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Was bringt das neue Tierschutzgesetz und die neue Tierschutzverordnung Deutschland?

2013 (voraussichtlich im April) wird in Deutschland ein neues Tierschutzgesetz in Kraft treten. Damit wurde das deutsche Recht insbesondere an die revidierte EU-Richtlinie zum Tierschutz von 2010 angepasst (EU-Richtlinie 2010/63/EG). Für einige Tierversuche in der Pharmaindustrie werden damit die Genehmigungshürden noch einmal erhöht und die Transparenzpflichten der Firmen ausgeweitet, doch vieles wird auch in bewährter Weise beibehalten. Weitere Änderungen könnte aber in den nächsten Monaten die Verabschiedung einer neuen Tierschutz-Verordnung und mehrerer neuer Ausführungsbestimmungen; diese konkretisieren das Gesetzes in vielen praktischen Punkten. Die Tierschutzverordnung Deutschland und die Ausführungsbestimmungen sollten möglichst im Sinne einheitlicher europäischer Standards formuliert werden und – von der Beibehaltung des Tierschutzbeauftragten abgesehen – nicht zu deutschen Sonderwegen führen.

Tierschutzverordnung Deutschland - TierversucheTierschutzverordnung Deutschland-NeuerungenDie Tierschutzverordnung Deutschland und die Ausführungsbestimmungen werden derzeit auf Basis eines Entwurfs des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz vom 01.11.2012 zwischen dem Ministerium und dem Bundesrat diskutiert (die abschließende Beratung im Bundesrat ist für den 22.03. vorgesehen). Der vfa wird sich dafür einsetzen, dass hier in Tierversuchsdingen sachgerechte und handhabbare Lösungen gefunden werden. Von besonderer Relevanz sind für die Pharma-Unternehmen folgende Aspekte:

Tierschutzbeauftragter und Tierschutzbeirat

Das neue Tierschutzgesetz sieht wie die EU-Richtlinie vor, dass in Tierversuchseinrichtungen neue Tierschutzgremien eingerichtet werden müssen, die für die Einhaltung der Schutzbestimmungen verantwortlich sind. In vielen europäischen Nachbarländern werden damit überhaupt erstmalig betriebsinterne Kontrollorgane für Tierschutz geschaffen. In Deutschland hingegen nimmt diese Aufgabe schon seit langem der Tierversuchsbeauftragte wahr, der laut Gesetz unabhängig und weisungsfrei ist.

Tierschutzgesetz und Tierschutzverordnung Deutschland

Das überarbeitete Tierschutzgesetz und der Tierschutzverordnungsentwurf (vom 01.11.2012) sehen vor, den Tierschutzbeauftragten in Deutschland beizubehalten und ihm einen Tierschutzbeirat aus weiteren mit Tierversuchen befassten Personen (z.B. Tierärzten und -pflegern) zur Seite zu stellen. Offen bleibt allerdings weiterhin die Kompetenzverteilung: Darf etwa der Beirat den Tierschutzbeauftragten überstimmen? Auch ist vorgesehen, dass Tierschutzbeauftragte künftig nur noch Tierärzte sein können (nicht z.B. Biologen).

Der vfa tritt dafür ein, keinesfalls die starke Position des Tierschutzbeauftragten zu schwächen; denn diese hat sich im Sinne des Tierschutzes bewährt. Die letzte Verantwortung für die Wahrung der Tierschutzbelange muss weiterhin beim Tierschutzbeauftragen liegen, der Beirat beratend tätig sein!
Die Forderung, dass der vom EU-Recht geforderte „benannte Tierarzt“ immer gleichzeitig auch der Tierschutzbeauftragte sein muss, ist nicht sinnvoll; wieso sollten nicht auch bestimmte andere Professionen bei geeigneten Vorkenntnissen dieses Amt ausüben können? In jedem Fall sollten die jetzigen Tierschutzbeauftragten der Firmen nicht aufgrund neuer Bestimmungen aus ihrem Amt scheiden müssen. Hier sieht der vfa noch Diskussionsbedarf.

Transparenz der Tierschutzverordnung Deutschland

Das neue Tierschutzgesetz sieht vor, dass sogenannte nicht-technische Projektzusammenfassungen über geplante Tierversuche allgemein zugänglich veröffentlicht werden (voraussichtlich online). Damit soll jedermann einen Überblick über das Tierversuchsgeschehen erhalten. Das Gesetz macht aber hierzu keine konkreten Angaben, sondern verweist auf die noch zu erstellende Tierschutz-Versuchstierverordnung und die weiteren Diskussionen dazu auf EU-Ebene.

Aus vfa-Sicht ist dagegen nichts einzuwenden, zumal die Eintragungen ohne Name und Adresse der durchführenden Einrichtung bleiben sollen. Dabei sollten nur die Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse der durchführenden Einrichtung gewahrt bleiben. Wie die Zusammenfassungen abzufassen und zu veröffentlichen sind, muss bundeseinheitlich geregelt werden.

Schweregrade und Statistik

Das Tierschutzgesetz sieht in Übereinstimmung mit der EU-Richtlinie vor, Tierversuche künftig nach Schweregraden zu kategorisieren. Davon wird dann z.B. abhängen, ob Versuchsvorhaben zur Genehmigung eingereicht oder nur angezeigt werden müssen, ob rückblickende Bewertungen (s. u.) erstellt werden müssen oder ob Versuchstiere für weitere Versuche verwendet werden dürfen. Einen einheitlichen Maßstab für den Schweregrad eines Versuchs gibt es jedoch noch nicht.

