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Stellungnahme des Verbandes Forschender Arzneimittelhersteller e.V. (VFA) zum Entwurf eines Gesetzes über die Verordnungsfähigkeit von Arzneimitteln in der vertragsärztlichen Versorgung (Arzneimittel-Positivlisten-Gesetz - AMPoLG / BT-Drs.: 15/800 vom 08.04.2003)

Vorbemerkung

Der Verband Forschender Arzneimittelhersteller (VFA) sowie seine Mitgliedsunternehmen setzen sich nachdrücklich für eine qualitativ hochwertige Versorgung der Patienten und Versicherten mit modernen Arzneimitteln ein. Daher lehnt der VFA den vorliegenden Gesetzentwurf, der eine neue Innovationshürde gegen moderne und hoch wirksame Arzneimittel aufbauen will, ab. Mit dem in Deutschland bereits bestehenden Instrumentarium, der aufwendigen Zulassung einerseits und einer Negativliste, die kontinuierlich auszubauen und zu aktualisieren ist, andererseits, kann eine rationale Arzneimitteltherapie, die sich an Qualität und Wirtschaftlichkeit orientiert, ohne weiteres erzielt werden. Eine zusätzliche Positivliste, die auch die Erstattungsfähigkeit von neu zugelassenen Arzneimitteln systematisch reglementiert, ist vor diesem Hintergrund überflüssig.

Der VFA stellt hierzu fest:

  • Die Positivliste behindert Innovationen.
    • Die Positivliste diskreditiert die bestehenden aufwändigen nationalen und europäischen Zulassungsverfahren.
      • Die Positivliste verstößt in ihren Anhängen gegen eine rationale Arzneimitteltherapie.
        • Das Arzneimittel-Positivlistengesetz ist in verfassungsrechtlicher Hinsicht äußerst bedenklich.
        Positivliste als Instrument zur Behinderung von Innovationen zu vermeiden

        Innovative Wirkstoffe müssen ungehindert mit ihrer Zulassung und ohne zeitliche Begrenzung den Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung in den von den Zulassungsbehörden genehmigten Indikationen zur Verfügung stehen, um sie am wissenschaftlichen Fortschritt teilhaben zu lassen. Daher dürfen mit der Positivliste keine Einschnitte bei der Verordnungsfähigkeit von innovativen Arzneimitteln vorgenommen werden. Der Gesetzentwurf zur Positivliste macht jedoch deutlich, dass die Positivliste ein neues Instrument zur Behinderung von Innovationen geworden ist, in dem moderne Arzneimittel kritischer als ältere Produkte bewertet werden. Im Laufe des Verfahrens ist zwischen dem Referentenentwurf und dem Gesetzentwurf zur Positivliste die Verordnungsfähigkeit von neu zugelassenen Wirkstoffen weiter eingeschränkt worden. Dafür spricht die zeitliche Begrenzung der vorläufigen Verordnungsfähigkeit neu zugelassener Arzneimittel auf neun Monate und die nachträgliche verdeckte Einbeziehung eines weiteren Aufnahmekriteriums - nämlich das Vorliegen klinischer Endpunktstudien zum Beleg der Wirksamkeit.

        Es ist für den VFA sowie die betroffenen forschenden Arzneimittelhersteller nicht nachzuvollziehen, warum erst kürzlich zugelassene Arzneimittel, die ein anspruchsvolles und langwieriges Zulassungsverfahren erfolgreich durchlaufen haben, nicht im Entwurf der Positivliste stehen. Diesen Arzneimitteln wird im Übrigen eine innovative Struktur bzw. ein neuartiges Wirkprinzip mit therapeutischer Relevanz - etwa im jährlich erscheinenden Arzneiverordnungs-Report - bescheinigt. Sie haben daher auch die höchsten Bewertungsstufen A bzw. B (Klassifikation nach Fricke/Klaus) erhalten.

