Therapeutische Medikamente gegen die Coronavirusinfektion Covid-19
Gegen die Pandemie mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 werden nicht nur Impfstoffe entwickelt, sondern auch vorhandene Medikamente erprobt und neue erfunden.
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In unserer neuesten Podcast-Folge der #vfaTonspur befragt Radiojournalist Philipp Eins den Forschungssprecher des vfa, Dr. Rolf Hömke, genau zu diesem Thema:
Laufende Projekte für das Umwidmen therapeutischer Medikamente
Auch wenn die Entwicklung von Impfstoffen gegen das neue Coronavirus mit nie gekannter Geschwindigkeit vorangeht, richten sich Hoffnungen darauf, dass es auch gelingt, Medikamente zur Behandlung bereits Infizierter zu finden. Im Fokus stehen da insbesondere Arzneimittel, die schon gegen eine andere Krankheit zugelassen oder zumindest in Entwicklung sind. Denn sie umzufunktionieren kann schneller gelingen als eine grundständige Neuentwicklung. Pharmaforscher sprechen von einem "Repurposing" der Medikamente. Bei Covid-19 gehören diese Medikamente meist zu einer der folgenden vier Gruppen:
- Antivirale Medikamente, die ursprünglich gegen Ebola, Hepatitis C, Grippe, SARS oder MERS (zwei andere Coronaviren-Krankheiten) entwickelt wurden. Sie sollen verhindern, dass die Viren in Körperzellen eindringen oder sich dort vermehren.
- Herz-Kreislauf-Medikamente, die z. B. gegen Blutgerinnsel oder Herzkrankheiten entwickelt wurden. Sie sollen Komplikationen durch eine Covid-19-Erkrankungen verhindern.
- Dämpfende Immunmodulatoren, die z. B. gegen Rheumatoide Arthritis oder entzündliche Darmerkrankungen entwickelt wurden. Sie sollen bei schwerem Lungenbefall die Abwehrreaktionen des Körpers so begrenzen, dass diese nicht noch mehr Schaden anrichten als die Viren selbst.
- Medikamente für Lungenkranke, die z. B. gegen Lungenfibrose entwickelt wurden. Sie sollen verhindern, dass die Lunge der Patienten das Blut nicht mehr mit genug Sauerstoff versorgen oder sich nicht richtig reparieren kann.
Dazu kommen noch Projekte für ein Repurposing von Medikamenten aus anderen Arzneimittelgruppen sowie Projekte zur Neuentwicklung von Medikamenten, siehe unten. Dort finden sich auch genauere Angaben zu einigen Projekten zum Repurposing.
Es geht dabei nicht einfach darum, ob die Medikamente gegen Covid-19 wirksam sind oder nicht, sondern genauer, in welchem Krankheitsstadium sind von Nutzen sind. Medikamente, die im Frühstadium (leichte Infektion ohne Atemprobleme) hilfreich sind, könnten bei Patienten mit schwerer Lungenentzündung unwirksam oder sogar schädlich sein – oder umgekehrt. So sind die dämpfenden Immunmodulatoren vermutlich nur bei Patienten mit schwerer Lungenentzündung angebracht, während sie bei leichter Erkrankung die Virusabwehr nachteilig schwächen würden. Manche Medikamente sind möglicherweise gar nicht therapeutisch einsetzbar, schützen aber vor Ansteckung. Das alles ist auch zu berücksichtigen, wenn sich Nachrichten über einen Misserfolg mit einem Medikament verbreiten.
Weltweiter Zugang zu Covid-19-Medikamenten
Die Medikamente werden überall da gebraucht, wo Menschen an Covid-19 erkranken. Am 30. September traten die Bill-and-Melinda-Gates-Foundation und 16 Pharma- und Diagnostika-Unternehmen der Befürchtung entgegen, dass sie sich bei der Entwicklung solcher Mittel allein auf die Bedürfnisse und Möglichkeiten der Industrienationen konzentrieren, mit der Erklärung "Commitments to Expanded Global Access for COVID-19 Diagnostics, Therapeutics, and Vaccines". Die Unterzeichner bekennen sich dazu, Innovationen für Patienten weltweit zu entwickeln, auf Bezahlbarkeit und rasche Verfügbarkeit für alle Länder hinzuarbeiten, Mechanismen für eine faire weltweite Ressoucenverteilung zu unterstützen und das Vertrauen in die Covid-19-Medikamente und -Diagnostika zu stärken, indem sie Sicherheit zur höchsten Anforderung an jedes Produkt machen.