Das Gesetz bleibt hier sehr allgemein und verweist wiederum auf die nähere Ausgestaltung aus Basis von EU-Vorgaben, wobei die Diskussionen auf EU-Ebene noch immer nicht abgeschlossen sind.

Ein einheitliches Raster für die Schweregrade sollte erarbeitet werden, um Versuche an verschiedenen Standorten innerhalb Deutschlands – möglichst sogar EU-weit – vergleichbar zu machen. Dabei sollten die Erfahrungen der Behörden einiger Bundesländer und der Schweiz berücksichtigt werden, die bereits mit jeweils eigenen Schweregrad-Katalogen arbeiten; ebenso die Erwartungen der mit Tierversuchen Befassten. Eine Bundeseinheitlichkeit bei den Schweregraden ist auch eine notwendige Vorbedingung für ihre sinnvolle Erfassung in der deutschen Tierversuchsstatistik.

Weiterhin kritisch ist, dass durch das neue Tierschutzgesetz die aktuell gültige Tierversuchs-Meldeverordnung außer Kraft gesetzt wird, ohne dass die Meldungen neu geregelt werden. Hier muss schnell nachgearbeitet werden, um weiterhin einheitliche Meldungen in allen Bundesländern sicherzustellen.

Anzeigen und vereinfachtes Verwaltungsverfahren

Bislang besteht für gesetzlich vorgeschriebene Tierversuche in Deutschland Anzeigepflicht, was sich bewährt hat. Die Richtlinie sieht hingegen in diesen Fällen künftig ein Genehmigungsverfahren vor, wenn auch ein vereinfachtes.

Das überarbeitete Tierschutzgesetz und der Tierschutzverordnungsentwurf sehen aber vor, für gesetzlich vorgeschriebene Tierversuche de facto das Anzeigeverfahren (vereinfachtes Genehmigungsverfahren) beizubehalten – es sei denn, sie erfordern Affen oder gehen mit schweren Belastungen für die Tiere einher.

Es ist gut, dass auf diese Weise bei der nationalen Implementierung die Effizienz des bisherigen Verfahrens beibehalten wird! Sonderregelungen für die seltenen Versuche mit Affen oder mit schweren Belastungen einhergehende Versuche sind nachvollziehbar. Wünschenswert ist, dass künftig auch die heute geltenden Bearbeitungsfristen für Anträge beibehalten werden.

Einsatz von nichtmenschlichen Primaten

Unter „nichtmenschlichen Primaten“ (non-human primates, NHPs) werden im Rahmen der Richtlinie Halbaffen und Affen ohne Menschenaffen und den Menschen verstanden. Laut Richtlinie dürfen NHPs nur noch a) zur „Verhütung, Vorbeugung, Diagnose oder Behandlung von klinischen Zuständen (1) beim Menschen, die zur Entkräftung führen (2) oder potentiell lebensbedrohlich sind“, b) zur Grundlagenforschung oder c) zur Forschung im Hinblick auf die Erhaltung der betreffenden Spezies eingesetzt werden.

Das Tierschutzgesetz, das hier grundsätzlich der EU-Richtlinie folgt, verweist auch in diesem Fall auf die nähere Ausgestaltung in der Tierschutz-Versuchstierverordnung.

Hier ist schnellstens eine bundeseinheitliche (besser noch EU-einheitliche) Auslegung erforderlich, welche Krankheiten und anderen „klinischen Zustände“ unter die Definitionen fallen! Nach vfa-Verständnis müssen auch Krankheiten dazu gehören, die nicht unmittelbar lebensbedrohlich sind, aber gefährliche Komplikationen (Diabetes Typ 2 u.a.) oder erhebliche Beeinträchtigungen mit sich bringen (z.B. Multiple Sklerose, Migräne).

Versuche dürfen schon bisher – von wenigen Ausnahmen abgesehen – nur mit Tieren erfolgen, die speziell hierfür gezüchtet wurden. Künftig gilt für NHP in Versuchen zusätzlich, dass schon deren Eltern in Gefangenschaft gezüchtet worden sein müssen – vorausgesetzt, eine Machbarkeitsstudie bestätigt, dass dies zu keinem Engpass bei Tieren für essenzielle Projekte führen wird. Eine solche Machbarkeitsstudie bereitet die EU gerade vor.

Auch bei der Umsetzung in deutsches Recht muss klargestellt werden, dass die Ergebnisse dieser Machbarkeitsstudie letztlich darüber entscheiden, ob die besonderen Zuchtanforderungen für NHP gelten.

Rückblickende Bewertungen

Die Richtlinie sieht eine rückblickende Bewertung von Projekten mit NHP oder als „schwer“ eingestuften Versuchen vor. Sie muss nach Abschluss der Versuche erstellt und der zuständigen nationalen Behörde übermittelt werden. Die Bewertungen sollen in die nationale Tierversuchsstatistik einfließen.

In jeder Bewertung sollte nach vfa-Verständnis unbedingt erfasst werden, ob der erwartete Schweregrad wirklich erreicht oder aber unterschritten wurde.

(1) Gemeint sind Einschränkungen der Gesundheit wie Erkrankungen, Verletzungen oder Schwangerschaftskomplikationen.

(2) So der deutsche Text. Der englische Originaltext spricht von „debilitating diseases“.


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