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Gesundheitswesen als Wirtschaftsfaktor

Immer häufiger sprechen Wissenschaft und Politik im Zusammenhang mit dem Gesundheitswesen von der Gesundheitswirtschaft. Damit tragen sie der Tatsache Rechnung, dass dieser Bereich mittlerweile zum wichtigsten deutschen Wirtschaftsfaktor geworden ist. Eine Studie aus dem Jahr 2009, die im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums erstellt wurde, spricht von zur Zeit 5,3 Mio. Beschäftigten, die im weitesten Sinne im Bereich der Gesundheit tätig sind und einen Gesamtumsatz von 278 Mrd. Euro jährlich erwirtschaften.

Die pharmazeutische Industrie ist wichtiger Teil der Gesundheitswirtschaft und trägt über volkswirtschaftliche „Hebelwirkung“ maßgeblich zur Schaffung von Arbeitsplätzen und Werten in anderen Branchen bei. Tatsächlich sichern die rund 115 000 Beschäftigten der inländischen Pharmaindustrie 125 000 weitere Arbeitsplätze bei Zulieferern. Alles, was zur Sicherung und Entwicklung des Pharmastandortes beiträgt, kommt deshalb der Sicherung und Entwicklung des Wirtschaftsstandorts Deutschland insgesamt zugute.

Ausgangslage

Der Sachverständigenrat für Gesundheit hat bereits in seinen Sondergutachten von 1996 und 1997 die Auswirkungen von Ausgaben- und Beitragssatzveränderungen im Gesundheitswesen auf Beschäftigung und Wachstum untersucht und festgestellt, dass das Gesundheitssystem in seiner Gesamtheit nicht nur als Kosten-, sondern auch als Wirtschaftsfaktor angesehen werden müsse. Weitere Gutachten untermauern diese Einschätzung. Während die verarbeitende Industrie im Durchschnitt 4% ihres Umsatzes in Forschung und Entwicklung (F&E) investiert, wendet die pharmazeutische Industrie heute 16% für die Entwicklung neuer Produkte auf. Mit 27% Akademikern und einer Wertschöpfung von 99 000 Euro pro Beschäftigtem bleibt sie auch im Hochlohnland Deutschland auf Dauer wettbewerbsfähig.

Wichtiger noch als der Status Quo sind aber die Entwicklungschancen: Die älter werdende Bevölkerung, der medizinische Fortschritt und das steigende Gesundheitsbewusstsein der Bevölkerung stellen ein enormes Wachstumspotential dar. In diesem "Wachstumsmarkt Gesundheit" repräsentieren forschende Arzneimittelhersteller eine zukunftsorientierte und subventionsfreie High-Tech-Branche, die auf unterschiedlichen Feldern Lösungsbeiträge für den Standort Deutschland leistet.


Aktuelle Entwicklung

Angesichts begrenzter Ressourcen der Sozialsysteme wächst die deutsche Gesundheitswirtschaft derzeit vor allem im Ausland. Doch nicht alle Bereiche der Gesundheitswirtschaft bieten sich zum Export an. Häusliche Pflege etwa findet am Wohnort des Patienten statt. Auch die ambulante Versorgung durch Haus- und Fachärzte lässt sich kaum internationalisieren. Aber schon das Beispiel des Apothekers zeigt, dass hochqualifizierte Dienstleistungen nicht automatisch ortsgebunden sind. Krankenhäuser beginnen damit, gezielt Patienten aus dem Ausland anzuwerben. Und Pharmaindustrie und Medizintechnik sind schon seit Jahrzehnten weltweit tätig und haben auch deshalb die größte Nettowertschöpfung pro Beschäftigtem im Gesundheitswesen.

Eine Studie des Hamburgischen WeltWirtschaftsInstituts vom Mai 2008 belegt, dass Deutschland einer der weltweit führenden Standorte für die Pharmaindustrie ist. Exzellent ausgebildete Mitarbeiter, hervorragende Infrastruktur, ein hoher Schutz geistigen Eigentums, gesunde bestehende Unternehmensstrukturen und die Marktpreisbildung für innovative Produkte sind einige der zentralen Standortstärken Deutschlands im internationalen Vergleich. Im Bereich Absatz liegt Deutschlands Stärke vor allem darin, drittgrößter Pharmamarkt der Welt zu sein. Ferner sprechen die Marktpreisbildung für Innovationen und deren Erstattungsfähigkeit unmittelbar nach der Zulassung für den Pharmastandort Deutschland.

Gleichzeitig steht er aber unter starkem Wettbewerbsdruck: Zu den etablierten Mittwettbewerbern wie etwa die USA, Großbritannien, Frankreich und die Schweiz sind im Zuge der Globalisierung und der weltweiten Gewichtsverschiebung der Pharmamärkte in Richtung der Schwellenländer neue Pharmastandorte entstanden. Bislang konnte Deutschland seinen Titel als Exportweltmeister auch im Bereich Pharma erfolgreich verteidigen. Professor Straubhaar schließt daher, dass Deutschland, will es im Wettbewerb der weltweit besten Standorte oben mitspielen, einen „Stärken stärken Ansatz“ zum Ausgangspunkt politischen Handelns nehmen muss.

vfa-Position

Die forschende Pharmaindustrie trägt als Teil der Gesundheitswirtschaft wesentlich zu Wachstum und Wohlstand in Deutschland bei. Gleichzeitig ist der Pharmastandort deutlich besser als sein Ruf. So verfügt Deutschland über exzellent ausgebildete Wissenschaftler, eine hervorragende Forschungs-Infrastruktur und ist seit 2007 „Europameister“ bei der Zahl kommerzieller klinischer Studien. In der Produktion liegen die Stärken ebenfalls in der Verfügbarkeit hochqualifizierten Personals und in der Herstellung von biopharmazeutischen und anderen Hightech-Produkten.

Vor allem die inkonsistente Regulierung des Gesundheitswesens überlagert jedoch in der Wahrnehmung vieler internationalen Entscheider die Stärken des Pharmastandorts in den vorgelagerten Stufen der Wertschöpfungskette. Jahr für Jahr gehen deshalb wichtige Investitionen an Deutschland vorbei. Das muss sich ändern. Deutschland muss seine Standortstärken, wie etwa die Marktpreisbildung von innovativen Arzneimitteln nutzen und langfristig innovationsfreundliche Rahmenbedingungen und somit mehr Anreize zu vermehrten Investitionen setzen. Dies wäre ganz ohne Subventionen zu leisten, denn der Heimatmarkt bleibt die zentrale Planungsgröße für die Pharmaindustrie in Deutschland.