Was ist die Bildung von Patientengruppen? Hier ist ein Beispiel!

Stellen Sie sich ein neues Arzneimittel zur Behandlung von HIV vor. Dieses Arzneimittel ist zur Behandlung erwachsener Patienten zugelassen. Kann dieses Anwendungsgebiet im Rahmen der Bewertung des neuen Arzneimittels in verschiedene Patientengruppen aufgeteilt werden?
Schauen Sie, inwiefern zuständige Institutionen wie die europäische Zulassungsbehörde, das IQWiG oder der G-BA zu unterschiedlichen Einschätzungen kommen. Welchen Einfluss hat das auf das Bewertungsergebnis? Und zu welcher Einschätzung kommen unsere Nachbarn aus Frankreich?



Im Rahmen der Zulassung wurde durch die Zulassungsbehörde EMA (European Medicine Agency) keine Aufteilung in Patientengruppen vorgenommen.



Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) bildete fünf Patientengruppen. Aufgrund einer fehlenden Schätzung der Patientenzahlen werden diese paritätisch dargestellt.



Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) bildete fünf Patientengruppen. Aufgrund einer fehlenden Schätzung der Patientenzahlen werden diese paritätisch dargestellt.


Welche Rolle spielen Patientengruppen in der frühen Nutzenbewertung?

Seit 2011 werden die Preise für neue, patentgeschützte Arzneimittel auf Basis einer Zusatznutzenbewertung bestimmt: Es wird geprüft, ob sich eine Krankheit mit dem neuen Arzneimittel besser behandeln lässt als mit einem bestimmten Vergleichsmedikament. Dabei werden Patienten, für die ein Arzneimittel zugelassen ist, in Gruppen aufgeteilt. Für diese Patientengruppen wird der Zusatznutzen jeweils getrennt nachgewiesen. So wird z.B. bei einigen Verfahren der Zusatznutzen für Männer anders bewertet als für Frauen oder bei Patienten mit einer bestimmten Vorbehandlung anders gesehen als bei Patienten ohne eine solche Vortherapie. Diese Unterteilung soll ein möglichst genaues Bild vom Mehrwert des Medikaments in der Patientenversorgung liefern. Allerdings kommt es nicht selten vor, dass der G-BA und das IQWiG zu unterschiedlichen Einschätzungen darüber kommen, ob bzw. in welchem Detailgrad Patientengruppen in der Bewertung eines neuen Arzneimittels unterschieden werden können.

Wie häufig werden Patientengruppen bei der Bewertung neuer Arzneimittel gebildet?
Vergleichen Sie!

Vergleichen Sie, wie häufig im Rahmen der Nutzenbewertung bislang Patientengruppen gebildet wurden. Es gibt bedeutende Unterschiede zwischen verschiedenen Bewertungsinstitutionen in der Frage, ob überhaupt Patientengruppen gebildet werden sollen, und wenn dies der Fall ist, in wie viele Patientengruppen das Anwendungsgebiet unterteilt wird. Diese Unterschiede sind in einzelnen Therapiegebieten stärker ausgeprägt als in anderen.

Wieviele Patientengruppen neuer Arzneimittel bekommen einen Zusatznutzen zugesprochen?

Der G-BA bewertet den Zusatznutzen eines neuen Arzneimittels innerhalb des zugelassenen Anwendungsgebietes. Wurde das Anwendungsgebiet vom G-BA in Patientengruppen unterteilt, wird der Zusatznutzen in jeder Patientengruppe einzeln bewertet.
Es gibt bedeutende Unterschiede zwischen verschiedenen Bewertungsinstitutionen in der Frage, ob ein Zusatznutzen in einer Patientengruppe belegt wurde. Diese Unterschiede sind in einzelnen Therapiegebieten stärker ausgeprägt als in anderen.

Hat die Bildung von Patientengruppen Auswirkungen auf die Preise von Arzneimitteln?

Pharmazeutische Unternehmer und der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenkassen verhandeln auf Basis der Ergebnisse der Nutzenbewertung die Preise neuer Arzneimittel. Ein entscheidendes Kriterium ist dabei der zugesprochene Zusatznutzen. Bei einem belegten Zusatznutzen ist ein Preisaufschlag auf die Vergleichstherapien möglich. Wurde kein Zusatznutzen zugesprochen, gilt das Preisniveau der Vergleichstherapie als Referenz.
Wurde für ein neues Arzneimittel mehrere Anwendungsgebiete zugelassen oder ist ein zugelassenes Anwendungsgebiet durch den G-BA in Patientengruppen unterteilt worden, ist es möglich, dass verschiedene Zusatznutzenergebnisse in einem Preis berücksichtigt werden müssen. In einem solchen Fall spricht man von einem „Mischpreis“. Wie häufig musste bislang tatsächlich ein Mischpreis gebildet werden? Und kommt dies in verschiedenen Anwendungsgebieten unterschiedlich häufig vor?

