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Gesundheitsthemen bei den G20-Treffen 2017

Gesundheit ist Vorbedingung für die Ausbildungs- und Arbeitsfähigkeit und damit für die Sicherung von Familieneinkommen, für eine produktive Landwirtschaft und dafür, dass staatliche und private Investitionen auf allen Gebieten nachhaltig Ertrag bringen. In der global vernetzten Welt haben zudem die Gesundheitsprobleme eines Landes auch schnell Konsequenzen für andere Länder. Diese Erkenntnisse haben ihren Niederschlag im Programm der G20-Treffen dieses Jahres gefunden, bei denen sich Vertreter von 20 Industrie- und Schwellenländern mehrfach in Deutschland getroffen haben und zum Gipfel noch treffen werden. Eine wichtige Rolle kommt dabei dem Bundesgesundheitsministerium zu, das unter anderem Gastgeber des Treffens der G20-Gesundheitsminister war.

Science20-Dialogforum

Bundesgesundheitsminister Gröhe spricht auf dem Gesundheitsministertreffen der G20-StaatenDie Wissenschaftsakademien der G20-Staaten kamen schon im März zusammen und konzentrierten sich in ihren Empfehlungen an die Regierungen ihrer Länder auf das Thema Globale Gesundheitsversorgung. Koordniert von der nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina verabschiedeten sie am 22. März 2017 ihr Papier "Improving Global Health - Strategies and Tools to Combat Communicable and Non-communicable Diseases" beim Science20-Dialogforum. Darin betonen sie, dass die Ausweitung der internationalen Zusammenarbeit zur globalen Gesundheitsversorgung von der Wissenschaft geleitet und auch wissenschaftlich begleitet sein sollte. Sie sehen im Ausbau belastbarer Gesundheitssysteme in allen Ländern und der Verbreitung von Gesundheits- und Hygienekenntnissen wesentliche Faktoren für den Fortschritt. Sie raten zum Ausbau von Impfprogrammen, verbunden mit Maßnahmen zur Stärkung des Vertrauens in das Impfen. Der Zugang weltweit zu Diagnostika, Arzneimitteln und medizinischem Gerät solle zu erschwinglichen Preisen möglich sein.

Der vfa kommentierte das Papier in einer Pressemitteilung.

B20 Health Initiative

Hochrangige Vertreter der Wirtschaft der G20-Länder erarbeiteten als B20 Health Initiative ebenfalls Empfehlungen zur Globalen Gesundheitsversorgung und publizierten sie im Mai 2017 im Policy-Paper „Stepping Up Global Health – Towards Resilient, Responsible and Responsive Health Systems“. Auch sie betonen die Bedeutung des Auf- und Ausbaus leistungsfähiger Gesundheitssysteme, wo es diese bislang nicht gibt, und setzen für Lösungen gegen Antibiotika-Resistenzen, vernachlässigte Tropenkrankheiten (NTD) und Epidemie-Vorsorge in hohem Maße auf Forschung & Entwicklung. Sie befürworten Public-Private-Partnerships (wie die Coalition für Epidemic Preparedness Innovations, CEPI) als geeigneten Rahmen für Forschung und Produktentwicklung zu Infektionskrankheiten, aber auch für alle Belange der Bekämpfung vernachlässigter Tropenkrankheiten. Die B20 Health Initiative unterstreicht gleichzeitig die Notwendigkeit innovationsfreundlicher ökonomischer Systeme, die die nötigen Anreizmechanismen für die Erforschung und Entwicklung neuer Medikamente vorsehen und den Wert neuer Medikamente anhand ihres Nutzens für die Versorgung der Patienten bemessen.

Hinsichtlich Antibiotikaforschung empfehlen sie den G20-Mitgliedstaaten explizit die Unterstützung der Public-Private-Partnerships „Global Antibiotic Research and Development Partnership“ (GARDP) und „Combating Antibiotic-Resistant Bacteria Biopharmaceutical Accelerator“ (CARB-X) (Deutschland ist bei GARDP bereits stark engagiert). Sie weisen darauf hin, dass für viele Länder neben den von der WHO priorisierten multiresistenten Keimen auch multiresistente Tuberkulose-Bakterien von großer Relevanz sind. Neben Anreizen zur Erforschung neuer Antibiotika sollten Prävention und der verantwortliche Umgang mit vorhandenen Antibiotika vorangetrieben werden. Zu neuen und Bestands-Antibiotika müssten auch diejenigen Länder Zugang erhalten, die sie sich unter gegebenen Umständen nicht leisten können. Die G20-Staaten sollten dafür mit der Wirtschaft geeignete Finanzierungsmechanismen entwickeln. Zudem sollten sie ärmeren Ländern helfen, Monitoring-Systeme aufzubauen, die Daten zur Resistenzsituation im jeweiligen Land liefern.

