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Volle Breitseite gegen Influenza-Viren

Jedes Jahr aufs Neue ist der Herbst auch der Start der Grippe-Saison. Besonders ältere Menschen, Schwangere sowie Personen mit einem geschwächten Immunsystem sind gefährdet. Für diese Gruppen empfiehlt die Ständige Impfkommission (STIKO) eine Impfung gegen Influenza-Viren, die die Grippe-Erkrankung auslösen. Mit verschiedenen Ansätzen wollen Forscher künftige Grippe-Impfungen weiter verbessern.

3D-Illustration blau eingefärbter Viren auf schwarzem Hintergund

Dass die Grippe eine ernstzunehmende Infektionskrankheit ist, machen Zahlen des Robert Koch-Instituts (RKI) deutlich. Nach RKI-Angaben sind während der Grippewelle 2017/18 mehr als 25.000 Menschen allein in Deutschland gestorben(1) . Grippe wird durch bestimmte Viren – die Influenza-Viren – ausgelöst. Viren besitzen ein eigenes Genom sowie eine als Kapsid bezeichnete Hülle, sind aber im Gegensatz zu Bakterien nicht allein vermehrungsfähig und benötigen dafür Wirtszellen. In diesen wird ihr Erbgut ausgelesen und die darauf kodierten Proteine hergestellt. Auf diesem Weg können mehrere tausend Viren produziert werden, ehe die Wirtszelle „platzt“, wodurch die neu gebildeten Viren freigesetzt werden.

Zwei Moleküle als viraler Fingerabdruck

Da sich Grippeviren schnell verändern, muss der Grippeimpfstoff jedes Jahr an die jeweils aktuell zirkulierenden Influenza-Stämme angepasst werden(2) . Demzufolge bieten die Impfstoffe auch nur für die jeweils aktuelle Saison Schutz. Zwei Proteinen auf der Oberfläche der Viren kommt dabei eine besondere Rolle zu: Hämagglutinin und Neuramidase (abgekürzt als HA bzw. NA). Die Bezeichnung eines Influenzastammes beinhaltet daher auch immer diese beiden charakteristischen Moleküle. So bedeutet der Stamm H3N2 zum Beispiel die Variante 3 des Hämagglutinins und die Variante 2 der Neuramidase. Beide sind in der Virushülle verankert und daher die Hauptziele für Antikörper gegen Grippeviren(3) .

Antikörper besitzen zwei wichtige Regionen in ihrer 3D-Struktur: Mit der variablen Region können sie hochspezifisch an ein sogenanntes Antigen – etwa Hämagglutinin oder Neuramidase – binden, während die konstante Region von Immunzellen erkannt wird, die so das Antigen neutralisieren können. Bei einer Grippeimpfung werden in der Regel Bestandteile der Grippeviren injiziert, die dann von Antikörpern erkannt werden, was die Bildung von Gedächtniszellen bewirkt. Kommt die geimpfte Person erneut mit dem Virus in Kontakt, reagieren die Gedächtniszellen und aktivieren sofort das Immunsystem. Durch diese schnelle Reaktion verhindert der Körper ein Ausbreiten der Viren.

Ein Viren-Shuttle für Mini-Antikörper

Eine Alternative zu dieser klassischen Immunisierung hat nun ein internationales Forscherteam vorgestellt. Sie setzen dabei auf Nanobodies. Das sind Antikörper aus Lamas, die besonders klein sind: Ihre Masse beträgt nur etwa ein Zehntel derjenigen von menschlichen Antikörpern. Die Wissenschaftler verabreichten Lamas ein Gemisch verschiedener Influenza-Virusstämme, kombiniert mit Hämagglutinin-Molekülen, was zur Bildung verschiedener Nanobodies führte. Deren DNA wurde anschließend isoliert und in das Erbgut eines ungefährlichen Adeno-assoziierten Virus (AAV) eingebaut. Geplant ist, das Virus anschließend mit einem Spray in die Nase zu verabreichen, wo die Antikörper aus der vom Virus transportierten DNA ausgelesen und produziert werden(4) . Diese Methode hätte den Vorteil, dass die Verabreichung der Impfung mit der Spritze entfällt, was die Impfbereitschaft erhöhen könnte.

