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Wettbewerb funktioniert nur mit verlässlichen Regeln

Nur mit verlässlichen Regeln können wettbewerbliche Lösungen auch zu dem erhofften Erfolg führen. Im Rahmen der Neuordnung des Arzneimittelmarktes gilt es deshalb, Regeln für die Auswahl geeigneter Vergleichsländer festzulegen, die als Referenz für die Preisbildung herangezogen werden können. Noch wichtiger ist aber, dass der Gesetzgeber Vertraulichkeit über die Verhandlungsergebnisse zwischen GKV-Spitzenverband oder Krankenkassen auf der einen und Herstellern innovativer Medikamente auf der anderen Seite gewährleistet.

In der öffentlichen Debatte um die Ausgabenentwicklung in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) drängt sich der Eindruck auf, als ob die Pharmaindustrie allein verantwortlich für steigende Ausgaben sei. Ein Beispiel: Der Gesetzgeber hat sich bei Einführung des Preismoratoriums und des erhöhten Zwangsrabatts für patentgeschützte Arzneimittel verpflichtet, einmal im Jahr zu prüfen, ob die Abschläge angesichts der wirtschaftlichen Entwicklung noch gerechtfertigt sind. Vor dem Hintergrund einer günstigen Einnahmen- und Finanzentwicklung im Jahr 2011 fällt aber auf, dass lediglich die Arzneimittelausgaben in den ersten drei Quartalen des vergangenen Jahres um 1,3 Milliarden Euro gesunken sind. Andere Ausgabenkategorien legten dagegen zu, zum Beispiel die ambulante Versorgung um plus 600 Millionen Euro oder die stationäre Versorgung um plus 1,7 Milliarden Euro. Statt den Sparbeitrag der Arzneimittelhersteller und Apotheker zu würdigen, hält das Bundesgesundheitsministerium entgegen der gesetzlichen Vorgabe trotz eines erheblichen Überschusses in der gesetzlichen Krankenversicherung an dem erhöhten Herstellerrabatt fest.

Diese Unwucht ergibt sich aber nicht allein aus den Zahlen, sie zeigt sich auch mit Blick auf die reflexartige Polemik, mit der Akteure des Gesundheitswesens selbst auf sachdienliche Vorschläge zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes reagieren. So hat sich die CDU/CSUFraktion im Deutschen Bundestag mit ihrem Positionspapier zur AMG-Novelle vom 23.01.2012 den Vorwurf einer „Wünsch-Dir-was-Liste-für-die-Pharmalobby“ eingehandelt. Zu Unrecht, denn sie hat unter anderem zwei Punkte angestoßen, die für die angestrebte Verhandlungslösung von zentraler Bedeutung sind.

Internationale Preisvergleiche. Nach § 130a SGB V legt die Schiedsstelle einen Preis fest, falls sich Hersteller innovativer Medikamente und GKV-Spitzenverband nicht binnen der gesetzlichen Frist auf dem Verhandlungsweg einigen können. Dazu soll die Schiedsstelle auch internationale Preisvergleiche heranziehen. Die CDU/CSU-Fraktion schlägt vor, dafür Referenzländer analog zu den Regelungen für Impfstoffe auszuwählen. Dort werden jene vier Mitgliedstaaten der EU mit den am nächsten kommenden Bruttonationaleinkommen herangezogen, wobei Umsatzgewichte sowie Kaufkraftparitäten zu berücksichtigen sind. Sicherlich lässt sich an dieser Stelle fragen, warum nicht drei oder fünf EU-Mitglieder? Bei der Anzahl bleibt die Festlegung mehr oder weniger willkürlich. Sinnvoll ist aber in jedem Fall, Länder nach ökonomisch relevanten Indikatoren auszuwählen, statt Volkswirtschaften unterschiedlicher Größe und Entwicklung in einen Topf zu werfen.

Allerdings geht der Vorschlag nicht weit genug. Denn Pharma-Unternehmen werden EU-weit mit verschiedensten Regulierungen konfrontiert, die den Preis der Arzneimittel im jeweiligen Referenzland beeinflussen. Außerdem werden die Endpreise in unterschiedlichem Maße mit Umsatzsteuer belegt. Schließlich koppeln manche Länder ihre Preisfindung an die Preise in anderen europäischen Gesundheitssystemen, so dass die Gefahr eines Zirkelschlusses besteht (vgl. Ordnungspolitisches Statement der Forschungsstelle Pharmastandort Deutschland, Nr. 3, vom 18.11.2010).

Der Vorschlag der CDU/CSU-Fraktion stößt also eine dringend notwendige Diskussion darüber an, welche Indikatoren im Schiedsfall konkret herangezogen werden. Transparenz über diese Kriterien hilft im Übrigen, um bereits im Vorfeld eines drohenden Schiedsspruchs Preisverhandlungen erfolgreich abschließen zu können.

Vertraulichkeit. Im Rahmen der Übertragung von Regeln zur Preisfestsetzung auf den Bereich der privaten Krankenversicherung fordert die CDU/CSU-Fraktion des Weiteren, dass die Vertraulichkeit bezüglich der Höhe des ausgehandelten Erstattungsbetrags nach §130b SGB V zu gewährleisten ist. Die Veröffentlichung ist, wie der Vorschlag zu Recht begründet, für die Preisverhandlung nicht notwendig. Umgekehrt wären sogar schädliche Effekte zu befürchten: Sobald das Verhandlungsergebnis eines Wettbewerbers bekannt würde, könnten nicht nur alle Mitbewerber „kostenlos“ auf die Information zugreifen. Insbesondere auf ausländischen Märkten würden damit auch die rabattierten statt der Listenpreise Gegenstand der Verhandlung. Das mag zwar im Interesse der jeweiligen Nationalstaaten liegen. Aber es ist weder Aufgabe des deutschen Gesetzgebers, der Preisfindung auf ausländischen Märkten vorzugreifen, noch ist es sinnvoll, die Verhandlungsposition der in Deutschland ansässigen Hersteller innovativer Arzneimittel auf ausländischen Märkten zu schwächen. Schließlich führen deren Exporterlöse zu Einkommen im Inland, die nicht zuletzt auch der Finanzierung sozialer Sicherungssysteme in Deutschland dienen.

Polemik ist also fehl am Platze. Der Grundsatz der Vertraulichkeit muss für die Verhandlungsergebnisse zwischen dem GKV-Spitzenverband und den Herstellern innovativer Medikamente gewahrt werden. Anderenfalls entsteht ein Anreiz, die Zulassung auf dem deutschen Markt zu meiden, um Absatzchancen auf den internationalen Märkten nicht zu gefährden. Das ginge am Ende auf Kosten der Versorgung im Inland.


Quelle: Forschungsstelle Pharmastandort Deutschland im Institut der deutschen Wirtschaft Köln. Sie wird unterstützt vom Verband der forschenden Pharma-Unternehmen (vfa).


Das obige ordnungspolitische Statement finden Sie als PDF-Download hier.