Schließlich empfehlen die Experten aus der Wirtschaft, „Digital Health“ voranzutreiben. Die G20-Staaten sollten die Vernetzung zur Übermittlung von Gesundheitsdaten und die Nutzung von Big Data für die Gesundheitsversorgung verbessern, verbunden mit dem Schutz der persönlichen Daten. Dafür sollten einheitliche Regeln und international gültige Guidelines ausgearbeitet werden, wie die "OECD Recommendations on Health Data Governance". Zudem müssten internationale technische und semantische Standards geschaffen werden, die das Austauschen und Zusammenführen von Gesundheitsdaten ermöglichen. Weiterhin seien substanzielle Investitionen in die Netzwerk-Infrastruktur erforderlich. Der Ausbau leistungsfähiger digitaler Netzwerke könne die Versorgung von Patienten gerade im ländlichen Raum von Schwellen- und Entwicklungsländern wesentlich verbessern helfen, etwa durch Ferndiagnostik und e-learning, und so zur Erreichung der nachhaltigen Entwicklungsziele im Bereich Gesundheit beitragen.

Im Rahmen der Veranstaltung der B20 Health Initiative im Mai wurde auch die "AMR Industry Alliance" gegründet, in der mehrere Branchen der Privatwirtschaft (neben den forschenden Pharma-Unternehmen gehören Generikahersteller, Diagnostik-, Medizintechnik- und die Biotechnologie-Unternehmen dazu) zusammenarbeiten wollen, um zur Bekämpfung antimikrobieller Resistenzen beizutragen. Sie knüpfen an der "Declaration by the Pharmaceutical, Biotechnology and Diagnostics Industries on Combating Antimicrobial Resistance" an, die im Januar 2016 beim Economic Forum in Davos verabschiedet wurde.

Treffen der G20-Gesundheitsminister

Am 19. und 20.05.2017 berieten dann die Gesundheitsminister der G20-Staaten in Berlin über die globale Gesundheit. Es war das erste Treffen der Gesundheitsminister der G20-Gruppe überhaupt.

Eins ihrer Themen war die Verbesserung des globalen Gesundheitskrisenmanagements. Die Ebola-Epidemie von 2014 hat vor Augen geführt, wie nötig es ist, eine bessere und schnellere Abstimmung zwischen Staaten, supranationalen Organisationen wie der WHO, Hilfsorganisationen und Unternehmen (darunter Herstellern von Impfstoffen und therapeutischen Medikamenten) zu organisieren. Beim Ministertreffen ging es unter anderem um die Erprobung von Kommunikations- und Meldewegen zwischen Staaten und Organisationen. Zu diesem Zweck wurde während des Treffens auch eine Pandemie-Krisenübung durchgeführt.

Eng damit verbunden ist die Notwendigkeit, die Gesundheitsinfrastruktur in ärmeren Ländern so zu stärken, dass man dort auf eine sich formierende Epidemie reagieren kann und dann nicht auch noch die Versorgung von Patienten mit anderen Krankheiten zusammenbricht. Auch darüber wurde beraten. Überhaupt sollten die Gesundheitssysteme gestärkt werden, damit das von den Vereinten Nationen 2015 verabschiedete Ziel einer „universal health coverage“ – also von Gesundheitsleistungen für alle, auch in ärmeren Ländern – erreicht werden könne. Gesundheit sei wesentlich für die ökonomische Entwicklung und den sozialen Zusammenhalt jedes Landes. Zu den nötigen Gesundheitsleistungen gehören dabei nicht nur konkrete Therapien, sondern auch Maßnahmen zur Hygiene und Zugang zu sauberem Wasser. Für all das sei eine nachhaltige Finanzierung nötig.

In Beratungen zum Problem der Antibiotika-Resistenzen konnten die G20-Gesundheitsminister an Empfehlungen der G7 von 2015 und der Welt-Gesundheitsorganisation WHO anknüpfen. Das Bundesministerium für Gesundheit schrieb dazu: „Wenn Antibiotika nicht mehr wirken, bricht eine tragende Säule unserer Gesundheitsversorgung weg. Mit der Deutschen Antibiotika-Resistenzstrategie geht Deutschland im Kampf gegen Antibiotika-Resistenzen voran. Die Anstrengungen – sei es in der Krankenhaushygiene, beim bedachten Einsatz von Antibiotika in der Human- und Veterinärmedizin oder bei der Entwicklung neuer Wirkstoffe – sollen im Rahmen der G20-Präsidentschaft auch international fortgeführt werden.“

Abschließend haben die Gesundheitsminister die "Berlin Declaration of the G20 Health Ministers" veröffentlich. Der vfa hat sie in einer Pressemitteilung kommentiert.

