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Umsetzung der EU-HTA-Verordnung benötigt Richtungskorrektur

Angleichung von Standards vorantreiben, Vorgaben für besondere Therapien umsetzen und Partizipation verbessern - dies ist die gemeinsame Position von BPI und vfa:

Ein Pfeil aus Metall liegt auf einer NavigationskarteDie europäische HTA-Verordnung (HTA: Health Technology Assessment) ist am 11. Januar 2022 in Kraft getreten. Mit der Verordnung sollen der Zugang zu innovativen Therapien in Europa verbessert, der Verwaltungsaufwand für Unternehmen und HTA-Behörden verringert und die Qualität der klinischen Bewertung gestärkt werden. Das Konsortium EUnetHTA21, bestehend aus HTA-Institutionen aus 12 EU-Mitgliedsstaaten, erarbeitet aktuell Entwürfe für Methoden und Prozesse, die als wichtige Weichenstellung gelten.

Gemeinsame europäische Bewertungsmethoden anstreben

EUnetHTA21 entwirft die europäische HTA-Bewertung als eine bloße Zusammenführung nationaler Praktiken. Die heutige Fragmentierung der unterschiedlichen Anforderungen und Methoden der Mitgliedsstaaten wird damit lediglich auf die europäische Ebene exportiert. Der Verwaltungsaufwand für Unternehmen und HTA-Behörden wird dadurch nicht verringert. Die gemeinsame HTA-Bewertung sollte eine Angleichung an gemeinsame europäische Methoden und Informationsanforderungen sowie harmonisierte HTA-Kriterien anstreben, um den Verwaltungsaufwand zu reduzieren.

Vorgaben zu Arzneimitteln für seltene Leiden und neuartige Therapien umsetzen

EUnetHTA21 beachtet die Vorgaben der Verordnung nicht, die angepasste Methoden für die Bewertung von Arzneimitteln gegen seltene Leiden (Orphan Drugs) bzw. für neuartige Therapien (ATMP) vorsieht. Dies verhindert, dass die in der Zulassung anerkannten Besonderheiten der Evidenz im weiteren Verlauf berücksichtigt werden können. Diese oft lebenswichtigen Therapien könnten deshalb durch die europäische HTA-Bewertung fallen mit negativen Konsequenzen für die Versorgung. Die methodischen Leitlinien müssen angepasst werden, um die Besonderheiten von Therapiesituationen zu berücksichtigen.

Beteiligung von Unternehmen im EU-HTA-Prozess stärken

Die aktuellen Entwicklungen zeigen, dass die Möglichkeiten zur Beteiligung von Unternehmen an den einzelnen EU-HTA-Prozessschritten beschränkt und sinnvolle Interaktionen mit den Bewertern verhindert werden. Dies schwächt die Qualität der gemeinsamen Beratung und Bewertung. Unternehmen sollten die Möglichkeit haben, ihre Ansichten über die Korrektheit und Relevanz der Fakten und Umstände, die Gegenstand der Verfahren sind, wirksam kundzutun. Unternehmen sollten insbesondere ihr einzigartiges Know-how bereits im sog. Scoping-Prozess einbringen können. Hierfür sollte die Möglichkeit eines Scoping-Treffens geschaffen werden.

Expertise aller Stakeholder bei der Umsetzung besser einbeziehen

Trotz umfangreicher Kommentierung der EUnetHTA21-Vorschläge durch Stakeholder ergaben sich bisher kaum Änderungen. Die Beiträge von Patientenorganisationen, medizinischen Fachgesellschaften, HTA-Experten und der Industrie können aber die Qualität der Methoden und Prozesse verbessern und sollten deshalb stärker berücksichtigt werden. Die Einbeziehung der Interessengruppen ist ein entscheidender Schritt im Rahmen der Grundsätze der besseren Rechtsetzung und stellt die beste Qualitätssicherung für die Umsetzungsphase der HTA-Verordnung dar. Sie stärkt die Anwendbarkeit und die Akzeptanz der künftigen europäischen Arbeit.

Chancen für den Abbau von Divergenzen in Europa nutzen

Die Umsetzung der HTA-Verordnung erfordert Umdenken. HTA-Behörden und auch Unternehmen müssen ihre Arbeitsabläufe anpassen, um sicherzustellen, dass der neue Rahmen als Chance für eine verbesserte klinische Bewertung genutzt werden kann, wobei Divergenzen in Europa abgebaut, der Verwaltungsaufwand für Unternehmen und HTA-Behörden verringert und der Zugang zu neuen Medikamenten verbessert wird.

Die Bundesregierung und die HTA-Institutionen sind aufgerufen, sich in einem konstruktiven Dialog mit der Europäischen Kommission und der HTA-Koordinierungsgruppe der Mitgliedsstaaten für die Angleichung der Standards, die Umsetzung der Vorgaben für besondere Therapien und die Verbesserung der Partizipation einzusetzen.

Hintergrund

Am 11. Januar 2022 trat die EU-HTA-Verordnung in Kraft. Sie regelt eine gemeinsame klinische Bewertung von neuen Arzneimitteln auf europäischer Ebene, die ab Januar 2025 für die ersten Produkte starten soll, darunter Arzneimittel für neuartige Therapien (ATMP) und onkologische Arzneimittel (inkl. gegen seltene Leiden). Die Rahmenvorgaben sind zu konkretisieren. Aktuell erstellt das Konsortium EUnetHTA21 im Auftrag der EU-Kommission Vorschläge für Prozess- und Methoden-Leitlinien, welche zur öffentlichen Konsultation gestellt wurden. Die finalen Dokumente, die bis September 2023 vorliegen sollen, gelten als Grundlage für die implementierenden Rechtsakte der EU-Kommission sowie die Verabschiedung europäischer Methoden durch die HTA-Koordinierungsgruppe der Mitgliedstaaten, die 2024 erwartet werden.