Der vfa und seine Mitglieder haben immer wieder darauf hingewiesen, dass das AMNOG nicht nur in Deutschland wirkt, sondern auch ins Ausland ausstrahlt – was seinerseits Rückwirkungen auf die Findung von Erstattungsbeträgen hierzulande hat. Der problematische Mechanismus, der hier gemeint ist, ist die internationale Preisreferenzierung. Mit diesem Regulierungsinstrument müssen die global tätigen forschenden Pharmaunternehmen leben und die Entscheidungsträger der nationalen Gesundheitssysteme verantwortlich umgehen.
Eine Vielzahl von Ländern orientiert sich für die Festlegung der eigenen Arzneimittelpreise an dem in Deutschland gültigen Arzneimittelpreis. Inzwischen sind bereits – wie eingangs erwähnt – für knapp 20 Arzneimittel Erstattungsbeträge vereinbart worden. Diese Erstattungsbeträge sind allgemein bekannt. Daher ist davon auszugehen, dass sie zukünftig bei der Preisreferenzierung berücksichtigt werden. Hinzu kommt, dass auch im AMNOG-Verfahren auf ausländische Preise zurückgegriffen wird, sodass sich eine zirkuläre Referenzierung ergibt. Wenn der pharmazeutische Unternehmer in neuerliche Verhandlungen mit dem GKV-Spitzenverband eintritt, kann der von den preisreferenzierenden Ländern im Ausland regulierte Preis wiederum Grundlage für den deutschen Erstattungsbetrag werden. Dies macht eine gerade auch von Ländern mit geringerer Wirtschaftskraft gewünschte differenzierte Preisgestaltung unmöglich.
Für die Aufhebung der Probleme einer wechselseitigen Preisreferenzierung wären folgende zwei Lösungsalternativen denkbar: Erstens könnten sich europaweit alle Staaten darauf einigen, auf das Regulierungsinstrument der internationalen Preisreferenzierung zu verzichten. Eine solche Vereinbarung ist realistischerweise nicht zu erreichen und wäre auch kaum durchzusetzen. Die zweite Option ist, auf eine öffentliche Listung des Erstattungsbetrags zu verzichten. Dadurch könnten die problematischen Wechselwirkungen von internationaler Preisreferenzierung vermieden werden – auch zum Vorteil der deutschen Versicherten. Nicht die Wirkung des AMNOG in Deutschland würde beeinträchtigt, sondern lediglich seine Ausstrahleffekte ins Ausland und deren Rückwirkungen begrenzt.
Der vfa setzt sich weiter nachdrücklich für diese zweite Option ein. Argumente für eine zwingend notwendige Veröffentlichung des AMNOG-Rabatts gehen fehl. Eine nachträgliche Abwicklung des Rabatts in direkter Beziehung zwischen Krankenkasse und Hersteller ist – wie oben beschrieben (s. Abschnitt 3) – ohnehin immer nach einem Entscheid der Schiedsstelle erforderlich. Der vfa plädiert dafür, das Verfahren der Abwicklung von Erstattungsbeträgen zu vereinheitlichen und konsequent allein auf eine nachträgliche Abwicklung umzustellen. Dadurch wäre eine öffentliche Listung der AMNOG-Rabatte abwicklungstechnisch verzichtbar.
Gegenwärtig zeigt das Beispiel Griechenlands, wie real die beschriebenen Probleme internationaler Preisreferenzierung tatsächlich sind: Dort bittet die für Arzneimittelpreisbildung zuständige Behörde darum, die krisenbedingt niedrigen Arzneimittelpreise im Ausland nicht als Basis für die internationale Preisreferenzierung zu verwenden. Gleichzeitig hat sie ein Exportverbot für wichtige Medikamente verhängt, um zu verhindern, dass Parallelimporteure aus der Krise Gewinn schlagen und die Versorgungssituation im Land verschlimmern.
Insbesondere in Zeiten eines krisenbedingten Auseinanderdriftens der europäischen Einkommen ist darauf zu achten, dass nur solche Länder in die Preisreferenzierung mit einbezogen werden, die wirtschaftlich und auch bezogen auf die Versorgungssituation als vergleichbar angesehen werden können. Andernfalls würde eine Orientierung am europäischen Niedrigstpreis einen Kellertreppeneffekt mit erheblichen Konsequenzen für die Versorgung der Patienten (auch in Deutschland) auslösen. Daher ist in Frage zu stellen, dass die von der Schiedsstelle im AMNOG-Verfahren heranzuziehenden Länder Griechenland, Portugal, Slowakei und Tschechien als wirtschaftlich vergleichbar angesehen werden können. Der vfa spricht sich weiterhin dafür aus, wenn überhaupt nur solche Länder für eine Preisreferenzierung zu berücksichtigen, die mit Deutschland wirtschaftlich vergleichbar sind. Von einer wirtschaftlichen Vergleichbarkeit kann bei den o. g. Ländern keine Rede sein.
Der Gesetzgeber hat zwar mit den jüngsten Änderungen im Rahmen des 2. AMG-Änderungsgesetzes versucht, eine wirtschaftliche Vergleichbarkeit der im AMNOG-Verfahren genutzten Auslandspreise zu erreichen. Die anhand der wirtschaftlichen Kenngrößen Umsatz und Kaufkraftparität vorgenommene Adjustierung kann jedoch nur als Notbehelf angesehen werden, denn das Problem entsteht bereits bei der Auswahl der Vergleichsländer. Grundsätzlich ist eine wie auch immer gelagerte Adjustierung von Preisen unzulänglich, weil sie niemals in der Lage ist, alle Kenngrößen, die einen Einfluss auf die in den Ländern feststellbaren Preisunterschiede haben, adäquat zu berücksichtigen. Preisunterschiede entstehen nämlich aus ganz unterschiedlichen Gründen (Präferenzen, Transportkosten, nationale Eigenheiten der Erstattungsregulierung, Versorgungssituation etc.) – Kaufkraftparitäten und Umsätze sind nur zwei Einflussgrößen von vielen. Das Beispiel Griechenland zeigt, dass die Kaufkraftparitäten-Adjustierung nicht ausreicht. Die speziell auf die Arzneimittelpreise wirkenden nationalen Preisregulierungssysteme werden durch die Kaufkraftparitäten nicht adäquat berücksichtigt.