        Dies betrifft im Einzelnen folgende Wirkstoffe bzw. Wirkstoffgruppen:

        Antivirale Grippemittel (Neuraminidasehemmer, Klassifizierung A für Zanamivir und B für Oseltamivir)

        Neue Antiadiposita gegen Fettleibigkeit (z. B. Orlistat, Klassifizierung: A/D)

        In der Wirkstoffgruppe der Alpha-Glukosidasehemmer mit den Wirkstoffen Miglitol und Acarbose, die zur Diabetesbehandlung zugelassen sind, hat für den Wirkstoff Acarbose erst im Oktober 2002 die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft Aussagen zu den wichtigsten Wirksamkeitsparametern mit der höchsten Evidenz-Kategorie versehen. Dennoch soll diese Wirkstoffgruppe nicht in die Positivliste aufgenommen werden. Auch die unter Patentschutz stehende Kombination von Dipyridamol und Acetylsalizylsäure zur Prävention des Schlaganfalls, die von der Deutschen Gesellschaft für Neurologie in ihren Leitlinien 2002 die höchste Evidenzeinstufung bekommen hat, wurde nicht gelistet.

        Daneben gibt es Wirkstoffklassen, die nur noch eingeschränkt verordnungsfähig sein sollen:

        Dies gilt beispielsweise für selektive Östrogenrezeptor-Modulatoren zur Behandlung der Osteoporose (Klassifizierung B für Raloxifen). Das entspricht nicht der europäischen Zulassung und nicht dem European Public Assessment Report (EPAR). Auch die patentgeschützten Bisphosphonate in der gleichen Indikation, deren erster Wirkstoff ebenfalls mit B klassifiziert wurde, sind nur als eingeschränkt verordnungsfähig ausgewiesen. Lediglich bei "manifester Osteoporose", die mindestens eine Fraktur voraussetzt - soll die Verordnungsfähigkeit gegeben sein. Diese Einschränkung widerspricht ebenfalls den Zulassungen für diese Arzneimittel und ist aus medizinisch-therapeutischen, vor allem auch aus präventiven Gesichtspunkten heraus, nicht nachvollziehbar.

        Darüber hinaus soll der in Deutschland erst kürzlich zugelassene neue Cholesterinsenker Ezetimib (Innovationsgrad A nach Fricke/Klaus und erster Wirkstoff einer neuen ATC-Klassifizierung der Weltgesundheitsorganisation) - entgegen dem Zulassungsbescheid - nur noch in einer Minimalindikation verordnungsfähig sein. Dieser Wirkstoff hat erst im Oktober 2002 seine deutsche und im März 2003 seine europäische Zulassung erhalten und ist somit erstmalig in die jetzige Positivliste, die Anhang zum Gesetzentwurf ist, aufgenommen worden. Im Gegensatz zu bereits gelisteten Substanzen hat dazu kein Anhörungsverfahren stattgefunden. Da für erstmalig aufgenommene Wirkstoffe in die Positivliste keine Vorschlagsliste mehr erstellt wurde, wird dem betroffenen Hersteller durch das Gesetz keine Begründung für diese gravierende Verordnungseinschränkung gegeben. Dies widerspricht der europäischen Transparenz-Richtlinie und stellt eine Ungleichbehandlung gegenüber bereits gelisteten Wirkstoffen dar. Im Übrigen trifft dies für alle die Wirkstoffe, die erst kurz vor dem Stichtag (10.12.2002), der für die Erstellung der ersten Positivliste vom Ministerium festgesetzt wurde, ihre Zulassung erhalten haben, zu.

        Insgesamt gesehen setzen diese Ausschlüsse und Einschränkungen falsche Signale für die Erforschung und Entwicklung neuer Arzneistoffe sowie für den Einsatz innovativer Arzneimittel in Deutschland. Für die forschenden Arzneimittelhersteller stellt der Gesetzentwurf damit eine klare Diskriminierung moderner Arzneimittel dar, und die Positivliste erweist sich nun faktisch als ein neues Instrument zur Behinderung von Innovationen.

