Investitionsprogramm der Pharmaindustrie bringt neue Hoffnung für die Antibiotikaforschung
Am 09. Juli 2020 gab der Internationale Pharmaverband IFPMA die Gründung des AMR Action Fund bekannt. Dieser Fonds hat das Ziel, bis zum Jahr 2030 zwei bis vier zusätzliche Antibiotika gegen multiresistente Problemkeime zur Marktreife zu bringen, deren Entwicklung sonst durch Finanzierungsprobleme gefährdet wäre.
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Die Gründer, zu denen mehr als 20 Pharma-Unternehmen zählen, bringen fast 1 Milliarde US-Dollar an neuen Finanzmitteln auf, die in kleinere, Antibiotika-entwickelnde Unternehmen investiert werden sollen. Die so unterstützten Firmen können auch Know-how und technische Unterstützung von den investierenden Unternehmen erhalten. Der Fonds wird voraussichtlich im vierten Quartal 2020 seine Arbeit aufnehmen.
Der AMR Action Funds ist gedacht als Überbrückung, bis die Antibiotika-Entwicklung durch veränderte Marktgegebenheiten oder Forschungsförderung wieder von allein die Entwicklungstätigkeit zahlreicher Unternehmen auf sich ziehen kann. Er wird sich deshalb parallel zu seinem Investment bei Regierungen für geeignete Marktreformen einsetzen.
AMR steht dabei für "antimicrobial resistance", die englische Bezeichnung für das Problem zunehmender multiresistenter Keime.
Das Investment des Fonds setzt an einer entscheidenden Stelle an: bei kleineren Unternehmen, die schon neuartige Antibiotika im Labor erfunden haben, aber nicht über die Finanzmittel verfügen, sie nun mit klinischen Studien bis zur Zulassungsreife zu entwickeln.»
Der Hintergrund der bestehenden Antibiotika-Krise ist das Paradox, dass Antibiotika gegen Problemkeime zwar dringend gebraucht werden – aber nur, damit sie dann so selten wir irgend möglich eingesetzt werden; eben nur als Reserve für den Notfall. Das ist medizinisch sinnvoll, aber ökonomisch verheerend, weil es bedeutet, dass diese Antibiotika auf herkömmlichem Wege allein – über den Umsatz aufgrund des Verbrauchs – meist nicht rentabel sind. Mehrere Biotech-Unternehmen, die sich auf Antibiotikaentwicklung fokussiert hatten, mussten deshalb schon Konkurs anmelden.
Aus diesem Grund werden andere Marktinstrumente gebraucht, um den Nachschub zu stimulieren, auf internationaler wie auf nationaler Ebene.
Wer am Fonds beteiligt ist
24 Pharma-Unternehmen und assoziierte Stiftungen unterstützen bereits den Fonds:
Almirall, Amgen, Bayer, Boehringer Ingelheim, Chugai, Daiichi Sankyo, Eisai, Eli Lilly and Company, GlaxoSmithKline, Johnson & Johnson, LEO Pharma, Lundbeck, Menarini, Merck, MSD, Novartis, Novo Nordisk, Novo Nordisk Foundation, Pfizer, Roche, Shionogi, Takeda, Teva und UCB.
Beteiligt ist auch die Europäischen Investitionsbank (EIB). Diese hat sich darauf spezialisiert, mit innovativen Finanzierungsinstrumenten da einzuspringen, wo der Markt erkennbar versagt.
Zusammenarbeit mit anderen Organisationen und Initiativen
Der AMR Action Fund ist die bislang größte Gemeinschafts-Initiative zur Bekämpfung des Resistenz-Problems, aber nicht die einzige. Mit anderen wie etwa der Product Development Partnership CARB-X strebt er eine gute Zusammenarbeit an. So können sich ihre Aktivitäten verzahnen und die Antibiotika-Pipeline nachhaltig gestärkt werden.
Auch die WHO hat angekündigt, mit dem AMR Action Fund zusammenarbeiten zu wollen. Am Konzept für den Fund hat sie bereits mitgewirkt, wie die EIB und beispielsweise auch der Wellcome Trust.
Kriterien für das Investiment
Die Unternehmen, in die der AMR Action Fund investieren wird, werden nicht nach den Wünschen einzelner am Fonds beteiligter Unternehmen ausgesucht. Vielmehr gelten drei Prinzipien:
- Basis für das Investment ist die Liste priorisierter bakterieller Erreger der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und des Center for Disease Control (CDC).
- Priorität haben Projekte für neuartige antibakterielle Medikamente, die (nach Einschätzung führender Einrichtungen für Public Health) absehbar die Mortalität von Patienten senken und sich für den klinischen Einsatz eignen.
- Dabei sollen die Investitionen auf Projekte in allen Phasen der klinischen Erprobung verteilt werden.