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Experten fordern Verbesserungen zum Schutz der Bevölkerung

Berlin (VFA). Infektionskrankheiten sind in Deutschland auf dem Vormarsch. Doch Deutschland ist darauf unzureichend vorbereitet. Zu diesen Ergebnissen kommt eine aktuelle Umfrage zu "Impfungen und Impfverhalten", die GfK HealthCare im Auftrag des Verbands Forschender Arzneimittelhersteller (VFA) durchgeführt hat. Befragt wurden 50 führende Impfexperten aus Industrie und Wissenschaft. Noch nie wurden in einem Jahr so viele neue Impfstoffe zugelassen wie 2006. "Doch Impfstoffe, die effektiven Schutz vor Infektionskrankheiten bieten, werden in Deutschland viel zu wenig genutzt", sagte Impfexperte Dr. Michael Bröker von Novartis Behring, Marburg, bei der Vorstellung der Ergebnisse in Berlin.

Infektionskrankheiten in Deutschland nehmen zu

Die meisten der befragten Experten (80 Prozent) rechnen damit, dass es in Deutschland in den nächsten fünf Jahren zu einem Anstieg von Infektionskrankheiten kommen wird. Dies gilt insbesondere für HIV, die echte Virusgrippe (Influenza) und Tuberkulose. Aber auch an Masern und der durch Zecken übertragenen Hirnhautentzündung (FSME) werden nach Expertenschätzung immer mehr Menschen in Deutschland erkranken. Hauptfaktoren für diese Entwicklung seien vor allem Impfmüdigkeit, zunehmende Reisetätigkeit, Migration, klimatische Veränderungen, leichtsinniges Verhalten und die Entwicklung von Resistenzen bei den Erregern.

Experten fordern Verbesserungen zum Schutz vor einer Influenza-Pandemie

Die Wahrscheinlichkeit, dass es in den nächsten fünf Jahren zu einer Influenza-Pandemie kommen wird, schätzen die Experten im Schnitt auf rund 30 Prozent ein; wobei sie die Gefahr eher von Vogelgrippestämmen als von herkömmlichen Grippestämmen ausgehen sehen.

Doch wie gut ist Deutschland auf eine Pandemie vorbereitet? 82 Prozent der befragten Experten sehen Verbesserungspotenzial und fordern hierzu zum Beispiel verstärkte Aufklärung, Katastrophenpläne, Bevorratung mit Impfstoffen sowie höhere Impfraten.

Was kann gegen die Impfmüdigkeit in Deutschland getan werden?

"Ein Blick auf die Impfraten in Deutschland zeigt, dass die Vorsorge durch Impfungen viel zu wenig in Anspruch genommen wird. Während sich zum Beispiel in den Niederlanden 81 Prozent der über 65-Jährigen gegen Grippe impfen lassen, sind es in Deutschland nur 50 Prozent", sagte Bröker. (1) Die Experten wünschen sich vor allem bei Masern, Grippe und Hepatitis B, dass gegen diese Erkrankungen verstärkt geimpft wird. "Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat das Ziel formuliert, die Masern bis 2010 in Europa auszurotten. Doch derzeit ist Deutschland davon weit entfernt", bilanzierte Bröker. Diese Einschätzung teilen die Umfrageteilnehmer: 94 Prozent glauben, dass es in Deutschland in den nächsten vier Jahren nicht gelingen wird, die Masern auszurotten.

Das größte Hindernis zur Verbesserung der Impfraten sehen die Experten generell in Informationsdefiziten der Bevölkerung. Um die Impfraten in Deutschland zu erhöhen, setzen sie vor allem auf flächendeckende und bessere Aufklärung sowie eine bessere Fortbildung der Ärzte. Rund jeder dritte Experte befürwortet sogar die Einführung einer Impfpflicht, zum Beispiel für die Aufnahme in Kinderkrippen, Vorschulen und Schulen.

Rekordjahr der Impfungen: Schutz vor immer mehr Krankheiten

In den letzten zehn Jahren konnte der Impfschutz auf immer weitere Krankheiten ausgedehnt werden. Erstmals wurden Schutzimpfungen gleich gegen drei Krankheiten zugelassen, vor denen man sich bisher nicht schützen konnte: schmerzhafte Gürtelrose, Brechdurchfälle durch Rotaviren und Gebärmutterhalskrebs. "Impfungen zum Schutz vor Erregern, die Krebs verursachen können, sind eine wichtige Neuentwicklung", so Bröker.

