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Politische Überregulierung gefährdet Wettbewerbsfähigkeit der Pharma-Industrie


Von Dr. Hagen Pfundner, Vorstandsvorsitzender des vfa


Bekanntlich ist die Welt 2012 trotz der Weissagungen der Maya nicht untergegangen, das gilt selbstverständlich auch für die forschende pharmazeutische Industrie in Deutschland und ich gehe fest davon aus, dass sie es auch 2013 nicht tun wird. Wenn ich auf die Kerndaten unseres Wirtschaftszweiges blicke, bin ich allerdings besorgt. Ich fasse die Ergebnisse unserer Umfrage hier einmal kurz zusammen und bewerte sie:

  • Die politische Überregulierung gefährdet die Wettbewerbsfähigkeit der pharmazeutischen Industrie in Deutschland und verhindert Wachstumsimpulse für die Gesundheitswirtschaft!
  • Die pharmazeutische Industrie ist der Motor der industriellen Gesundheitswirtschaft und von enormer Bedeutung für den Standort Deutschland.
  • Massive Eingriffe durch Regulierungsinstrumente wie Zwangsrabatt, Preismoratorium und Umsetzungsschwierigkeiten des AMNOG bremsen die Wachstumschancen dieses volkswirtschaftlich und demographisch wichtigen Marktes!
  • Wir haben die Sondersteuer auf Innovationen, den Zwangsrabatt, und das Preismoratorium akzeptiert, um den hohen Versorgungsstandard und die Leistungsversprechen in der gesetzlichen Krankenversicherung zu sichern.
  • Wenn die GKV heute über volle Kassen berichten kann, dann ist das auch dem Beitrag der forschenden Pharmaindustrie zu verdanken. Unsere Annahme, dass dieses Geld nur zur Stabilisierung der Finanzlage im Gesundheitssystem verwendet wird, hat sich nicht bewahrheitet: es wird an andere Leistungserbringer umverteilt.
  • Pharmazeutische Unternehmen ohne industrielle Produktion bekommen die volle Wucht der gesetzlichen Maßnahmen zu spüren. Bei Unternehmen, die in Deutschland auch produzieren, können allerdings Investitionen und Personalbestand derzeit noch durch die Zunahme des Exportgeschäftes begründet werden.
  • Die Konsequenz ist für mich eindeutig: Der deutsche Pharmastandort lebt mittlerweile zunehmend und hauptsächlich vom wachsenden Export. Investitionen und Personalbestand in Deutschland rechnen sich vorwiegend durch das immer noch wachsende Auslandsgeschäft.
  • Der stagnierende deutsche Inlandsmarkt mit seinen politischen Rahmenbedingungen macht Investitionen in Produktion, Forschung und Entwicklung für uns allerdings zunehmend unattraktiv.

Zwar sind unsere Erwartungen für 2013 aufgrund neuer innovativer Arzneimittel - gerade auch für Unternehmen, die hier in Deutschland produzieren,– noch einigermaßen hoffnungsvoll. Realität ist aber auch ein relativer Bedeutungsverlust des deutschen Arzneimittelmarktes.

Wir müssen feststellen, dass nur die Auslandsmärkte wachsen, während der deutsche Markt stagniert. Es ist die Exportstärke unserer Unternehmen, die in Deutschland produzieren, welche unsere Zukunftsperspektiven sichert!

Das ist für Sie ja nicht neu: Die Einschnitte, die das GKVÄnderungsgesetz und das Arzneimittelmarkt-Neuordnungsgesetz für die forschenden pharmazeutischen Unternehmen gebracht haben, bestimmen die Geschäftserwartungen der Unternehmen seit 2010. Sie haben 2010 /2011 Inlands-Umsatz, Beschäftigtenzahl und Investitionen der forschenden Pharma-Unternehmen spürbar gebremst. Das sind Trends, die sich im Wesentlichen auch in 2013 fortsetzen werden.

Angesichts des unverhältnismäßigen Zwangsrabattes ist es nicht überraschend, dass der Inlandsumsatz der forschenden Pharma-Industrie 2011 auf rund 16,7 Milliarden Euro gesunken ist und sich Seite 2012 aller Voraussicht nach nur auf der Basis dieses Niveaus stabilisiert haben dürfte.

Nur dadurch, dass der Auslandsumsatz um 6,9 Prozent auf 20,71 Milliarden Euro gesteigert werden konnte, haben vor allem Unternehmen, die in Deutschland produzieren, 2011 den Umsatz überhaupt moderat steigern können.

Nur etwas mehr als die Hälfte unserer Unternehmen (55,6 Prozent) erwartet 2013 wieder leichte Steigerungen der Inlands-Umsätze. Ein Drittel der Unternehmen (33,3 Prozent) geht von rückläufigen Umsätzen aus, die teilweise auch deutlich ausfallen können.