Schnell Klarheit über die Eignung der Medikamente gewinnen
Welche Medikamente wirklich sinnvoll gegen Covid-19 eingesetzt werden können, lässt sich nur mit klinischen Studien mit Freiwilligen klären. In die ersten dieser Studien – in China und andernorts – wurden allerdings meist nur wenige Dutzend Patienten einbezogen; und oft gab es auch keinen direkten Vergleich mit Patienten, die nur die medizinische Grundbehandlung ohne zusätzliches Medikament erhielten. Solche Studien ließen sich zwar schnell einrichten, doch waren ihre Resultate uneindeutig.
Die Europäische Arzneimittelzulassungsbehörde EMA hat daher schon früh an Unternehmen und Forschungseinrichtungen appelliert, für ihre Medikamente möglichst multinationale, mehrarmige, kontrollierte und randomisierte Patienten-Studien zu organisieren:
- "multinational" bedeutet, dass medizinische Einrichtungen in mehreren Ländern daran mitwirken.
- "mehrarmig" und "kontrolliert" bedeutet, dass die Patientinnen und Patienten in Gruppen eingeteilt werden, die jeweils eine andere Behandlung erhalten: Alle erhalten zwar die gleiche medizinische Grundbehandlung, doch jede Gruppe bis auf eine erhält zusätzlich jeweils eins der zu erprobenden Medikamente. Bei der letzten Gruppe (der Kontrollgruppe) bleibt es hingegen bei der mediznischen Grundbehandlung.
- "randomisiert" bedeutet, dass die teilnahmewilligen Patienten nach dem Zufallsprinzip einer der Gruppen zugeteilt werden.
Solche Studien, so die EMA, würden im Vergleich zu Kleinstudien mit höherer Wahrscheinlichkeit zu klaren Ergebnissen über die Eignung von Medikamenten führen; Ergebnissen, die dann auch eine Zulassung der Medikamente gegen Covid-19 erlauben. Sie lassen sich so gestalten, dass unterwegs "Studienarme" (also Behandlungsarten im Rahmen der Studie) beendet oder auch neue hinzugefügt werden können.
Mitte August 2020 wurde das auf fünf Jahre angelegte IMI-Projekt CARE (Corona Accelerated R&D in Europe) gestartet. Es umfasst 37 Mitwirkende aus der EU, China, Großbritannien, der Schweiz und den USA. Unter Koordination durch VRI-Inserm sowie die Unternehmen Janssen und Takeda erforscht und entwickelt dieses Konsortium Mittel gegen Covid-19, und zwar Antikörper, die das Virus neutralisieren, und niedermolekulare Substanzen, die direkt gegen das Virus wirken sollen. Es prüft aber auch, ob das Umwidmen vorhandener (zugelassener oder gegen andere Krankheiten in Entwicklung befindlicher) Medikamente gegen Covid-19 sinnvoll ist. Dieses IMI-Projekt hat ein Volumen von 77,7 Millionen Euro (EU-Mittel sowie Geld- und Sachbeiträge der Pharmafirmen).
HINTERGRUND: Arzneimittelentwicklung in Zeiten der Corona-Krise
Alle Aufmerksamkeit richtet sich auf die Entwicklung von Arzneien gegen Covid-19. Über die Hunderte von Projekten gegen andere Krankheiten wird deshalb aktuell wenig berichtet. Werden überhaupt noch Studien fortgesetzt oder neu begonnen?
Fragen an Dr. Siegfried Throm, Geschäftsführer Forschung des vfa
Beispiele für Medikamente, deren Umwidmung erprobt oder erwogen wird
Eine Übersicht über alle laufenden Projekte für Medikamente und Impfstoffe gegen COVID-19 pflegt das US-amerikanische Milken Institute. Zu einigen davon finden sich hier weitere Informationen; die vfa-Aufstellung erhebt aber keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
Antivirale Medikamente
Remdesivir wurde von Gilead Sciences ursprünglich gegen Ebola-Infektionen entwickelt (gegen die es sich nicht bewährt hat), zeigte aber im Labor auch Wirksamkeit gegen MERS-Viren. In mehreren klinischen Studien war das Medikament imstande, bei Studienteilnehmern in bestimmten Krankheitsstadien die Krankheitsdauer um einige Tage zu verkürzen. Daraufhin erhielt das Medikament für die Covid-19-Behandlung u.a. eine Emergency-Use-Zulassung in den USA, eine Zulassung in Japan und im Juli auch eine bedingte Zulassung in der EU. In einer von der WHO durchgeführten multinationalen Studie (dem SOLIDARITY-Trial, siehe unten) wurde jedoch vorläufigen Ergebnissen zufolge kein solcher Effekt beobachtet. Wie diese Diskrepanz zu verstehen ist, wird derzeit untersucht; möglicherweise zeigt sich, dass die Krankheitsstadien noch genauer gefasst werden müssen, in denen das Medikament eine Wirkung zeigt.