        Imbalance in den Urteilsstandards zwischen Hauptteil und Anhängen abzustellen

        Im Gesetzentwurf wird als ein Grund für die Erstellung einer Positivliste "die Versorgungssituation, die durch die unübersichtliche Arzneimittelvielfalt gekennzeichnet ist und in der wichtige Voraussetzungen für eine an Qualität und Wirtschaftlichkeit orientierte rationale Arzneimitteltherapie fehlen", genannt. Diese unzulängliche Versorgungssituation wird nun durch den Gesetzentwurf dadurch weiter gefördert, dass viele Wirkstoffe aus den drei Anhängen zur Positivliste diesem Ziel absolut widersprechen. Es kann rational nicht nachvollzogen werden, dass zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung diese äußerst fragwürdigen Substanzen erstattet werden sollen. Diese völlig inakzeptable Imbalance in den Urteilsstandards von Hauptteil und den drei Anhängen kann auch nicht mit Hinweis auf die ärztliche Therapiefreiheit gerechtfertigt werden. Viele ärztliche Verbände und Fachgesellschaften haben immer wieder sehr nachdrücklich auf diese Inkonsistenz hingewiesen und daher die Positivliste in der jetzigen Form abgelehnt.

        Systematische Zweitzulassung abzulehnen

        Eine erneute Beurteilung des therapeutischen Nutzens hinsichtlich des Ausmaßes des erzielbaren therapeutischen Effektes gemäß § 2 Abs. 6 des Gesetzentwurfes kommt bei zugelassenen Arzneimitteln einer zweiten wirksamkeitsorientierten Zulassungsprüfung gleich. Dies bedeutet für alle Arzneimittel - auch für erst kürzlich zugelassene Wirkstoffe - eine systematische Zweitprüfung auf Wirksamkeit und Nutzen. Dies diskreditiert ohne Frage die bestehenden aufwendigen Zulassungsverfahren. Das gilt auch für die offensichtliche Nicht-Berücksichtigung von aktuellen Gutachten des Ausschusses für Arzneispezialitäten der europäischen Zulassungsbehörde beispielsweise bei der Osteoporosetherapie, die die Zulassungsentscheidungen in den 15 EU-Mitgliedsstaaten harmonisieren sollen und denen umfangreiche Expertenanhörungen auf europäischer Ebene vorangehen. Inzwischen setzt eine Zulassung zudem voraus, dass klinische Prüfungen grundsätzlich im Vergleich zum bestehenden therapeutischen Standard vorgelegt werden.

        Der VFA lehnt die mit der Positivliste verbundene Doppelprüfung ab, weil in Deutschland und Europa eine Zulassungspraxis existent ist, die nach international harmonisierten Zulassungskriterien erfolgt. Der jetzt vorgelegte Entwurf der Positivliste ist daher an das Institut für die Arzneimittelverordnung in der gesetzlichen Krankenversicherung zurück zu verweisen, damit neue und aktuelle Gutachten aus den Zulassungsverfahren für verordnungsfähige Arzneimittel noch berücksichtigt werden können.

        Positivlistengesetz verfassungs- und europarechtlich kompatibel auszugestalten

        Das Arzneimittel-Positivlistengesetz ist in verfassungsrechtlicher Hinsicht äußerst bedenklich. Das Gesetz sieht vor, dass der Gesetzgeber mit dem Arzneimittel-Positivlistengesetz selbst auch die erste Arzneimittel-Positivliste als Bestandteil des Gesetzes erlässt. Erst spätere Änderungen der Positivliste sollen vom Bundesgesundheitsministerium im Wege der Rechtsverordnung vorgenommen werden. Hiernach soll der Gesetzgeber mit dem Erlass des Arzneimittel-Positivlistengesetzes also nicht nur eine Entscheidung über das Gesetz selbst treffen, sondern auch eine Entscheidung darüber, welche einzelnen Wirkstoffe die gesetzlichen Kriterien zur Aufnahme in die Positivliste erfüllen. Damit würde der Gesetzgeber aber eine überaus komplexe wissenschaftliche Detailentscheidung wahrnehmen, für die eine pharmakologische Expertise erforderlich ist und die deshalb der Sache nach von der Exekutive zu treffen ist. Folgerichtig sahen deshalb auch die bisherigen Vorgängerregelungen des § 92 a SGB V bzw. § 33 a SGB V vor, dass bereits die erste Positivliste und nicht nur spätere Änderungen vom Bundesgesundheitsministerium als Rechtsverordnung erlassen werden sollte. Die mit dem Arzneimittel-Positivlistengesetz vorgesehene Konstruktion ist hingegen sachlich nicht gerechtfertigt und als Verstoß gegen den Grundsatz der Gewaltentrennung zu kritisieren.

