Drucken
öffnen / schließen
Wenn Sie diese Felder durch einen Klick aktivieren, werden Informationen an Facebook, Twitter oder Google in die USA übertragen und unter Umständen auch dort gespeichert. Näheres erfahren Sie hier: https://www.heise.de/ct/artikel/2-Klicks-fuer-mehr-Datenschutz-1333879.html

Arzneimittelentwicklung gegen Adipositas

Je besser die Regulation von Appetit und Nährstoffverwertung im Körper verstanden wird, desto mehr Möglichkeiten tun sich auf, Medikamente gegen Adipositas, also extremes Übergewicht, zu entwickeln. Neben Prävention, Verhaltensänderungen, Sport und chirurgischen Maßnahmen können sie einen Beitrag dazu leisten, Adipositas zu lindern.

Kleiderbügel auf dessen Metallbügel kleine Würfel mit Größen von XXS bis XXl angebracht sind. Der Bügel liegt auf blauem Jeansstoff.

Die Verbreitung von Adipositas hat längst epidemische Ausmaße angenommen. Sie ist mit erheblichen Belastungen für die Betroffenen verbunden, insbesondere aufgrund von Folgeerkrankungen wie Diabetes Typ 2, Atherosklerose, Herzinfarkten und sogar einigen Krebsarten. Hierdurch verursacht Adipositas auch hohe Kosten für das Gesundheitswesen.

Adipositas und ihre Ursachen

Laut Weltgesundheitsorganisation WHO leiden Erwachsene dann an Adipositas, wenn sie einen Body Mass Index (BMI) von mindestens 30 aufweisen. Bei einem BMI von 25 bis unter 30 spricht die WHO hingegen von Übergewicht, und ein BMI von 18,5 bis unter 25 gilt ihr als Normalgewicht. Der BMI errechnet sich dabei als Körpergewicht dividiert durch das Quadrat der Körperhöhe, in kg/m2. Für Adipositas bei Kindern und Jugendlichen wendet die WHO eine kompliziertere Definition an, die sich vom WHO Child Growth Standards Median ableitet. Aber auch hier geht es um übermäßiges Körperfett.

Ein Missverhältnis von Nahrungskalorien und Energieverbrauch (vor allem durch Bewegung) über längere Zeit ist Hauptursache für Adipositas. Das wiederum ist multifaktoriell bedingt, etwa durch Art und Umfang des Nahrungsangebots, durch spezifische Regelkreisläufe im zentralen Nervensystem und durch soziale Umweltfaktoren. Auch bestimmte Medikamente und Gendefekte können eine Adipositas verursachen.

Behandlungsmöglichkeiten

Laut Deutscher Adipositas Gesellschaft stellt eine Basistherapie aus Ernährungs-, Bewegungs- und Verhaltensinterventionen die Grundlage für die Adipositas-Behandlung dar. Wenn aber das Gewicht damit nicht zureichend gesenkt werden kann, kommen ihr zufolge andere Maßnahmen in Betracht.
Zu diesen zählen u.a. verschiedene Formen von Magenoperation.