Die Nachfrage nach dem Medikament ist weltweit hoch; auch die EU hat größere Mengen bestellt. Aber der Hersteller hat gleich mehreren anderen Unternehmen die Lizenz für Produktion und Vertrieb eigener Remdesivir-Medikamente für bestimmte Regionen der Welt erteilt.
Favipiravir (= Favilavir) von FUJIFILM Toyama Chemical hatte zunächst nur eine Zulassung für die Grippetherapie (in Japan und China) und ist in Japan nur für die Zweitlinientherapie vorgesehen (wenn andere Grippe-Medikmente nicht oder ungenügend wirksam sind). Nach entsprechenden Studien wurde ein darauf beruhendes Medikament des russischen Unternehmens Khimrar in Russland für die Covid-19-Therapie zugelassen. Fujifilm Toyama Chemical will nun ebenfalls nach positiven Studienergebnissen eine Zulassungserweiterung in Japan beantragen: Mit dem Medikament ließ sich in einer Studie mit nicht schwer an Lungenentzündung erkrankten Patienten die Zeit bis zum Abklingen der Symptome oder dem Sinken der Viruslast unter die Nachweisgrenze im Schnitt um einige Tage verkürzen. Die japanischen Arzneimittelbehörden stufen die Evidenz für das Mittel allerdings als "inconclusive" ein. Schwangere und stillende Frauen dürfen das Mittel nicht einnehmen.
Molnupiravir (= MK-4482) wurde von MSD ebenfalls zunächst für die Grippetherapie entwickelt, dort aber nicht bis zur Zulassung gebracht. Nun wird es nach positiven Versuchen mit Frettchen und Phase-I-Ergebnissen mit Freiwilligen in Phase II/III-Studien mit ambulant bzw. stationär behandelten Coivd-19-Patienten erprobt.
Ebenfalls eigentlich gegen Grippe in Entwicklung ist ATR-002, ein Kinaseinhibitor (genauer: ein MEK-Inhibitor) des Unternehmens Atriva Therapeutics in Tübingen mit antiviraler und immunmodulatorischer Wirkung. Anfang Januar 2021 beginnt die Erprobung in einer Phase-II-Studie mit stationär behandelten Patienten mit mittelschwerem bis schwerem Covid-19 in Deutschland und anderen Ländern.
Atea Pharmaceuticals (USA) hat den chemisch-synthetische Wirkstoff AT-527 (ein Purin-Nukleotid-Derivat, das RNA-Polymerasen hemmt) ursprünglich gegen Hepatitis-C-Viren entwickelt (und da Phase II erreicht). Nun erprobt das Unternehmen AT-527 in einer Phase-II-Studie gegen SARS-CoV-2 und kooperiert dabei mit dem Unternehmen Roche (Schweiz).
APEIRON Biologics (Wien) erprobt das Medikament Alunacedase alfa (= APN01 oder rhsACE2) in einer klinischen Studie mit Patienten (Phase II) in Deutschland, Österreich und Dänemark. Der Wirkstoff – eine gentechnisch hergestellte, lösliche Form des humanen Angiotensin-Coverting-Enzyms 2 – ist aus der SARS-Forschung hervorgegangen und wurde zwischenzeitlich schon mit Patienten mit anderen Lungenerkrankungen erprobt. Es blockiert ein Molekül auf den Viren, das diese zum Eindringen in Lungenzellen benötigen und hilft zusätzlich dabei, Lungenschäden durch Entzündungsreaktionen zu vermeiden. Ergebnisse liegen bisher nur aus einer Fallstudie vor.
Nicht gegen Covid-19 bewährt hat sich hingegen ein älteres HIV-Medikament mit der Wirkstoffkombination Lopinavir / Ritonavir. Es war unter anderem im SOLIDARITY Trial erprobt worden (siehe unten).
Manche Medikamente bekämpfen Viren nicht direkt, sondern sollen die körpereigene Virenabwehr stärken. Eins davon entwickelt das deutsche Unternehmen AiCuris: Sein stimulierender Immunmodulator enthält Parapoxviren und ist ursprünglich zur Behandlung von Hepatitis B entwickelt worden; dafür hat es auch bereits eine Phase-I-Studie mit Patienten absolviert. Nun soll es mit einigen asymptomatischen Corona-Patienten getestet werden, in Erwartung einer verstärkten Immunreaktion.