        Der Erlass der ersten Positivliste als Teil des Gesetzes ist zudem im Hinblick auf die den Unternehmen durch das Grundgesetz gewährte Rechtsschutzgarantie (Art. 19 Absatz 4 Grundgesetz) bedenklich. Aufgrund des Gesetzesrangs der ersten Positivliste steht den Unternehmen unmittelbar gegen die dem Arzneimittel-Positivlistengesetz anhaftende Ausschlusswirkung bei Nichtaufnahme in die Positivliste kein fachgerichtlicher Rechtsschutz zur Verfügung. Die im Hinblick auf die Anträge der Unternehmen vom Dezember 2002 angekündigten Bescheide des Bundesgesundheitsministeriums bieten keinen adäquaten Rechtsschutz. So ist rechtsdogmatisch zweifelhaft, ob sich die Fach-/Sozialgerichte bei Klagen gegen diese Bescheide über die gesetzlichen Ausschlüsse des Arzneimittel-Positivlistengesetzes hinwegsetzen können (Das Verwerfungsmonopol bei Gesetzen liegt beim Bundesverfassungsgericht). Da das Arzneimittel-Positivlistengesetz ohne die Zustimmung des Bundesrates ergehen soll, bewirkt die mit dem Gesetz gewählte Konstruktion, die erste Positivliste als Teil des Gesetzes und nicht als - zustimmungspflichtige - Rechtsverordnung zu erlassen, nicht zuletzt auch eine unzulässige Umgehung des Bundesrates und eine willkürliche Verkürzung seiner Mitwirkungsrechte im Gesetzgebungsverfahren.

        Abschließend ist darauf hinzuweisen, dass die Vorgaben der EU-Transparenzrichtlinie (89/105/EG) nach Sinn und Zweck auch auf die erste Erstellung einer Positivliste Anwendung finden. Insoweit entspricht das Arzneimittel-Positivlistengesetz mit der ersten Positivliste insbesondere nicht den Anforderungen der Richtlinie an eine auf objektiven und überprüfbaren Kriterien beruhende Begründung für Ausschlussentscheidungen.

        Zu den Regelungen im Einzelnen:

        Neues verdecktes Aufnahmekriterium "Endpunktstudien" als Verstoß gegen die Kontinuität der Bewertung zu eliminieren

        Wie aus der Antwort der Bundesregierung vom 04. April 2003 (BT-Drs. 15/797) auf die kleine Anfrage der CDU/CSU-Fraktion / BT-Drs. 15/702) hervorgeht, wurde in der jetzigen Positivliste - nachträglich - ein neues Bewertungskriterium, endpunktorientierte Ergebnisse aus entsprechenden klinischen Studien, stillschweigend herangezogen. Dies widerspricht der in der Begründung zum Gesetzentwurf zu § 2 Abs. 6 genannten "Kontinuität der maßgeblichen materiellen Kriterien" und der Beurteilung "nach den selben fachlichen Maßstäben ... wie sie bereits bei der Erstellung der ersten Fassung der Arzneimittel-Positivliste angewandt worden sind." Abgesehen von § 6 (Übergangsregelung) liegt ansonsten im Gesetzentwurf keine Basis dafür vor, dass Endpunktdaten aus klinischen Studien als Bewertungskriterium hinzugezogen werden können.