Von einer Impfung gegen humane Papillomviren (HPV), die die häufigste Ursache für Gebärmutterhalskrebs darstellen, erwarten sich die befragten Experten in den nächsten fünf Jahren die größten Verbesserungen bei der Vorbeugung von Infektionskrankheiten. 86 Prozent von ihnen sprechen sich deshalb dafür aus, dass HPV-Impfstoffe für junge Mädchen und Frauen als Standardimpfung empfohlen werden.

Neben neuen Impfstoffen entwickeln forschende Pharma-Unternehmen neue und modernste Produktionstechnologien wie zum Beispiel bei Grippeimpfstoffen die Zellkulturtechnologie, wodurch man auf die Verwendung von Eiern im Produktionsprozess von Influenzaimpfstoffen verzichten kann.

Herausforderung an die Pharmaforscher: Impfstoffe gegen HIV und Malaria

Langfristig erwarten viele Experten auch bei HIV und Malaria Fortschritte durch die Impfstoffforschung. Eine zuverlässige Schutzimpfung gegen HIV erscheint den meisten Experten im nächsten Jahrzehnt aber unrealistisch. Die Befragten hoffen jedoch zum Beispiel auf einen Impfstoff, der das Infektionsrisiko bei HIV senkt (38 Prozent der Experten) oder im Falle einer späteren Infektion den Ausbruch der Krankheit verzögert oder den Krankheitsverlauf mildert (45 Prozent der Experten). Bei Malaria - gegen die in den letzten Jahrzehnten viele Impfstoffprojekte verfolgt, aber ergebnislos geblieben sind - rechnet jeder dritte Experte in den nächsten zehn Jahren mit großen Fortschritten bei der Entwicklung von Impfstoffen.

Rahmenbedingungen für die Forschung verbessern

Als wichtigste Voraussetzungen für optimale Bedingungen zur Impfstoffforschung und -entwicklung gaben die Experten in der Umfrage am häufigsten finanzielle Unterstützung und den Abbau bürokratischer Hürden an. Nach Meinung der Befragten würden auch eine Stärkung der Grundlagenforschung und mehr politische Unterstützung die Impfstoffforschung weiter erleichtern. "Wir müssen das vorhandene Potenzial an Impfstoffentwicklung und -produktion in Deutschland sowohl im Interesse der Patienten als auch des Standortes Deutschland nutzen. Hierfür bedarf es vor allem einer Gesundheitspolitik, die innovationsoffen agiert und sich stärker für den Bereich Impfstoffe einsetzt", kommentierte Dr. Siegfried Throm, Geschäftsführer Forschung, Entwicklung und Innovation des Verbands Forschender Arzneimittelhersteller (VFA). "Bei allen Beteiligten im Gesundheitswesen muss ein Konsens über die Bedeutung von Impfungen erreicht werden. Auch die Politik muss sich klar zum Nutzen von Impfungen für Mensch und Gesellschaft bekennen."

Weitere Informationen zur Experten-Umfrage "Impfungen und Impfverhalten" finden Sie unter: https://www.vfa.de/pk20061212

Literatur:
(1) Kronemann M, Paget WJ, Essen GA van (2003): Influenza vaccination in Europe: an inventory of strategies to reach target populations and optimise vaccination uptake. Eurosurveillance 8:130-138.



DerVerband Forschender Arzneimittelhersteller e.V. (VFA)ist der Wirtschaftsverband der forschenden Arzneimittelhersteller in Deutschland. Er vertritt die Interessen von 39 weltweit führenden Herstellern und ihren über 100 Tochter- und Schwesterfirmen in der Gesundheits-, Forschungs- und Wirtschaftspolitik. Die Mitglieder des VFA repräsentieren rund zwei Drittel des gesamten deutschen Arzneimittelmarktes und beschäftigen in Deutschland rund 86.000 Mitarbeiter, darunter mehr als 14.500 in Forschung und Entwicklung.



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