Dirigistische Restriktionen der Politik, wie der Zwangsrabatt, sind einer Stärkung des Inlandsmarktes sicher nicht zuträglich. Alarmsignale sind die Effekte, die die Umsatzrückgänge des Jahres 2011 am Pharmastandort Deutschland ausgelöst haben: Die Investitionen sanken von 2010 auf 2011 um 150 Millionen Euro oder 13 Prozent von 1,1 Milliarden Euro auf 960 Millionen Euro.

Die F&E-Aufwendungen sind 2011 von 5,05 auf 4,9 Milliarden Euro spürbar um 3,2 Prozent zurückgegangen. Und auch die Beschäftigtenzahl nahm ab, von 82.100 auf 81.100. Darunter sind mittlerweile auch Arbeitsplätze in der deutschen Forschung und Entwicklung.

Während wir bei Investitionen und F&E-Aufwendungen 2012 aller Voraussicht nach eine Stabilisierung auf niedrigerem Niveau sehen und 2013 wohl auch sehen werden, wird die Zahl der Beschäftigten 2012 vermutlich leicht sinken und auch 2013 moderat abnehmen: Gut ein Drittel (34,6 Prozent) der Unternehmen wollen die Beschäftigung im nächsten Jahr halten; noch mehr (38,5 Prozent) planen Personalabbau, der auch zum Teil bedeutend ausfallen kann.

Anders ausgedrückt: Die Überregulierungen der letzten Jahre haben der industriellen Gesundheitswirtschaft einen Schlag versetzt, der auch an die Substanz geht.

Lichtblick für den Standort Deutschland ist in der Prognose der deutlich wachsende Exportanteil. 2013 erwarten nur wenige Unternehmen (4,0 Prozent) einen Rückgang des Exportgeschäftes, fast zwei Drittel (64,0 Prozent) erwarten ein in etwa gleiches Volumen wie im Vorjahr. Knapp ein Drittel (32,0 Prozent) geht sogar von einem leichten Zuwachs im Auslandsgeschäft aus.

Hier zeigt sich die Dominanz des Auslandsgeschäftes: Der deutsche Binnenmarkt stagniert, während die Auslandsmärkte, und damit unsere Exportanteile dynamisch wachsen. Das ist gut und ein Kompliment für die heimische industrielle Produktionskompetenz.

Wir müssen aber dafür Sorge tragen, dass der Pharmastandort Deutschland weiter solide auf zwei Beinen steht, die da heißen: Inlandsgeschäft und Auslandsgeschäft!

Wenn wir uns nur daran erfreuen, wie exportstark wir sind, werden wir auf mittlere Sicht erleben, dass dem wachsenden Medikamentenexport bald ein zunehmender
Export von Arbeitsplätzen und Industriekapazitäten folgen kann. Schon heute sehen wir, dass nur Unternehmen, die hierzulande eine industrielle Basis haben, Beschäftigtenzahlen und Investitionsniveau halten können. Deshalb müssen wir künftig der Substanz des Heimatmarktes mehr Beachtung schenken als bisher.

Das Vertrauen der Investoren in den Pharmastandort Deutschland hat gelitten: Innovationen, die dem Leitmarkt Deutschland gut zu Gesicht stünden, werden immer noch durch verschiedene Webfehler des AMNOG gebremst.

So warten wir darauf, dass die frühe Nutzenbewertung endlich praxistauglich wird und ihre Kinderkrankheiten nicht mit in die Verantwortung des Erwachsenenseins mitnimmt: Das Zusammenspiel von Zulassung und früher Nutzenbewertung ist noch immer nicht klar, die Auswahl der Vergleichstherapie durch den G-BA ist für unsere Unternehmen nicht hinreichend transparent und auch ein Konsens über die Definition der Endpunkte von Studien ist ebenfalls nicht in Sicht.

Beim AMNOG geht es aber um wesentlich mehr als um die Beseitigung technischer Umsetzungsprobleme. Das AMNOG zwingt Politik und Wirtschaft, Position zum deutschen Gesundheitsmarkt zu beziehen.

Wenn sich forschende Pharma-Unternehmen weiterhin substantiell in Deutschland engagieren sollen, brauchen wir ein gemeinsames Verständnis von Politik und Wirtschaft, beispielsweise, dass hierzulande keine griechische oder tschechische Preispolitik gemacht werden kann, denn diese Länder haben keine - anders als Deutschland – industrielle Gesundheitswirtschaft mit hoher Wertschöpfung.