        Aus Sicht des VFA bedeutet das Abstellen auf Endpunktstudien eine fundamentale Veränderung bisheriger Rahmenbedingungen für die Erstellung der Positivliste und führt gerade für neu zugelassene Wirkstoffe im Hauptteil der Positivliste zur systematischen Einschränkung ihrer Verordnungsfähigkeit. Diese können nämlich zum Zeitpunkt ihrer Zulassung bzw. Marktausbietung Endpunktstudien, die ein langfristig angelegtes Studiendesign unter den Bedingungen der täglichen Praxis haben, noch nicht vorweisen. Zu keinem Zeitpunkt im Laufe des 2-jährigen Verfahrens zur Erstellung der Positivliste war aber ersichtlich, dass dieses Kriterium für die Aufnahme von Wirkstoffen an Bedeutung gewinnen könnte, da die Aufnahmekriterien sehr allgemein formuliert und in ihrer Aussage uneindeutig sind.

        Zu § 2 Abs. 6: Vergleichende Bewertungen für alle Wirkstoffe aus dem Hauptteil objektiv auszugestalten; "Analogieschlüsse" offenzulegen


      • § 2 Abs. 6 des Gesetzentwurfes sieht vor, dass nunmehr "vergleichende indikationsbezogene Bewertungen" anhand von "einheitlichen Urteilsstandards" für eine Aufnahme in den Hauptteil der Vorschlagslisten/Positivlisten zu Grunde zu legen sind.

        Das bedeutet, dass die Entscheidung, ob ein Wirkstoff auf die Positivliste gesetzt wird, "auf Basis der in diesem Indikationsgebiet besten verfügbaren Evidenz" (vgl. Antwort auf Frage Nr. 8 zur erwähnten kleinen Anfrage), also auf Basis von Endpunktstudien, gefällt wird und das Vorliegen solcher Studien als vergleichender Maßstab für die Wirkstoffe in einem Indikationsgebiet angelegt wird. Aus Sicht des VFA und seiner Mitgliedsunternehmen ist diese Auslegung sehr kritisch zu sehen, da damit ältere Therapieprinzipien, für die Endpunktdaten bereits vorliegen, gegenüber neuen Arzneistoffen bevorteilt werden. Der Grundsatz der Gleichbehandlung von (indikationsgleichen) Wirkstoffen wird in der Positivliste damit in Frage gestellt.

        Die Bundesregierung hat, wie aus der Antwort auf Frage Nr. 9 der kleinen Anfrage weiter hervorgeht, hilfsweise für indikationsgleiche Stoffe von Fall zu Fall "Analogieschlüsse" bei endpunktorientierten Ergebnissen zugelassen. Dies ist grundsätzlich anzuerkennen, muss jedoch für alle Wirkstoffe aus dem Hauptteil der Positivliste gleichermaßen gelten. Da Analogieschlüsse nur dann gezogen werden können, wenn ein gleichartiger Wirkmechanismus bei den zu beurteilenden Substanzen vorliegt, ist für die Wirkstoffe mit einem spezifischen (neuen) Wirkprinzip und (noch) ohne eine Endpunktstudie eine Regelung im Gesetz vorzusehen, die sie als "hochinnovative" Substanz nicht schlechter stellt als Analogwirkstoffe. Sie müssen solange vorläufig verordnungsfähig sein, bis die Endpunktstudie abgeschlossen ist (vgl. Anmerkungen zu § 6 Abs. 2). Ansonsten würde sich die groteske Konsequenz ergeben, dass völlig anders- bzw. neuartige Therapieprinzipien gegenüber bereits bekannten benachteiligt werden.

