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Neue Medikamente gegen vernachlässigte, armutsassoziierte Tropenkrankheiten

Malaria-Erreger (im Sporozoiten-Stadium)Forschende Pharma-Unternehmen spenden Medikamente zur Bekämpfung von vernachlässigten, armutsassoziierten Tropenkrankheiten (NTD). Im Rahmen der London Declaration von 2012 haben sie sich auch verpflichtet, an der Ausrottung oder Eindämmung von zehn sogenannten vernachlässigten tropischen Krankheiten (neglected tropical diseases, NTDs) bis 2020 mitzuwirken; wie im Artikel Bekämpfungsprogramme gegen vernachlässigte, armutsassoziierte Tropenkrankheiten (NTDs) ausführlich erläutert wird.

Darüber hinaus entwickeln forschende Pharma-Unternehmen aber auch neue Medikamente gegen die NTDs. Während sie das bis in die 1990er-Jahre nur vereinzelt getan haben, hat sich die Aktivität seit den frühen 2000er Jahre wesentlich verstärkt. Einen kleinen Teil der entsprechenden Projekte betreiben die Firmen im Alleingang, den größten Teil hingegen im Rahmen von Produkt­entwicklungspartnerschaften (Product Development Partnerships, PDPs) – also im Verbund mit Partnern wie Stiftungen, Forschungseinrichtungen, regierungsnahen und anderen Organisationen und anderen Unternehmen. Eine wichtige Rolle spielt hier die Drugs for Neglected Diseases Initiative (DNDi). Im Rahmen der PDPs wird der finanzielle Aufwand für die Entwicklung auf mehrere Partner verteilt; im Gegenzug müssen sich beteiligte Unternehmen verpflichten, jedes daraus hervorgehende Medikament später an betroffene ärmere Länder zu Sonderkonditionen zu liefern. Der internationale Pharmaverband IFPMA hat 142 Projekte für Medikamente gegen NTD sowie Malaria und TBidentifiziert, an den Pharmafirmen in größeren PDPs oder kleineren akademisch-industriellen Kooperationenmitwirken.

Der Bedarf für neue Medikamente und Impfstoffe ist je nach Krankheit sehr unterschiedlich. Gegen einige NTDs sind schon wirksame und verträgliche Medikamente verfügbar, z. B. gegen lymphatische Filariose (Elephantiasis), Bilharziose, boden-übertragene Würmer und die Augenkrankheit Trachom; hier kommt es vorrangig darauf an, dass die vorhandenen Medikamente auch die Betroffenen erreichen. Die Behandlung anderer Krankheiten hingegen ist bisher nebenwirkungsreich oder schwierig durchzuführen (etwa bei Schlafkrankheit oder Chagas), so dass hier der Bedarf für verträglichere oder einfacher handhabbare Medikamente besonders groß ist. Das gilt umso mehr für Krankheiten, gegen die es noch gar kein Medikament und keinen Impfstoff gibt, wie etwa das Dengue-Fieber. Aber auch bei Krankheiten, die wie die Flussblindheit heute schon grundsätzlich behandelbar sind, besteht teilweise Bedarf für weitere Medikamente, etwas solche, die schneller wirksam sind; und es besteht immer die Gefahr, dass Krankheiten dadurch wieder problematisch werden, dass die Erreger Resistenzen gegen die vorhandenen Medikamente entwickeln.

Einen Überblick über den Stand der Forschung und Entwicklung von Impfstoffen und therapeutischen Medikamenten gegen die genannten Krankheiten durch forschende Pharma-Unternehmen bieten die folgenden Tabellen. Sie stützen sich auf Websites von Produktentwicklungspartnerschaften, die Datenbank PharmaProjects, Informationen der IFPMA und Recherchen des vfa; ohne Anspruch auf Vollständigkeit.

Zu neuen Medikamenten zur Behandlung von afrikanischer Schlafkrankheit (HAT) und Chagas (Ch) tragen Pharma-Unternehmen in folgender Weise bei:

UnternehmenPartnerProjektPhase
AbbVie, Anacor, Astellas, AstraZeneca, Bayer, Bristol-Myers Squibb, Celgene, E.I. du Pont de Nemours, Eisai, GlaxoSmithKline, Janssen, MSD, Pfizer, Pfizer Animal Health, Sanofi, Takeda, TI PharmaDNDi, Hospital University of Bonn, MMV, WHO-TDR u. a.Wirkstoffscreening und -entwicklung (Ch)Wirkstoffforschung
ScynexisDNDiSCYX-2035811, -1608210 und -1330682Wirkstoffforschung (HAT)
ScynexisDNDiOxaborol-WirkstoffPräklinik (Ch)
EisaiDNDiE1224 + Benznidazolklinische Phase I (Ch)
Sanofi (liefert Substanzen)DNDiu.a. Fexinidazole (Tabl., Suspension) (HAT und Ch)Phase III (HAT), Phase II (Ch)