Deshalb gehört auch der bestehende Arzneimittelmarkt in Deutschland (Bestandsmarkt) unter einen fairen „Bestandsschutz“. Die Patente von heute müssen nicht nur die Generika von morgen finanzieren, sondern auch die industrielle Infrastruktur für die Innovationen der Zukunft!

Politik und Selbstverwaltung sollten bei all ihren Entscheidungen bedenken, dass die Patentabläufe der nächsten Jahre den heutigen Zwangsrabatt annähernd aufwiegen – das ist unser Risiko, das ist unser Geschäftsmodell!

Lassen Sie mich noch einen weiteren Aspekt aufgreifen: Die Krankenkassen bezahlen rund 7 Milliarden Euro pro Jahr für patentgeschützte Arzneimittel an die Hersteller, während die Hersteller aber direkt rund 11 Milliarden Euro in Deutschland investieren (nur F&E, Lohn-Einkommenssteuer, Sachanlagen)!

Diesen Mehrwert, der Deutschland zu Gute kommt, bezeichnen Wirtschaftsexperten als „ökonomische Dividende“ unserer industriellen Gesundheitswirtschaft – sie wird allerdings überwiegend durch die hohe Exporttätigkeit erwirtschaftet: Also das, was wir geben ist mehr als das, was wir „kosten“!

Unmittelbar kann man das an Industrieanlagen besichtigen, mittelbar in Steuereinnahmen messen. Diese „ökonomische Dividende“ bleibt bislang bei allen Betrachtungen der GKV – Kassenlage außen vor.

Neben die ökonomische Dividende tritt eine zunehmend wichtiger werdende „Gesundheitsdividende“: Der Produktivitätserhalt ist für eine alternde Gesellschaft und die deutsche Wirtschaft kein beliebiges Thema, sondern ein zentrales Wettbewerbs- und Überlebensthema unserer industriell geprägten Gesellschaft.

Krankheiten zu verhindern, ihren Ausbruch und ihr Fortschreiten hinauszuzögern und ihre Folgen zu minimieren, sind nicht nur für den Einzelnen und seine Angehörigen wichtig, sondern auch für die Volkswirtschaft. Fehlzeiten wegen Krankheit zu verkürzen und Berufsunfähigkeit zu verhindern und dadurch die gesamtwirtschaftliche Produktivität zu erhalten oder noch zu steigern, werden die Herausforderungen der Zukunft sein.

Aus unserer Sicht beschäftigt sich die Politik derzeit noch zu wenig mit diesen Zukunftsfragen und bindet stattdessen die forschenden Pharma-Unternehmen, die bei der Bewältigung dieser Fragestellungen eine entscheidende Rolle spielen könnten, in ein Korsett lähmender Kostenkontrolle!

Der Zwangsrabatt und das Preismoratorium haben in Kombination von Höhe (mehr als 16 Prozent) und Dauer (3,5 Jahre) ein Rekordniveau erreicht: 2011 kostete uns der Zwangsrabatt incl. Preismoratorium alleine 2,5 Milliarden Euro. Insgesamt geht es damit um eine Belastung der forschenden Arzneimittelhersteller von kumuliert sieben bis acht Milliarden Euro.

Dieser Zwangsrabatt hat aber längst keine sachliche Grundlage mehr: Er war ja für Notzeiten gedacht. Fakt ist: Die Überschüsse auf Seiten der Kassen belaufen sich auf über 27 Milliarden Euro!

Wir fordern nach wie vor die sofortige Abschaffung des Zwangsrabattes und eine Anerkennung unseres bisherigen Beitrages zur Stabilisierung der „Kassenlage“.

Die forschende Pharma-Industrie erfährt jedenfalls durch fortdauernde ungerechtfertigte Belastungen, bezogen auf den Industriestandort, einen erheblichen Wettbewerbsnachteil.

Das Geld, das uns der Zwangsrabatt entzieht, hätten wir gut gebrauchen können: Für Arbeitsplätze, R&D und Forschungskooperationen. Dies gilt besonders im sich verschärfenden Standortwettbewerb mit Asien, USA, Lateinamerika, Russland und der Türkei.

Mit einem werden wir in Deutschland leben müssen: Mit dem Erstarken Asiens und Lateinamerikas verschieben sich die Gewichte. Europa und damit Deutschland steht nicht mehr automatisch im Mittelpunkt des Interesses bei weitreichenden Investitionsentscheidungen. Dies wird nach meiner Einschätzung auch Einfluss auf die Versorgungsqualität in Deutschland nehmen.