        Gleichzeitig ist zu gewährleisten, dass ein transparentes und kalkulierbares Bewertungsverfahren anhand von Endpunktstudien zugrunde gelegt wird. Andernfalls wäre nicht nachzuvollziehen, in welchen Indikationen und innerhalb welcher bzw. zwischen welchen indikationsgleichen Wirkstoffklassen "Analogieschlüsse" zugelassen wurden. So sind in einigen Indikationen (orale Antidiabetika) vermutlich "Analogieschlüsse" zwischen den Wirkstoffklassen hergestellt worden, in anderen Indikationen (z. B. lipidsenkende Mittel / Fibrate) aber nicht. Da dies für die betroffenen Arzneimittelhersteller von eklatanter Bedeutung ist, ist vom Gesetzgeber das methodische Vorgehen bei der Ziehung von "Analogieschlüssen" transparent zu machen.

        Zu § 3 Abs. 1: Vorläufige Verordnungsfähigkeit zeitlich nicht zu begrenzen

        Die kritische Haltung gegenüber Arzneimitteln mit neu zugelassenen Wirkstoffen findet ihren Niederschlag auch in den neuerlich verschärften Regelungen zur Verordnungsfähigkeit in besonderen Fällen gemäß § 3 Absatz 1 Satz 1 des Gesetzentwurfes. Bisher war in § 33 a SGB V und im Referentenentwurf geregelt, dass neu zugelassene Arzneimittel bis zu einer endgültigen Entscheidung über ihre Aufnahme in die Positivliste vorläufig verordnungsfähig sind - und zwar sinnvoller Weise so lange, bis die Entscheidung über ihre Aufnahme durch eine entsprechende Änderung der Positivlisten-Rechtsverordnung getroffen wurde. Nunmehr soll die vorläufige Verordnungsfähigkeit automatisch nach 9 Monaten enden, auch wenn eine abschließende Sachentscheidung über die Aufnahme des Arzneimittels durch eine Änderung der Rechtsverordnung noch nicht getroffen worden ist.

        Diese Regelung ist zu kritisieren, weil ein Zeitraum von 9 Monaten für den Erlass einer Rechtsverordnung und das Zustimmungsverfahren im Bundesrat nicht in allen Fällen ausreichend sein dürfte. Alle Verzögerungen des BMGS und des Bundesrats beim Erlass der Rechtsverordnung gehen hiernach zu Lasten der pharmazeutischen Unternehmen, ohne in deren Einflussbereich zu liegen. Derartige Verzögerungen über die Frist von 9 Monaten hinweg können aber im Ergebnis dazu führen, dass neu zugelassene Wirkstoffe nach dieser Frist ohne Entscheidung in der Sache aus der Erstattungsfähigkeit fallen. Dieses Risiko kann kein Unternehmen eingehen. Daher ist auf jeden Fall die in § 33 a SGB V angelegte Konzeption beizubehalten

        Darüber hinaus ist in § 3 Abs. 1 Satz 2 des Gesetzentwurfs eine eindeutige Formulierung für die drei genannten Fällen der Ausschlussregelung vorzunehmen, da sich auch anhand der Begründung zum Gesetzentwurf nicht eindeutig erschließt, welche Wirkstoffe und mit welcher Begründung unter die Ausschlussregelung fallen.

        Zu § 3 Abs. 1 / § 4 Abs. 3: Bekanntgabe zur vorläufigen Verordnungsfähigkeit ohne zeitliche Verzögerung sicherzustellen

        Gemäß § 3 Abs. 1 Satz 3 des Gesetzentwurfes werden Arzneimittel, die die Voraussetzungen für die vorläufige Verordnungsfähigkeit erfüllen, vom BMGS im Bundesanzeiger bekannt gemacht.

        Es ist gesetzlich zu fixieren, dass die Verpflichtung zur Bekanntmachung im Bundesanzeiger zeitnah mit dem Datum der Zulassung oder Genehmigung zu erfolgen hat. Ebenso ist dies für die Aufnahme in die Fertigarzneimittelliste zu garantieren, damit kein zeitlicher Verzug in der Verordnungsfähigkeit zugelassener Arzneimittel zu ihrem Markteintritt besteht.

