Orphan Drugs - Fortschritte für Patienten mit seltenen Krankheiten
Grundlage für einen deutschen nationalen Aktionsplan für seltene Krankheiten
Der Europäische Ministerrat hat im November 2008 den Entwurf einer Empfehlung über eine Maßnahme im Bereich seltener Krankheiten veröffentlicht.
Hierin empfiehlt er den Mitgliedstaaten unter anderem die Erstellung nationaler Pläne „zur Bekämpfung seltener Krankheiten, um auf der Grundlage von Gleichbehandlung und Solidarität für Patienten mit seltenen Krankheiten eine flächendeckende, qualitativ hochwertige Versorgung, einschließlich Diagnostik, Behandlung und Arzneimittel für seltene Leiden auf ihrem gesamten Staatsgebiet sicherzustellen“.
Dies steht im Einklang mit dem Subsidiaritätsprinzip, wonach die EU zwar eine koordinierende Funktion im Bereich Gesundheit ausüben kann, die effiziente Diagnose, Behandlung und Versorgung von Patienten – auch solchen mit seltenen Krankheiten – jedoch Sache der einzelnen EU-Mitgliedstaaten ist. Nationale Pläne mit ähnlichen Schwerpunkten können jedoch dazu führen, dass die Kooperation zwischen den Mitgliedstaaten auf dem Gebiet der seltenen Krankheiten verbessert wird und sich ein gemeinsamer europäischer Ansatz herausbildet, der ebenfalls auf der Grundlage von Gleichberechtigung und Solidarität in der EU eine flächendeckende und qualitativ hochwertige Versorgung gewährleisten würde.
vfa und vfa bio setzen sich für einen deutschen nationalen Aktionsplan für seltene Krankheiten ein. Dieser nationale Plan sollte sich auf die wichtigsten Punkte fokussieren, um durch die Bündelung von Aufmerksamkeit und Ressourcen eine schnelle und effektive Umsetzung zu gewährleisten.
- Etablierung eines deutschen Expertenkomitees für seltene Krankheiten
Es sollte ein Komitee eingerichtet werden, in dem Experten aus allen Bereichen (insbesondere Patienten, Ärzte, Krankenkassen, Wissenschaftler, Industrievertreter, Politiker) mitwirken. Dieses Komitee soll Regierung und Verwaltungen beraten und sicherstellen, dass alle wesentlichen Aspekte und Blickwinkel bei relevanten Gesetzesänderungen und Entscheidungen hinsichtlich seltener Krankheiten berücksichtigt werden. Dies ist umso wichtiger, da Regierungsparteien wechseln können und ein festes, die Legislaturperioden überdauerndes Gremium eine kontinuierliche und nachhaltige Politik im Bereich seltene Krankheiten ermöglichen würde. Als Beispiel für ein erfolgreiches Expertenkomitee sei an dieser Stelle auf die „Steering Group on Orphan Drugs“ in den Niederlanden verwiesen. - Deutsche Exzellenzzentren für seltene Krankheiten als Bestandteil europäischer Netzwerke
Über die bereits existierenden Zentren hinaus sollten weitere deutsche Exzellenzzentren für seltene Krankheiten etabliert und gefördert und in das nationale sowie europäische Netzwerk integriert werden mit dem Ziel, die Forschung im Bereich seltene Krankheiten voranzutreiben und die Diagnose, Therapie und Versorgung von Patienten mit solchen Krankheiten zu verbessern und zu standardisieren. Darüber hinaus sollten Maßnahmen ergriffen werden, um das Fachwissen über seltene Krankheiten auf nationaler und europäischer Ebene zusammenzuführen. Europäische Netzwerke sollten auch dazu führen, dass eine grenzüberschreitende Therapie von Patienten mit seltenen Krankheiten unbürokratisch möglich wird.
Im Rahmen von Public-Private-Partnerships sollten Register als „virtuelle Exzellenzzentren“ etabliert werden, um Langzeitdaten über den klinischen Nutzen vor allem bei chronischen seltenen Krankheiten und vergleichende Beschreibungen aus dem epidemiologischen und medizinischen Alltag zu generieren. Für einige der bereits auf dem Markt befindlichen Orphan Drugs gibt es bereits solche Register, die wertvolle Daten beinhalten und mit denen das Networking von Ärzten auf breiter Ebene unterstützt werden kann. - Verbesserung von Diagnoseprogrammen und Erhöhung des Bewusstseins für seltene Krankheiten
Ein großes Problem für viele Patienten mit seltenen Krankheiten ist die Odyssee, die diese bis zur Diagnose ihrer Krankheit durchlaufen müssen. Effektive Diagnoseprogramme könnten helfen, wesentlich rascher zu einer Diagnose zu kommen. Die entsprechenden Protokolle sollten möglichst europaweit abgestimmt werden und Gültigkeit haben. In diesem Kontext sollte auch das Bewusstsein („awareness“) in der Öffentlichkeit – insbesondere bei der Ärzteschaft z.B. durch spezielle Facharztausbildungen – für seltene Krankheiten erhöht werden. Die Entscheidung über den Zeitpunkt und die Art der Therapie sollte weiterhin in der Verantwortung des behandelnden Arztes liegen. Die Exzellenzzentren sollten hierbei eine maßgebliche Rolle spielen. - Adäquate Codierung und Registrierung seltener Krankheiten
Seltene Krankheiten sollten adäquat codiert werden und im deutschen Gesundheitsinformationssystem auffindbar sein. Nach der Datenbank Orphanet haben von den dort eingetragenen rund 6.000 seltenen Krankheiten, die klinisch identifiziert werden können, nur 250 einen Code in der bestehenden Klassifikation der Krankheiten (ICD-10). Eine geeignete Klassifizierung und Codierung aller seltenen Krankheiten hätte zur Folge, dass diese in den einzelstaatlichen Gesundheitssystemen ins Bewusstsein gerückt und beispielsweise bei Erstattungsregelungen besser berücksichtigt werden. - Schneller und unbürokratischer Zugang zu Orphan Drugs
Patienten mit seltenen Krankheiten müssen die bereits zugelassenen Orphan Drugs schnell und unbürokratisch erhalten. Hier gilt vor allem: Die wohnortnahe Versorgung von Patienten mit Orphan Drugs, die auf der Website der Europäischen Kommission veröffentlicht sind, sollte Grundlage für die automatische Anerkennung als Praxisbesonderheit sein.
Zur sektorübergreifenden Versorgung sollte die unbürokratische Überwindung von Schnittstellen (stationär, ambulant, Reha) angegangen werden, da diese Schnittstellen derzeit für die Patienten häufig Therapieunterbrechungen mit all ihren negativen Konsequenzen zur Folge haben. Daher sollte die kontinuierliche Therapie von Patienten mit seltenen Krankheiten sichergestellt sein.
Weiterhin sollten Patienten mit seltenen Krankheiten bei entsprechendem medizinischen Bedarf auch dann schnellen und unbürokratischen Zugang zu einem Orphan Drug haben, wenn dieses noch nicht zugelassen ist, aber gute Heilungschancen verspricht.
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