C20-Dialogforum mit Nichtregierungsorganisationen

Internationale Vertreter von Nichtregierungsorganisationen – die Civil20 oder C20 – übergaben der Bundesregierung beim C20-Dialogforum am 19. Juni in Hamburg ihre Empfehlungen für die Gestaltung der Globalisierung. Ein Kapitel darin befasst sich mit globaler Gesundheit.

Die Civil20 (C20) sind ein Zusammenschluss nationaler und internationaler zivilgesellschaftlicher Organisationen, die sich jährlich formieren, um die Arbeit der G20 inhaltlich zu begleiten und der internationalen Zivilgesellschaft zu global relevanten Themen eine gemeinsame Stimme zu verleihen. Seit 2013 sind die C20 offiziell als Beteiligungsgruppe (sog. Engagement Group) der G20 anerkannt.

Im Kampf gegen Antibiotika-Resistenzen empfehlen sie, der Entwicklung von Therapeutika und Impfstoffen gegen Tuberkulose hohe Priorität zu geben. Die nationalen Beiträge zur WHO sollten erhöht und die WHO selbst reformiert und gestärkt werden.

Bei der Stärkung der Gesundheitssysteme ärmerer Staaten sollte auf „universal health coverage“ hingearbeitet werden (siehe oben).

Das Gipfeltreffen

Am 07. und 08.07.2017 stand globale Gesundheit dann auch auf der Agenda des Gipfeltreffens der G20 in Hamburg. In ihrem Abschlussdokument bekräftigten die Regierungschefs viele der Positionen aus der Erklärung der Gesundheitsminister (siehe oben).

Der vfa kommentierte diese in einer Pressemitteilung.

vfa-Positionen zu den Gesundheitsthemen der G20

Pharma-Unternehmen sehen sich im Fall plötzlicher Gesundheitskrisen durch Epidemien mit der Anforderung konfrontiert, möglichst binnen Wochen Impfstoffe oder Therapeutika zur Verfügung zu stellen – die allerdings meist noch gar nicht entwickelt sind. Einer raschen Entwicklung stehen allerdings die aufwendigen und langwierigen Entwicklungsschritte entgegen, die für einen neuen Impfstoff nötig sind. Im Fall der Ebola-Krise von 2014 gelang es immerhin, die Erprobung von bis dato nur bis zur Erprobung mit Tieren entwickelten Impfstoffen enorm zu beschleunigen, wozu Behörden, Pharma-Unternehmen und Hilfsorganisationen wesentlich beigetragen haben. Trotzdem hat bis heute noch kein Ebola-Impfstoff die Zulassung erreicht, auch wenn ein Präparat kurz vor der Zulassungseinreichung steht.

Dies macht offensichtlich, dass ein wirksameres globales Krisenmanagement nicht nur organisatorische, sondern auch medizinisch-pharmazeutische Vorbereitungen erfordert. Ein wichtiger Beitrag hierzu kann darin bestehen, gegen bestimmte derzeit noch als „exotisch“ empfundene Infektionskrankheiten vorsorglich Impfstoffe zu entwickeln und Techniken zu etablieren, die im Bedarfsfall eine Impfstoff-Entwicklung und -produktion in weit schnellerer Zeit als heute ermöglichen. Hierfür gibt es bei forschenden Pharma-Unternehmen eine Reihe von Projekten; und seit 2016 wird diese Arbeit durch die Coalition for Epidemic Preparedness Innovations (CEPI) systematisiert und intensiviert (http://cepi.net/).

Was die Stärkung von Gesundheitssystemen betrifft, begrüßt es der vfa, dass Vorhaben für die globale Gesundheit zunehmend von der Einsicht geleitet werden, dass Defizite in armen Regionen nicht einfach durch Lieferung medizinischer Güter zu Sonderkonditionen zu beseitigen sind, sondern den Auf- und Ausbau einer echten Gesundheitsinfrastruktur erfordern.

An der Überwindung der Antibiotika-Resistenz-Problematik arbeitet die forschende Pharma-Industrie mit und diskutiert mit anderen Akteuren, wie diese Arbeit ausgebaut werden kann (siehe "Neue Antibiotika"). Die Entwicklung neuer Antibiotika wird aber nur dann sinnvoll und hilfreich sein, wenn auch der Entstehung und Verbreitung neuer Resistenzen wirksam vorgebeugt wird.

Schon 2015 hat der vfa ein Positionspapier mitunterzeichnet, das in „Resistenzen – ein drängendes Problem nicht nur für Industrieländer“ erkennt (so auch der Titel). Darin wird gefordert, Maßnahmen zur Eindämmung der Resistenzbildung so zu planen, dass sie den spezifischen Gegebenheiten der unterschiedlichen Länder und ihrer Gesundheitssysteme Rechnung tragen. Es wurde insbesondere von einer Reihe von Nicht-Regierungs-Organisationen unterzeichnet.