Breit wirksam und den Viren einen Schritt voraus

In einem Mausversuch konnte gezeigt werden, dass durch die Nanobody-Impfung drei Wochen nach Infektion mit verschiedenen Influenza-Stämmen noch alle Tiere am Leben waren, während das Virus bei Mäusen ohne Nanobody-Impfung in den meisten Fällen nach spätestens einer Woche tödlich war. Zusätzlich hoffen die Entwickler, mit den Nanobodies neben der Verabreichungsmethode die derzeit erforderliche jährliche Anpassung der Grippe-Impfstoffe an aktuelle Stämme umgehen zu können. Grund dafür ist, dass die Nanobodies gegen Bindestellen auf den HA-Molekülen gerichtet sind, die sich als sehr konstant erwiesen haben. Allerdings werden die Nanobodies im Laufe der Zeit abgebaut, sodass man sich dennoch weiterhin jedes Jahr gegen Grippe impfen lassen muss. Untersucht werden muss zudem, ob das menschliche Immunsystem die Nanobodies oder das AAV selbst als fremd erkennen und bekämpfen könnte(5) .

Helferviren als Lockmittel

Neben den Antikörper-produzierenden B-Zellen verfügt das Immunsystem noch über eine weitere wichtige Gruppe von Zellen zur Bekämpfung von Krankheitserregern – die T-Zellen. Wissenschaftler vom Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung wollen nun T-Zellen in den Nasenschleimhäuten aktivieren, wo sie direkt am Einfallsort die Grippeviren bekämpfen sollen(6) . Um die Immunzellen dorthin zu locken, setzen auch sie auf einen viralen Transporter, das Cytomegalievirus (CMV), da dieses eine starke Immunantwort auslöst.

Für ihre T-Zell-basierte Impfung statteten die Forscher das CMV mit Bruchstücken von Hämagglutinin aus. Mit einem Spray wurden die Viren danach in die Nasenschleimhäute von Mäusen eingebracht. Zellen, die dort von dem modifizierten Virus infiziert wurden, präsentierten anschließend die HA-Fragmente zusammen mit CMV-typischen Molekülen auf ihrer Oberfläche, was zu einer Aktivierung der T-Zellen führte. Kamen die T-Zellen in der Nasenschleimhaut nach der Impfung mit echten Influenza-Viren in Kontakt, konnten sie deshalb die Infektion schon am Ort des ersten Eindringens eindämmen(7) .

Auf der Suche nach einem universellen Grippe-Antikörper

Ganz ohne Viren möchte ein anderes Forscherteam zum Ziel kommen. Es hat einen breit-neutralisierenden Antikörper entwickelt, der schon in geringen Konzentrationen gegen sehr viele Influenza-Varianten wirkt. Im Gegensatz zu den Entwicklern des Nanobody-Verfahrens starteten sie mit Gedächtniszellen eines menschlichen Spenders. Aus diesen wurden dann Antikörper gegen Hämagglutinin isoliert und anschließend durch Mutationen weiter optimiert. Damit konnte die Bindungsfähigkeit des Antikörpers um das 5- bis 14-fache gesteigert werden(8) .

Im experimentellen Vergleich mit anderen Antikörpern, die gegen mehrere Influenza-Stämme aktiv sind, zeigte sich dieser neue Antikörper als einziger in der Lage, alle untersuchten Grippeviren zu neutralisieren sowie im Tierversuch Mäuse vor einer andernfalls tödlichen Virusdosis zu schützen. Dieser breit-neutralisierende Antikörper muss allerdings direkt in die Vene gespritzt werden. Und auch mit diesem Ansatz, der jetzt zur Behandlung von Grippe-Infizierten geprüft wird, müsste jedes Jahr aufs Neue geimpft werden, da der Antikörper – wie die Nanobodies – nach und nach abgebaut wird.

Neben diesen drei Ansätzen testen Wissenschaftler weltweit auch eine Vielzahl weiterer Strategien, um Influenza-Viren zu bekämpfen und Impfungen weiter zu verbessern. Bevor die neuen Impfmethoden allerdings ihren Weg in Krankenhäuser und Arztpraxen finden, müssen sie ihre Effektivität und Sicherheit erst noch in mehreren Phasen klinischer Studien unter Beweis stellen. Bis dahin sollten sich insbesondere Menschen mit einem erhöhten Infektionsrisiko impfen lassen! Schon jetzt gibt es dafür zum Beispiel gegen die vier jeweils häufigsten Influenzastämme gerichteten tetravalenten Impfstoffe.

Literaturtipps