europa durch methodischen Streit minimiert werden. . Hierzu sollen die Mitgliedsstaaten koordiniert zusammenarbeiten, so wie sie es bei dem europäischen Zulassungsverfahren schon heute tun.

Was soll zukünftig europäisch beurteilt und was national beurteilt werden?

Die EU möchte eine europäische Zusammenarbeit zur Bewertung des Zusatznutzens eines Arzneimittels zum Zeitpunkt der Markteinführung. Das soll Doppelarbeit vermeiden und verhindern, dass Methodenstreitigkeiten den Zugang zu innovativen Arzneimitteln unnötig behindern In der Hand der Mitgliedsstaaten bleiben hingegen nicht-klinische Bewertungsaspekte wie z.B. die ökonomische Bewertung im nationalen Kontext. Die Entscheidung über Preis und Erstattung bleiben damit allein Sache der Mitgliedsstaaten. Im deutschen AMNOG-Kontext bedeutet dies, dass der Großteil der Arbeit des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) auf europäischer Ebene stattfindet. Die Beschlussfassung über die nationale Adaption der europäischen Zusatznutzenbewertung verbleibt aber weiterhin im Aufgabenbereich des G-BA, ebenso wie der GKV-SV für nachgelagerte Preisverhandlungen verantwortlich sein wird.

Löst das europäische HTA Verfahren die europäische Zulassung ab?

Nein. Die Europäische Zulassungsbehörde überprüft weiterhin die Wirksamkeit, Sicherheit und Qualität eines Arzneimittels und der europäische HTA Prozess (auch „joint clinical assessment“ genannt) wird den Zusatznutzen des neuen Arzneimittels bewerten.

Was ist ein QALY?

In Deutschland ist die oben beschriebene Zusatznutzenbewertung die Regel. Grundsätzlich gibt es daneben das Instrument der Kosten-Nutzenbewertung. Bei einer Kosten-Nutzenbewertung wird der medizinische Nutzen in Relation zu Kosten gesetzt. Dabei ist umstritten, welche Kosten dabei zu betrachten sind: Nur die der Krankenkasse oder alle gesellschaftlichen Kosten (z.B. die der Berufsunfähigkeit). Kosten-Nutzenbewertungen werden in Deutschland kaum eingesetzt, da sie als Rationierungsinstrumente umstritten geblieben sind.

In Großbritannien, das regelmäßig Kosten-Nutzenbewertungen durchführt, ist deshalb die Frage aufgekommen, wie viel Geld ein gewonnenes Lebensjahr kosten darf. Das nennt man dort „quality-adjusted life year“ oder kurz „QALY“. In Kontinentaleuropa einschließlich Deutschland ist diese Form der Ökonomisierung des Wertes menschlichen Lebens, die die Kosten-Nutzenbewertung begleitet, nie populär geworden.