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Patienten brauchen mehr Orphan Drugs

  • Pharmaforscher treiben rund 1.500 Projekte für neue Medikamente gegen seltene Krankheiten voran.
  • Orphan Drugs werden ausschließlich gegen Krankheiten entwickelt, die genuin selten sind - Unterformen häufigerer Erkrankungen bleiben ausgeschlossen.
  • Das Nationale Aktionsbündnis für Menschen mit seltenen Krankheiten (NAMSE), dem der vfa angehört, setzt sich dafür ein, dass Patienten mit seltenen Erkrankungen schneller eine Diagnose und eine möglichst gute Versorgung erhalten können.

Berlin (vfa). Gegen rund 130 seltene Krankheiten gibt es zugelassene Medikamente, sogenannte Orphan Drugs, und rund 1.500 solcher Medikamente befinden sich derzeit in Entwicklung. Viele davon werden bereits mit Patienten geprüft, und gegen 30 seltene Krankheiten können forschende Pharma-Unternehmen voraussichtlich noch vor Ende 2019 neue Medikamente herausbringen. Das berichtet heute der Verband der forschenden Pharma-Unternehmen (vfa) in Berlin mit Blick auf den Tag der Seltenen Erkrankungen am 29. Februar.

"Patienten wollen Heilung oder Besserung ihrer Krankheiten, auch wenn sie in der Bevölkerung selten vorkommen. Seit 2000 macht sich auch die EU dafür stark, mit Förderkonditionen für Entwickler von Orphan Drugs und mit eigenen Forschungsprogrammen zu seltenen Krankheiten", so Birgit Fischer, die Hauptgeschäftsführerin des vfa. "Den Pharma-Unternehmen hat das geholfen, ihre Forschung gegen seltene Krankheiten auszubauen: Mittlerweile sind jährlich rund ein Fünftel ihrer neuen Medikamente Orphan Drugs. Das wird sich auch in den nächsten Jahren hoffentlich so fortsetzen. Angesichts von schätzungsweise 6.000 bis 8.000 seltenen Erkrankungen bleibt auf diesem Gebiet noch sehr viel zu tun."

Viele seltene Krankheiten beruhen auf einem angeborenen Gendefekt. Dazu zählt ADA-SCID, eine Immunschwäche, die ein Überleben nur in keimfreier Umgebung zulässt ("bubble children"). Erstmals könnte in diesem Jahr eine Gentherapie gegen diese Krankheit die Zulassung erhalten. Aber auch Medikamente gegen die ebenfalls angeborene Herzkrankheit Transthyretin-assoziierte Kardiomyopathie, gegen Sichelzellenerkrankung und einige andere Erbkrankheiten könnten in den kommenden Jahren in die Versorgung kommen.

Ebenfalls selten und bisher schwer behandelbar sind Krebsarten wie Bauchspeicheldrüsenkarzinom und Gliom, eine Form von Hirntumor. Auch gegen sie könnten in den nächsten Jahren Medikamente herauskommen - wie auch gegen verschiedene Lymphome, Leukämien, Merkelzell-Karzinom, Mesotheliom (Asbest-Krebs), Multiples Myelom und viele weitere seltene Krebsarten.

Weitere Medikamente könnten in den kommenden Jahren gegen seltene Infektionskrankheiten verfügbar werden, etwa gegen Cytomegalie-Viren, die Patienten mit Organtransplantationen gefährden, oder gegen Tuberkulose.

Aber auch an Medikamenten gegen seltene Krankheiten der Muskeln und Nerven - wie das Muskelleiden Myelofibrose oder die Nervenkrankheit spinale Muskelatrophie - wird gearbeitet; mit der Chance auf Neueinführungen bis 2019.

Die Entwicklung und Zulassung von Orphan Drugs

Orphan Drugs werden ausschließlich gegen Krankheiten entwickelt, die genuin selten sind, d.h. in der EU definitionsgemäß bei weniger als einem von 2.000 EU-Bürgern auftreten. Medikamente gegen Unterformen häufiger Erkrankungen (etwa Lungenkrebs) können keinen Orphan Drug-Status erhalten. Darüber wachen die Zulassungsbehörde EMA und die EU-Kommission. Das von manchen Akteuren des Gesundheitswesens befürchtete Aufteilen häufigerer Krankheiten in "orphan-fähige" Teilgebiete - ein Slicing oder eine Orphansierung - ist somit ausgeschlossen.

Zugelassen werden Orphan Drugs wie andere Medikamente nur, wenn die Zulassungsbehörde EMA den Nutzen ihrer Anwendung bei den Patienten höher als das Risiko bewertet. Und mehr noch: Damit ein Medikament im Zulassungsverfahren den Orphan Drug-Status behalten kann, muss es sogar einen Zusatznutzen gegenüber den bisher vorhandenen Therapien aufweisen. Davon unberührt bleibt, dass jedes Orphan Drug in Deutschland das frühe Nutzenbewertungsverfahren durchlaufen muss. Da der Zusatznutzen als solcher bereits auf europäischer Ebene ermittelt wurde, bewertet der G-BA dabei dessen Ausmaß. Anschließend führt der GKV-Spitzenverband für diese Orphan Drugs Preisverhandlungen mit dem Hersteller.

Markt und Versorgung mit Orphan Drugs

Auch wenn es einige wenige umsatzstarke Orphan Drugs gibt, sind Orphan Drugs in der Regel Nischenpräparate, für die die Gesetzliche Krankenversicherung oft deutlich unter 10 Millionen Euro pro Jahr aufwenden muss. Auf alle Orphan Drugs zusammen entfielen 2015 3,3 % ihrer Arzneimittelausgaben (Quelle: Insight Health, vfa).

Das Nationale Aktionsbündnis für Menschen mit seltenen Krankheiten (NAMSE), dem der vfa angehört, setzt sich unter anderem dafür ein, dass Patienten mit seltenen Erkrankungen schneller eine Diagnose und anschließend eine möglichst gute Versorgung erhalten. Bisher dauert dies oft viele Jahre. Deshalb sollen spezialisierte medizinische Einrichtungen - etwa an Universitätskliniken - durch Ausschöpfung ihrer Möglichkeiten rasch eine Diagnose stellen und mit der Therapie beginnen, die der Patient anschließend wohnortnah weiter erhalten kann. Für diese Ziele sollten alle NAMSE-Beteiligten im Sinne der Patienten mit seltenen Erkrankungen an einem Strang ziehen.

Weitere Informationen zu Orphan Drugs unter www.vfa.de/orphans-presse:

  • Fakten zu Orphan Drugs
  • Liste aller Medikamente mit Orphan Drug-Status
  • Liste aller Orphan-Krankheiten, gegen die vfa-Unternehmen bis 2019 neue Medikamente herausbringen möchten.

Der vfa ist der Verband der forschenden Pharma-Unternehmen in Deutschland. Er vertritt die Interessen von 45 weltweit führenden Herstellern und ihren über 100 Tochter- und Schwesterfirmen in der Gesundheits-, Forschungs- und Wirtschaftspolitik. Die Mitglieder des vfa repräsentieren rund zwei Drittel des gesamten deutschen Arzneimittelmarktes und beschäftigen in Deutschland mehr als 76.000 Mitarbeiter. Mehr als 16.000 davon arbeiten in Forschung und Entwicklung. Folgen Sie uns auf Twitter:www.twitter.com/vfapharma