        Auch bei Antragstellung zur Aufnahme eines Arzneimittels in die Positivliste gemäß § 4 ist sicherzustellen, dass nach der positiven Bescheidung des Antrages diese Entscheidung zeitnah im Bundesanzeiger veröffentlicht wird.

        Zu § 6: Übergangsregelung neu auszugestalten

        In § 6 Abs. 1 der Übergangsregelung wird für Arzneimittel, die in der Zeit vom 11.12.2002 und bis zum Inkrafttreten des Gesetz zugelassen oder in den Verkehr gebracht wurden, die vorläufige Verordnungsfähigkeit auf 9 Monate begrenzt. Auch für diese Arzneimittel ist die vorläufige Verordnungsfähigkeit unbegrenzt zu gewähren (vgl. Ausführungen zu § 3 Abs. 1).

        In § 6 Abs. 2 ist vorgesehen, für bisher nicht gelistete Arzneimittel, für die bis zum 10.12.2002 ein Antrag auf Aufnahme in die Positivliste gestellt wurde, noch eine vorläufige Verordnungsfähigkeit für 12 Monate zu gewähren unter der Voraussetzung, dass eine klinische Endpunktstudie bis zum 10.12.2002 begonnen wurde. Diese nachträglich eingefügte Übergangsregelung wird begrüßt, ist aber faktisch unzureichend.

        Aus Sicht des VFA sollte zum einen allen betroffenen Arzneimittelherstellern - unabhängig vom Termin der Antragstellung - die Möglichkeit eingeräumt werden, für Wirkstoffe, für die (noch) keine Endpunktsstudie vorliegt und für die aufgrund ihres spezifischen Wirkprofils kein Analogieschluss möglich ist, eine Endpunktstudie durchzuführen. Daher ist die Übergangsregelung im Abs. 2 durch eine andere Regelung zu ersetzen, die gewährleistet, dass auch nach dem 10.12.2002 mit einer Endpunktstudie begonnen werden kann unter Beibehaltung der vorläufigen Verordnungsfähigkeit für den betreffenden Wirkstoff.

        Zum anderen ist die Frist für die vorläufige Verordnungsfähigkeit zu verlängern, indem nicht ein bestimmter Zeitrahmen festgelegt wird, sondern auf das Fortschreiten der Endpunktstudie abgestellt und die vorläufige Verordnungsfähigkeit daran ausgerichtet wird. Die bisherige Regelung hätte nämlich zur Folge, dass nach 12 Monaten ohne Abschluss der Endpunktstudie die vorläufige Verordnungsfähigkeit beendet wäre.

        Um der forschenden pharmazeutischen Industrie Planungssicherheit und eine faire Chance einzuräumen, in einem rechtsstaatlich einwandfreien Rahmen akzeptable Endpunktstudien durchzuführen, für die die Unternehmen dann auch entsprechende Mittel zu investieren bereit sind, ist die bisherige Übergangsregelung im Abs. 2 angemessen nachzubessern. Sollte trotz der vorgebrachten Einwände die bisherige Regelung beibehalten werden, ist von Seiten des Gesetzgebers festzulegen, wie klinische Endpunktstudien zu definieren sind, welche Anforderungen und welcher Nachweis an den Beginn einer Endpunktstudie anzulegen sind.
Unsere Mitglieder und ihre Standorte

Unsere Mitglieder und ihre Standorte

Die Mitglieder des vfa repräsentieren mehr als zwei Drittel des gesamten deutschen Arzneimittelmarktes und beschäftigen in Deutschland rund 102.000 Mitarbeiter:innen.
Rund 21.000 davon sind für die Erforschung und Entwicklung von Arzneimitteln tätig. Allein in Deutschland investieren die forschenden Pharma-Unternehmen jährlich 9,6 Mrd. Euro in die Arzneimittelforschung für neue und bessere Medikamente. Dies entspricht etwa 42 Millionen Euro pro Arbeitstag.