Stand: 01.06.2014


Für neue Medikamente zur Behandlung von Bilharziose (= Schistosomiasis) führen Pharma-Unternehmen folgende Projekte durch:

UnternehmenPartnerProjektPhase
ConCERTDeuteriertes PraziquantelanalogonWirkstoffforschung
Merck Serono / AstellasSTPHKindgerechte Darreichungsform von Praziquantelpräklinische Entwicklung

Stand: 01.06.2015


Für neue Medikamente zur Behandlung von Flussblindheit (Onchozerkose) führen Pharma-Unternehmen folgende Projekte durch:

UnternehmenPartnerProjektPhase
AbbVie, Sanofi Merial, GlaxoSmithKline, Novartis, JanssenDNDiWirkstoffscreeningWirkstoffforschung
AnacorLKFRI, Univ. CaliforniaBor-VerbindungenWirkstoffforschung
AbbVieFlubendazol (Formulierung)präklinische Entwicklung
Bayer HealthCareDNDiEmodepsidpräklinische Entwicklung

Stand: 01.06.2015


Für neue Medikamente zur Behandlung von Filariosen (v. a. Elephantiasis) führen Pharma-Unternehmen folgende Projekte durch:

UnternehmenPartnerProjektPhase
AnacorWirkstoffscreeningWirkstoffforschung
AstraZenecaWirkstoffscreeningWirkstoffforschung
Janssen / PfizerDNDiWirkstoffscreeningpräklinische Entwicklung

Stand: 01.06.2015


Für neue Medikamente zur Behandlung von Leishmaniosen führen Pharma-Unternehmen folgende Projekte durch:

UnternehmenPartnerProjektPhase
AbbVie, Anacor, Astellas, AstraZeneca, Bayer, Bristol-Myers Squibb, Celgene, E.I. du Pont de Nemours, Eisai, GlaxoSmithKline, Janssen, MSD, Pfizer, Pfizer Animal Health, Sanofi, Takeda, TI PharmaDNDi, Hospital University of Bonn, MMV, WHO-TDR u. a.Wirkstoffscreening und -entwicklung (Ch)Wirkstoffforschung
AdvinusDNDi u. a.VL-2098präklinische Entwicklung
Humax Pharma, ColombiaDNDi u.a.Anfoleish (topisches Amphotericin B)präklinische Entwicklung
Sanofi (liefert Medikament)DNDiFexinidazolklinische Phase II

Stand: 01.06.2015


Zur Entwicklung eines Impfstoffs gegen Leishmaniosen gibt es das folgende Projekt:

UnternehmenPartnerProjektPhase
MologenDNA-Impfstoff (MGN1331)präklinische Entwicklung

Stand: 01.06.2015


Für Medikamente zur Behandlung von Dengue-Fieber führen Pharma-Unternehmen folgende Projekte durch:

UnternehmenPartnerProjektPhase
CalAsiaInhibitoren der viralen ProteaseWirkstoffforschung
MacroGenicsPost-Expositions-Immunisierung (monoklonaler Antikörper)Wirkstoffforschung
PTCNIHWirkstoffscreeningWirkstoffforschung

Stand: 01.06.2015


Für Impfstoffe gegen Dengue-Fieber führen Pharma-Unternehmen folgende Projekte durch:

UnternehmenPartnerProjektPhase
VaxInnatetetravalenter ImpfstoffWirkstoffforschung
ArbovaxImpfstoff IPN-200präklinische Entwicklung
GlaxoSmithKlineFiocruzImpfstoffklinische Phase I
MSDImpfstoff V180klinische Phase I
Vicalrekombinanter Impfstoffklinische Phase I
GlaxoSmithKlineWRAIRTetravalenter Impfstoffklinische Phase II
Inviragen (Takeda)Tetravalenter rekombinanter Impfstoffklinische Phase II
Acambis (Sanofi)Paediatric Dengue Vaccine InitiativeTetravalenter chimärer ImpfstoffPhase III

Stand: 19.10.2014


Zwingend nötig: Ausbau des Gesundheitswesens in betroffenen Ländern

Damit wirklich den Erkrankten und Gefährdeten geholfen werden kann, genügt es nicht, geeignete Medikamente zu entwickeln. Vielmehr sind weitere Anstrengungen in den betroffenen Ländern erforderlich. Jede Behandlung braucht beispielsweise einen Arzt, der sie anleitet, braucht sichere Lieferwege für die Medikamente, braucht auch – das Beispiel Ebola zeigt es – ein Mindestmaß an Aufklärung über Gesundheit und Krankheit bei den Bürgern. Wo den Menschen selbst das Geld für den Bus zum Arzt fehlt, ist eine nachhaltige Bekämpfung von Krankheiten nicht einmal mit gespendeten Medikamenten möglich. Hier müssen insbesondere Regierungen im Verbund mit Hilfsorganisationen und weiteren Akteuren ein Mindestmaß an Gesundheitsinfrastruktur schaffen – sonst bleibt aller Aufwand für die Entwicklung neuer Medikamente nutzlos.