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Gemeinsam für Gesundheit und Entwicklung

Neue Arzneimittel gegen Krankheiten der Entwicklungsländer

Labor für Tuberkulosemedikamente eines forschenden Pharmaunternehmens


Ein weiterer wichtiger Beitrag, den spezifisch forschende Pharmaunternehmen leisten können, ist die Entwicklung neuer Arzneimittel gegen Krankhelten, die besonders die Entwicklungsländer betreffen, und natürlich auch gegen AIDS. HIV/AIDS hat dabei seit jeher hohe Priorität. Gegen keine andere Krankheit außer bakteriellen Infektionen wurden in den letzten 20 Jahren mehr Arzneimittel entwickelt, und an neuen Präparaten und an Impfstoffen wird weiterhin mit Hochdruck geforscht.

Anders sah es jedoch Ende des 20. Jahrhunderts bei Medikamenten gegen Malaria, Tuberkulose und tropischen Armutskrankhelten aus. Weil die Entwicklung solcher Präparate für Unternehmen ein sicheres Defizit bedeutete, wurden nur wenige zur Zulassung gebracht.

Seit Anfang der 2000er Jahre kümmern sich forschende Pharmaunternehmen aber verstärkt auch um die Neuentwicklung solcher Medikamente. Einige Produkte sind aus dieser Tätigkeit schon hervorgegangen - etwa neue Kombinationsmedikamente gegen Malaria für Erwachsene und Kinder - die meisten neuen Mittel sind aber noch in Entwicklung, denn im Schnitt muss man bei Medikamenten von der Idee bis zu Zulassung mehr als 13 Jahre Zeit veranschlagen.

Derzeit (Stand Oktober 2011) führen Pharma-Unternehmen schon mehr als 150 Projekte durch: 130 für therapeutische Medikamente und 27 für Impfstoffe (Medikamente gegen HIV-Infektionen, die ja ebenfalls vor allem in ärmeren Ländern grassieren, nicht mitgerechnet). Zu den fortgeschrittensten Präparaten in Entwicklung gehört der erste Impfstoff gegen Malaria, für den kürzlich Ergebnisse einer Studie mit Kindern in Malariagebieten veröffentlicht wurden. In dieser Studie der letzten Erprobungsphase vor der Zulassungseinreichung (Phase III) konnte der Impfstoff das Erkrankungsrisiko in etwa halbieren - ein wesentlicher Fortschritt gemessen daran, dass sämtliche älteren Impfstoffkandidaten überhaupt keine Schutzwirkung erzielen konnten!

Rund die Hälfte dieser Projekte realisieren die Unternehmen im Alleingang, die andere Hälfte im Rahmen sogenannter Public-Private Partnerships.

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Projekte forschender Pharmafirmen für neue Arzneimittel gegen Krankheiten der Entwicklungsländer, meist in Public-Private Partnerships durchgeführt»

(Stand Oktober 2011)

KrankheitProjekte für Medikamente zur Behandlung (davon in klinischer Erprobung oder Zulassung)Projekte für Impfstoffe (davon in klinischer Erprobung oder Zulassung)
Malaria45(12)9(6)
Tuberkulose45(9)7(6)
Dengue-Fieber14(0)10(2)
Schlafkrankheit210(1)nicht möglich
Chagas-Krankheit314(1)0(0)
Bilharziose41(0)0(0)
Leishmaniasen510(1)1(0)
Flussblindheit61(0)0(0)
Lymphat. Filariose1(0)0(0)

Quelle: Recherchen von IFPMA und vfa
1 Grippeähnliche Virusinfektion in den Tropen und Subtropen, z.T. mit gefährlichen Blutungskomplikationen.
2 Infektionskrankheit in Zentralafrika, die unbehandelt zu Gehirnstörungen, Koma und Tod führt.
3 Von Wanzen übertragene Infektionskrankheit in Mittel- und Südamerika, die zu Schäden an inneren Organen und oft zum Herztod führt.
4 Wurmerkrankung in Afrika und Asien; befallen werden Blutgefäße in Blase oder Darm.
5 Gruppe lebensbedrohlicher Infektionskrankheiten in den Tropen und Subtropen, die die Haut oder die Eingeweide befallen.
6 Wurmerkrankung in Afrika und Südamerika, die zur Erblindung führt.



Public-Private Partnerships für neue Medikamente
Abgesehen von einigen Kooperationen zwischen Industrie und WHO früherer Jahrzehnte stellen Public-Private Partnerships (PPP) für Medikamentenentwicklung eine noch recht neue Organisationsform dar. Kernidee dieser Kooperationen ist, dass die Entwicklungskosten, die ökonomischen Risiken und die Nutzungsrechte für neue Medikamente auf mehrere Partner verteilt werden, zu denen nicht-staatliche Organisationen, staatliche und private Geldgeber (z.B. Stiftungen), akademische Forschungseinrichtungen und Pharmaunternehmen zählen.
Eine PPP arbeitet typischerweise so: Eine koordinierende Organisation, in der Arzneimittelexperten arbeiten, bringt alle Interessierten an einen Tisch. Sie übernimmt die Zuweisung der von den Geldgebern zur Verfügung gestellten Mittel an konkrete Projekte. Dabei sorgt sie dafür, dass die Mittel mit Bedacht auf kurz-, mittel- und langfristig angelegte Projekte verteilt werden und ein umfassender Informationsfluss zwischen den Projektpartnern gewährleistet ist. Forschende Unternehmen bringen insbesondere Personal, Labors, Know-how und Produktionsanlagen ein (siehe Schaubild). Im Rahmen der PPP wird vereinbart, dass die beteiligten Unternehmen alle aus der Zusammenarbeit hervorgehenden Medikamente zum Selbstkostenpreis an Hilfsorganisationen liefern müssen, sie aber zusätzlich zu normalen Preisen vermarkten können. Oder es wird vereinbart, dass eine Hilfsorganisation alle Rechte am Vertrieb des Medikaments für eine Tropenkrankheit erhält, das entwickelnde Unternehmen jedoch die Rechte an der kommerziellen Nutzung für andere Krankheiten - falls sich zeigt, dass das Präparat auch dafür geeignet ist. Grundlage der Rechte-Aufteilung sind Patente, die die Unternehmen oder akademische Forschungsgruppen in die PPP einbringen.
Zu den bedeutendsten Public-Private Partnerships für Arzneimittelentwicklung gehören u.a. das Medicines for Malaria Venture(MMV), die Malaria Vaccine Initiative(MVI), die TB Alliance, die Drugs for Neglected Diseases Initiative (DNDi) und die International AIDS Vaccine Initiative(IAVI).