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Experten warnen: Arzneimittel allein genügen der Dritten Welt nicht

Berlin (VFA). Nur mit einer besseren medizinischen Infrastruktur lässt sich die öffentliche Gesundheit in den Entwicklungsländern verbessern. Ohne Infrastruktur erreichten auch Initiativen wie subventionierte Medikamente kaum die Bedürftigen. Doch gibt es ermutigende Beispiele von Partnerschaften zwischen öffentlichen Institutionen und Privatunternehmen (sog. Public-Private-Partnerships), die Beiträge zur öffentlichen Gesundheit leisten. Das verdeutlichten internationale Experten auf dem Symposium "Öffentliche Gesundheit und Medizinische Versorgung in Entwicklungsländern", das die Internationale Vereinigung Forschender Arzneimittelhersteller (IFPMA) zusammen mit dem Verband Forschender Arzneimittelhersteller (VFA) am 25. November in Berlin veranstaltete.

Mit der Entwicklung von 22 Arzneimittelinnovationen gegen HIV in nur 20 Jahren hätten forschende Arzneimittelhersteller viel geleistet, betonte Dr. Harvey Bale, Hauptgeschäftsführer der Internationalen Vereinigung Forschender Arzneimittelhersteller (IFPMA). Die Unternehmen hätten diese und Medikamente für andere Krankheiten für Länder der dritten Welt zu stark ermäßigten Konditionen zugänglich gemacht. Dafür arbeiteten sie etwa in der Accelerating Access Inititative mit WHO, UNAIDS und vielen anderen Institutionen zusammen. Daneben hätten mehrere Unternehmen noch eigene Hilfsprogramme aufgelegt. Doch ohne genügend Ärzte und Krankenhäuser, ohne die nötigen Grundkenntnisse über Prävention, Erkennung und Behandlung von Krankheiten und ohne Strukturen für eine geordnete Beschaffung und Verteilung von Medikamenten seine weder im Falle von Aids noch bei anderen Krankheiten auch nur die elementarsten Bedürfnisse der Patienten zu befriedigen. In Afrika südlich der Sahara seien jedoch statt der erforderlichen 2,5 Millionen Personen an medizinischem Personal gerade mal 600.000 verfügbar, von denen zudem ständig viele in andere Erdteile abwanderten. Die meisten afrikanischen Länder gäben zudem jährlich weniger als 20 US-Dollar pro Einwohner für Gesundheit aus.

Die KfW-Entwicklungsbank finanziere deshalb Gesundheitsinfrastruktur- und Ausrüstungsinvestitionen, erläuterte Dr. Wolfgang Bichmann, Abteilungsdirektor Gesundheit der KfW Entwicklungsbank, die die finanzielle Zusammenarbeit der Bundesregierung mit Entwicklungsländern durchführt. Dabei fördere sie nicht nur neue logistische Strukturen, sondern auch den Aufbau von Gutschein- und Versicherungssystemen, um den Zugang ärmerer Bevölkerungsgruppen zur Gesundheitsversorgung zu ermöglichen. Die Finanzierung der unmittelbaren Medikamenten- oder Impfstoffversorgung habe demgegenüber an Bedeutung verloren, außer im privaten Sektor, etwa bei der HIV/AIDS-Prävention durch Social Marketing und arbeitsplatzbezogene Programme. Vorhaben der reproduktiven Gesundheit, die durch die KfW mit einem Gesamtvolumen von 380 Millionen Euro gefördert werden, nehmen eine herausragende Stellung in der Entwicklungszusammenarbeit ein. Public-Private-Partnerships gehört nach Bichmanns Auffassung auf vielen Ebenen und Gebieten im Schwerpunkt Gesundheit die Zukunft.

Die Vision der Weltgesundheitsorganisation (WHO) für eine langfristig bessere medizinische Versorgung der Bevölkerung in Entwicklungsländern stellte Dr. Jack C. Chow vor. Als Assistenzgeneraldirektor der WHO leitet er die weltweiten Aktivitäten der WHO zur Bekämpfung von HIV/Aids, Tuberkulose und Malaria. Dr. Chow erklärte, ein funktionierendes öffentliches Gesundheitswesen müsse auf vier Grundsteinen ruhen:

  1. dem Erarbeiten umfassender Strategien zur Verbesserung der öffentlichen Gesundheit;
    • dem Aufklären und Motivieren der Bevölkerung zu gesundheitsbewusstem Verhalten und die Stärkung der im Gesundheitswesen tätigen Zivilgesellschaft;
      • der Veränderung des politischen Klimas in jedem Land, um der Verbesserung der Gesundheitsversorgung Priorität zu geben und
        • der Freisetzung von finanziellen Ressourcen, um alle diese Anstrengungen voranzutreiben und zu koordinieren.
Aufbauend auf diesem Fundament fördert die WHO konzertierte Aktionen, indem sie mit Entwicklungs- und Geberländern, Partnerorganisationen wie zum Beispiel UNAIDS und die Weltbank, und verschiedenen Forschungseinrichtungen, sowie mit Nicht-Regierungsorganisationen und Einrichtungen aus dem privaten Sektor zusammenarbeitet.