Wirkstoff des MedikamentsWirkstoffklasseHerstellerzur Anwendung beiStatus für Adipositas-Behandlung von ErwachsenenStatus für Adipositas-Behandlung von JugendlichenKrankenkassenBemerkungen
Orlistattbdverschiedene AnbieterAdipositas und Übergewicht ab BMI 28 in Verbindung mit Risikofaktorenauf dem Marktnicht zugelassenkeine Erstattungk.A.
SetmelanotidMelanocortin-4 (MC4)-RezeptoragonistenRhythm PharmaceuticalsAdipositas aufgrund von Funktionsverlust des biallelischen POMC-Gens inkl. PCSK1, POMC-Mangel oder biallelischer Leptinrezeptor-Mangelauf dem Marktauf dem Markt mit Zulassung ab 6 JahrenErstattungk.A.
LiraglutidGLP-1-AgonistNovo NordiskAdipositas ab BMI 30 oder Übergewicht ab BMI 27 i. Verb. mit Übdergewichts-bedingten Begleiterkrankungen (abweichend bei Jugendlichen: Adipositas äquivalent zu BMI 30 und mind. 60 kg Körpergewicht)auf dem Marktauf dem Marktkeine ErstattungWirkstoff in anderem Medikament auch zugelassen f. d. Therapie von Typ 2-Diabetes (die erstattet wird)
SemaglutidGLP-1-AgonistNovo NordiskAdipositas ab BMI 30 oder Übergewicht ab BMI 27 i. Verb. m. Übergewichts-bedingten Begleiterkrankungenzugelassen, noch nicht vermarktetin klin. Erprobung Phase IIIkeine ErstattungWirkstoff in anderem Medikament vermarktet f. d. Therapie von Typ 2-Diabetes (die erstattet wird)
TirzepatidGLP-1/GIP-CoagonistLillytbd; in Erprobung bei Adipositas ab BMI 30 oder Übergewicht ab BMI 27 i. Verb. mit Übergewichts-bedingten Begleiterkrankungenin klin. Erprobung Phase IIIin klin. Erprobung Phase Itbdzugelassen f. d. Therapie von Typ 2-Diabetes (für die es erstattet würde), aber noch nicht vermarktet
BeinaglutidGLP-1-AgonistShanghai Benemae Pharmaceutical (China)tbdin klin. Erprobung Phase IIIk.A.tbdin China zugelassen und vermarktet für die Therapie von Typ 2-Diabetes
Semaglutid + CagrilintideGLP-1-Agonist plus Amylin-AnalogonNovo Nordisk (Dänemark)tbd; derzeit in Erprobung bei Adipositas ab BMI 30in klin. Erprobung Phase IIIk.A.tbdwird auch für die Therapie von Typ 2-Diabetes erprobt
MazdutideGLP-1-Glucagon-CoagonistInnovent Biologics (China) und Lilly (USA)tbd; derzeit in Erprobung bei Adipositasin klin. Erprobung Phase III in Chinak.A.tbdauch in Entwicklung zur Therapie von Typ-2-Diabetes
OrforglipronGLP-1-AgonistLilly (USA) (einlizensiert von Chugai)tbd; derzeit in Erprobung bei Adipositas oder Übergewicht ab BMI 25, jeweils bei gleichzeitigem Typ 2-Diabetesin klin. Erprobung Phase IIIk.A.tbdk.A.

Quelle: PharmaProjects Database, vfa-Recherchen
Stand: 10.05.2023

Prävention

Auch wenn sich die Behandlungsmöglichkeiten absehbar bessern, behält die Prävention von Adipositas überragende Bedeutung. Die WHO insistiert hierfür insbesondere auf Verhaltensänderungen beim Einzelnen, freiwillige oder verordnete Änderungen im Nahrungsmittelsortiment und mehr Angebote für körperliche Aktivität.

Rechtslage zur Erstattung von Medikamenten zur Gewichtsreduktion

Seit langem wird diskutiert, wie Adipositas einzustufen ist: Ist sie Krankheit oder Lifestyle-Problem? Das deutsche Sozialgesetzbuch (V, § 34) folgt seit Jahrzehnten letzterem Verständnis: Es verfügt, dass Krankenkassen keine Kosten für Medikamente übernehmen dürfen, die überwiegend zur Abmagerung, zur Zügelung des Appetits oder zur Regulierung des Körpergewichts dienen. In der Umsetzung dieses Gesetzes führt das oberste Gremium für Krankenkassenleistungen, der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA), „Abmagerungsmittel“ in der Liste zum „Verordnungsausschluss von Arzneimitteln zur Erhöhung der Lebensqualität gemäß § 34 Abs. 1 Satz 7 SGB V (Lifestyle Arzneimittel)“. Nur die Behandlung von Gendefekt-verursachter Adipositas mit Setmelanotid (siehe oben) sieht er als Ausnahme vor. Der G-BA-Vorsitzende Josef Hecken wies in diesem Zusammenhang darauf hin, „dass die ‚Anerkennung‘ eines Beschwerdebildes als eine – im leistungsrechtlichen Sinne – behandlungsbedürftige Erkrankung nicht in der Kompetenz des G-BA liegt“.