Aber Deutschland kann immer noch ganz vorne mitspielen, wenn der industriellen Gesundheitswirtschaft auch politisch Bedeutung beigemessen wird. Dafür braucht Deutschland auch weiterhin Wissensarbeitskräfte und Investitionen in Sachanlagen und Forschung. Wir haben hier interessante Forschungscluster, wir haben hier eine industrielle Substanz, um die uns viele beneiden, und wir haben gut ausgebildete und motivierte Mitarbeiter. Daraus haben wir etwas „Großes“ gemacht, nämlich eine leistungsstarke forschende Pharmaindustrie!

Forschende Pharma-Unternehmen investieren rund 10% ihres Umsatzes in Forschung und Entwicklung und belegen damit zusammen mit der Luft- und Raumfahrtindustrie einen Spitzenplatz. Damit spielen forschende Pharma-Unternehmen eine tragende Rolle in vielen Clustern der Spitzentechnologie und Spitzenforschung hierzulande. Und das wollen wir auch weiterhin tun!

Als Resümee bleibt: Wirtschafts- und Gesundheitspolitik müssen an einem Strang ziehen!
Unsere starke industrielle Wertschöpfung und unser Beitrag zum Bruttosozialprodukt dürfen nicht allein auf dem „unsicheren Boden des Exportes“ stehen, sondern benötigen die Verankerung in einem attraktiven Inlandsmarkt.

Tabelle als PDF-Download

Prognose 2013

Umfrage unter den 45 Mitgliedsunternehmen des vfa zur Prognose der wirtschaftlichen Erwartungen der forschenden Pharma-Unternehmen für das Jahr 2013

Die Einschnitte, die das GKV-Änderungsgesetz und das Arzneimittelmarkt-Neuordnungsgesetz für die pharmazeutischen Unternehmen gebracht haben, bestimmen die Geschäftserwartungen der Unternehmen seit 2010. Sie haben 2010/2011 eine deutliche „Bremsspur“ in den wirtschaftlichen Kernziffern (Inlands-Umsatz, Beschäftigte, Investitionen) der in Deutschland ansässigen forschenden Pharma-Unternehmen hinterlassen. Die Steigerung der Auslandsnachfrage und somit der Exportaktivität liegt dagegen deutlich über dem Binnenmarkt. Die Unternehmen erwarten insgesamt keine großen Veränderungen bezüglich dieser Trends für das Jahr 2013.

Stabilisiert sich auf niedrigerem Niveau
Auf der Basis des niedrigeren Niveaus (aufgrund der weiter geltenden erhöhten Herstellerrabatte) erwartet nur etwas mehr als die Hälfte der Unternehmen (55,6 Prozent) 2013 wieder leichte bis mittlere Steigerungen der Umsätze. Ein Drittel der Unternehmen (33,3 Prozent) geht von rückläufigen Umsätzen aus, die teilweise auch deutlich ausfallen können.

Weiterhin starke Auslandsnachfrage für Unternehmen mit industrieller Produktion
Etwas optimistischer ist die Sicht der Unternehmen mit industrieller Produktion. Nur wenige (4,0 Prozent) befürchten einen Rückgang der Exporte. Fast zwei Drittel (64,0 Prozent) erwarten Stagnation, knapp ein Drittel (32,0 Prozent) geht von einem vorwiegend leichten Zuwachs im Auslandsgeschäft aus.

Personalabbau geht weiter
Gut ein Drittel (34,6 Prozent) der Unternehmen wollen die Beschäftigten halten; ca. vierzig Prozent (38,5 Prozent) planen Personalabbau, der auch zum Teil bedeutend ausfallen kann. Ca. ein Viertel (26,9 Prozent) rechnet mit leichtem Personalzuwachs.

Stabilisierung auf niedrigerem Niveau
Nach signifikantem Rückgang in den Jahren 2010 und 2011 von jeweils 13 Prozent ist insgesamt mit einer Fortschreibung der Investitionen in Sachanlagen auf diesem niedrigeren Niveau zu rechnen: Fast die Hälfte (48,1 Prozent) planen Aufwendungen in gleicher Höhe wie im Vorjahr. Jeweils rund ein Viertel (25,9 Prozent) wollen erhöhen oder reduzieren.

Nach einem Rückgang in 2010/2011 ist eine Stabilisierung zu erwarten
Ein Viertel (25,0 Prozent) der Unternehmen plant Reduktionen, während ca. ein Drittel (32,1 Prozent) plant, seine Aufwendungen zu erhöhen . Auch bei der F&E-Aufwendungen, die speziell in Bio-/Gentechnologie eingesetzt werden, sind tendenziell eher Erhöhungen geplant.

Investitionen gehen vermehrt in andere Regionen.
Die F&E-Aufwendungen im Ausland spielen jedoch weiter eine wichtige Rolle; sie werden erhöht (43,5 Prozent der Unternehmen).


Faktenblatt: Prognose 2013 als PDF-Download