Erst durch die Stärkung einer ganzen Kette konzertiert arbeitender Organisationen könne mit den investierten finanziellen Mitteln eine langfristige Verbesserung der öffentlichen Gesundheit erreicht werden. Entscheidend für das Erreichen des Ziels einer Stärkung der Gesundheitssysteme ist dabei das partnerschaftliche Zusammenwirken der unterschiedlichen beteiligten Gruppen und Institutionen. Die WHO hat die Rolle, Entwicklungsländern technische Anleitung und Beratung zu leisten, damit finanzielle Mittel in erfolgreiche Gesundheitsprogramme umgesetzt werden können.

Wie sich forschende Arzneimittelhersteller schon heute in Kooperation mit anderen Partnern engagierten, erläuterte Dr. Christopher P. Murray, Director Pharmaceuticals Division der F. Hoffmann-La Roche Ltd. Viele Unternehmen hätten die Erfahrung machen müssen, dass ihre Programme zur Abgabe von preisreduzierten oder kostenlosen Medikamenten in Entwicklungsländern für sich genommen nur wenige der bedürftigen Patienten erreicht hätten. Die Programme würden deshalb zunehmend flankiert von Schulungsprogrammen für medizinisches Personal, teilweise auch für medizinische Einrichtungen. Sein eigenes Unternehmen unterstütze beispielsweise Phelophepa - eine rollende Klinik, die in Südafrika auf dem Schienenweg medizinische Versorgung in ländliche Gebiete bringt. Ein Großteil der Aktivitäten geschehe in Public-Private-Partnerships. Unternehmen könnten jedoch beim Aufbau medizinischer Infrastruktur nur behilflich sein; einen Ersatz für staatliches Engagement auf diesem Gebiet - das in vielen Ländern sehr wenig ausgeprägt sei - könnte und dürfte das jedoch nicht bedeuten.

Matthias Kleinert, Beauftragter des Vorsitzenden der Südliches Afrika Initiative der Deutschen Wirtschaft (SAFRI), Professor Jürgen E. Schrempp, und Berater der DaimlerChrysler AG schilderte beispielhaft, wie Unternehmen ihrer gesellschaftlichen Verantwortung auch und gerade in Entwicklungsländern gerecht werden können. Sein Unternehmen startete im Jahr 2000 in Südafrika ein HIV/AIDS-Arbeitsplatzprogramm für die Belegschaft und deren Familien - zusammen rund 30.000 Personen. Es umfasst Aufklärung, Vorbeugung, freiwillige Tests, die Bereitstellung anti-retroviraler Medikamente und weitere medizinische Versorgung. Drei Jahre nach der Einführung des Programms, das zusammen mit der Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) entwickelt und eingeführt wurde, zeigt sich, dass das Programm greift: So unterzogen sich etwa 75 Prozent der Belegschaft freiwillig einem HIV-Test. Die Überlebensrate der Betroffenen stieg in den ersten drei Jahren auf 90 Prozent - ein Niveau, das sonst nur in Europa und Nordamerika erreicht wird. Die Sterblichkeitsrate im Untersuchungszeitraum sank um 56 Prozent. Besonders erfreulich sei, so Kleinert, dass sich kein Baby einer infizierten Mutter, die im Rahmen des Programms betreut wurde, mit HIV angesteckt habe. Kleinert kündigte eine Ausweitung des Programms auf osteuropäische und asiatische Länder an.

Cornelia Yzer, Hauptgeschäftsführerin des Verbands Forschender Arzneimittelhersteller (VFA), betonte, dass Wirtschaftsunternehmen bereit und schon dabei seien, ihren Beitrag zur öffentlichen Gesundheit weltweit zu leisten. Dabei sei Geld unerlässlich, das in den Industrienationen verdient werden müsse. Letztlich könne Geld aber auch nur dann in den Dienst der Gesundheit gestellt werden, wenn Strukturen und Know-how den richtigen Weg bahnen. Deshalb seien die Programme der forschenden Arzneimittelhersteller immer stärker so ausgelegt, dass sie nicht von Regierungen und Hilfsorganisationen unabhängig, sondern ausdrücklich im Zusammenwirken mit ihnen durchgeführt würden, damit Aufbau von Infrastruktur für das Gesundheitswesen parallel erfolgt.

Weitere Materialien zur Veranstaltung können Sie unter https://www.vfa.de/pm041125 herunterladen.

Der Verband Forschender Arzneimittelhersteller e.V. (VFA) ist der Wirtschaftsverband der forschenden Arzneimittelhersteller in Deutschland. Er vertritt die Interessen von 42 weltweit führenden Herstellern und ihren fast 100 Tochter- und Schwesterfirmen in der Gesundheits-, Forschungs- und Wirtschaftspolitik. Die Mitglieder des VFA repräsentieren rund zwei Drittel des gesamten deutschen Arzneimittelmarktes und beschäftigen in Deutschland mehr als 85.000 Mitarbeiter, darunter 14.500 in Forschung und Entwicklung.