Deutsche EU-Ratspräsidentschaft: Gesundheitspolitische Schwerpunkte
Die Bundesregierung hat zum 1. Juli 2020 die EU-Ratspräsidentschaft übernommen. Sie ist damit bis zum Jahresende Moderator in der europäischen Debatte. Die Ratspräsidentschaft ist Teil einer Trio-Präsidentschaft mit Portugal und Slowenien, um Themen auch längerfristig zu adressieren.

Als Hauptziel formuliert die Bundesregierung eine rasche Erholung von der durch COVID-19 bedingten Krise für Europa.
Gesundheitspolitik
Daneben setzt sie sich aber auch in anderen Politikfeldern ehrgeizige Ziele.
Im Bereich der Gesundheitspolitik wurden drei Schwerpunkte durch das Bundesgesundheitsministerium identifiziert:
- Die Rückholung der Produktion versorgungsrelevanter Medizinprodukte und Arzneimittel zwecks Anlegung einer europäischen Reserve.
- Der Aufbau eines europäischen Forschungsdatenraums, um gezielt Innovationen im medizinischen Bereich zu fördern.
- Die Stärkung bestehender europäischer Institutionen wie der ECDC (Zentrum für Krankheitsprävention und -kontrolle) und der EMA (Europäische Arzneimittelzulassungsagentur), um global zukünftig eine stärkere Rolle zu spielen.
Der vfa hat gemeinsam mit den beiden Pharmaverbänden BAH und BPI seine Vorschläge zur Themensetzung im Bereich der pharmazeutischen Industrie bereits im September 2019 formuliert und bereits damals die Notwendigkeit einer europäischen Zusammenarbeit bei Gesundheitsdaten formuliert.
Durch die COVID-19 Krise hat sich die Schwerpunktsetzung hin zur Pandemiefolgen-Bekämpfung naturgemäß verschoben. Erfreulich ist, dass die Themen Forschungsdatenraum und Stärkung der europäischen Agenturen prominent auf der Agenda bleiben.
Der vfa setzt sich weiter dafür ein, dass der gemeinsame europäische Forschungsdatenraum auch Zugang für die Industrie bietet: Innovationen werden dort entwickelt, wo es die entscheidenden Daten gibt. Und niemand sonst als die Industrie übersetzt die aus diesen Daten gewonnen Erkenntnisse in reale Produkte, die den medizinischen Fortschritt voranbringen.
Neue Technologien wie etwa Gen- und Zelltherapien und ein weiterer Innovationsschub bei vielen weiteren pharmazeutischen Produkten verlangen die Stärkung der Europäischen Arzneimittelzulassungsbehörde EMA besonders bei den personellen Ressourcen, um neue Zulassungen weiter zu beschleunigen. Hinzu kommt, dass eine gemeinsame europäische Nutzenbewertung (Euro-HTA) die noch bestehende Ungleichheit beim Zugang zu neuen Therapien reduzieren könnte.
Gemeinsame Position zur Europäischen Nutzenbewertung
Mit unserem französischen Schwesterverband “Les Entreprises du médicament en France” (Leem) unterstützen wir die Gesetzesinitiative der EU-Kommission für eine gemeinsame klinische Nutzenbewertung von Arzneimitteln in EU-Mitgliedsländern. In einem appellieren wir an die europäischen Institutionen, dieses Gesetzgebungsverfahren weiter voranzutreiben - zum Nutzen aller EU-Mitgliedstaaten, der Patientinnen und Patienten sowie zur Sicherung des europäischen Standorts der pharmazeutischen Industrie.
Skeptisch betrachtet der vfa jedoch die Forderung der „Rückholung“ von Medizinprodukten und Arzneimitteln auf den europäischen Kontinent, da sie nicht die aktuelle Leistungsstärke der Industrie in Europa widerspiegelt: Mehr als 75 Prozent der in Europa verwendeten innovativen und patentgeschützten Wirkstoffe werden auch heute schon hier produziert. Ein Europa, das auf technologischen Fortschritt und Zusammenarbeit setzt, muss nach vorne blicken und sich als Standort für die Hochtechnologieproduktion von Arzneimitteln weiter etablieren. Die deutsche EU-Ratspräsidentschaft sollte deshalb gerade hier für industriepolitischen Rückenwind sorgen.