Alle hier gezeigten Analysen und Daten stammen aus frei verfügbaren Quellen. Sie umfassen einen Zeitraum von 2011 bis 2018 (Stichtag: 30.06.2018) und berücksichtigen alle seit Einführung des AMNOGs neu in den Markt eingeführten Arzneimittel, für die in diesem Zeitraum ein Nutzenbewertungsverfahren durch den G-BA abgeschlossenen wurde. Die Daten sind in folgenden Quellen verfügbar:


  • Anzahl der bislang nutzenbewerteten Arzneimittel (Arzneimittel ohne vom Hersteller eingereichtes Nutzendossier werden nicht berücksichtigt).
  • Anteil der Arzneimittel, für die der G-BA im Rahmen der Beschlussfassung über das Ausmaß des Zusatznutzens eine Unterteilung des Anwendungsgebietes in mindestens zwei Patientengruppen vorgenommen hat.
  • Anteil der der bewerteten Anwendungsgebiete bzw. der innheralb der Anwendungsgebiete gebildeten Patientengruppen, in denen der G-BA einen Zusatznutzen festgestellt hat. Aus der Anzahl bewerteter Anwendungsgebiete bzw. Patientengruppe je neuem Arzneimittel ergibt sich das Mischpreis-Potential. Aus der Ergebnis der Nutzenbewertung lässt sich wiederum die Notwendigkeit zur Bildung eines Mischpreises ableiten.

  • Anzahl der bislang nutzenbewerteten Arzneimittel (die im Vergleich zum G-BA geringere Anzahl bewerteter Arzneimittel erklärt sich durch die fehlende Bewertung von Orphan Drugs).
  • Anteil der Arzneimittel, für die das IQWiG im Rahmen der Nutzenbewertung eine Unterteilung des Anwendungsgebietes in mindestens zwei Patientengruppen vorgenommen hat.
  • Anteil der der bewerteten Anwendungsgebiete bzw. der innheralb der Anwendungsgebiete gebildeten Patientengruppen, in denen das IQWiG einen Zusatznutzen festgestellt hat. Dabei kann es vorkommen, dass das IQWiG durch den G-BA mit der Bewertung weiterer Daten beauftragt wird. Die Ergebnisse dieser weiteren Bewertung veröffentlicht das IQWiG in einem sog. Addendum. Darin kann es auch zu einer Änderung hinsichtlich der Einschätzung über das Ausmaß des Zusatznutzens kommen. Entsprechende Änderungen sind hier berücksichtigt.

  • Anzahl der bislang nutzenbewerteten Arzneimittel.
  • Anteil der Arzneimittel, für die das HAS im Rahmen der Beschlussfassung über das Ausmaß des Zusatznutzens eine Unterteilung des Anwendungsgebietes in mindestens zwei Patientengruppen vorgenommen hat.
  • Anteil der der bewerteten Anwendungsgebiete bzw. der innheralb der Anwendungsgebiete gebildeten Patientengruppen, in denen das HAS einen Zusatznutzen (ASMR - Amélioration du service médical rendu) festgestellt hat.

  • Anzahl der bislang nutzenbewerteten Arzneimittel (Arzneimittel ohne vom Hersteller eingereichtes Nutzendossier werden nicht berücksichtigt).
  • Im Rahmen der Zulassung veröffentlicht die europäische Zulassungsbehörde EMA eine Zusammenfassung der zulassungsrelevanten Merkmale des Arzneimittels (EPAR -European Public Assessment Report). Unter den darin enthaltenen klinischen Angaben finden sich Informationen zum zugelassenen Anwendungsgebiet (Abschnitt 4).
  • Eine etwaige Aufteilung des zugelassenen Anwendungsgebietes in Patientengruppen kann dem Abschnitt 4 in der Form entnommen werden, dass Patientengruppen als SPiegelstriche genannt werden. Ggf. wird dabei auf zu berücksichtigende pharmakologische Eingenschaften des Arzneimittel verwisen (Abschnitt 5 des EPAR). Die Ableitung einer sich daraus ergebenden weiteren Bildung von Patientengruppen durch die EMA ist aufgrund fehlender standardisierter Angaben mit Unsicherheit verbunden.