Bereits in verschiedenen Studien getestet wurde eine Gruppe anderer Immunmodulatoren: die Interferone. Sie sind gentechnisch hergestellte Varianten körpereigener Botenstoffe. Biochemiker unterteilen sie in mehrere Untergruppen, von denen gegen SARS-CoV-2 die Alpha- und die Beta-Interferone von Bedeutung sind:
- Alpha-Interferone: In Studien mit Covid-19-Patienten wurden Medikamente mit den Wirkstoffen Interferon alpha-1b, Interferon alpha-2b (der kubanischen Firma BioCubaFarma und der kubanisch-chinesischen Firma Changchun Heber Biological Technology), Peg-Interferon-alpha-2a (von Roche), Peg-Interferon-alpha-2b oder Novaferon (von der chinesischen Firma Genova Biotech) allein oder zusätzlich zu anderen Medikamenten eingesetzt. Teilweise wurde das jeweilige Alpha-Interferon in inhalierbarer Form verabreicht. Alle diese Medikamente haben zumindest in einigen Ländern die Zulassung zur Therapie bestimmter Virusinfektionen, beispielsweise Hepatitis B oder C.
- Beta-Interferone: Gegen Covid-19 erprobt wurden und werden Medikamente mit Interferon beta-1a und Interferon beta-1b. Eine Zulassung zur antiviralen Therapie haben beide Wirkstoffe in der EU nicht, doch in Laborversuchen konnte Interferon beta-1a die Vermehrung der verwandten SARS-Viren aufhalten. Eine inhalierbare Form von Interferon-beta-1a testete das britische Unternehmen Synairgen in einer Phase II-Studie mit Covid-19-Patienten, die noch keine Beatmung benötigten. Nach guten Ergebnissen läuft aktuell eine Phase III-Studie in Großbritannien.
Die bisherigen Ergebnisse mit den Beta-Interferonen sind uneindeutig. In manchen Studien schienen sie das Risiko zu senken, beatmungsbedürftig zu werden, und sie verkürzten im Schnitt den stationären Aufenthalt. Im SOLIDARITY Trial der WHO (siehe unten) schienen sie jedoch für die Patienten keinen Vorteil zu bringen. Möglicherweise ist bei diesen Medikamenten die Wirksamkeit sehr abhängig davon, in welchem Krankheitsstadium sie verabreicht werden.
Herz-Kreislauf-Medikamente
Eine schwere Covid-19-Infektion wirkt sich nicht nur in der Lunge aus, sondern kann auch Auswirkungen auf Herz, Nieren und andere Organe haben. Zudem wurden bei einigen Covid-19-Patienten post mortem Blutgerinnsel gefunden. Gegen solche Komplikationen der Erkrankung werden eine Reihe zugelassener Herz-Kreislauf-Medikamente erprobt. Auch für den Schutz der Lunge könnten sich bestimmte Herz-Kreislauf-Medikamente eignen.
Gegen die Thrombosegefahr bei Covid-19 werden gerinnungshemmende niedermolekulare Heparine eingesetzt und speziell das niedermolekulare Heparin Enoxaparin in einer Reihe von Studien erprobt. Er wurde ursprünglich von Sanofi entwickelt und ist u.a. zugelassen zur Prophylaxe einer venösen thromboembolischen Erkrankung bei Patienten mit Ateminsuffizienz oder schwerer Infektion und eingeschränkter Mobilität, aber auch zur Therapie bestimmter Formen von Akutem Koronar-Syndrom. Das strukturell ähnliche Tinzaparin wie auch unfraktioniertes Heparin werden ebenfalls in Studien erprobt; für das ebenfalls gerinnungshemmende Bivalirudin ist das in Vorbereitung. Ein bislang noch nicht zugelassener Gerinnungshemmer, das Heparinderivat Dociparstat, wird vom Unternehmen Chimerix ebenfalls bei Covid-19-Patienten erprobt. Einer Untersuchung des Hasso Plattner Institute for Digital Health und der Icahn School of Medicine in New York zufolge verbessert die Behandlung mit Gerinnungshemmern in der Tat die Überlebenschancen von schwer erkrankten Covid-19-Patienten.
Auch mit dem Heparin strukturell nicht verwandte Gerinnungshemmer werden erprobt. Dazu zählt Edoxaban, ein direkter oraler Faktor-Xa-Hemmer, der als Zusatz zu niedermolekularen Heparin in Betracht gezogen wird. Ebenfalls erprobt wird Rivaroxaban aus der gleichen Wirkstoffklasse, hergestellt von Bayer, das u. a. zugelassen ist zur Behandlung des Akuten Koronar-Syndroms (ACS); hier geht es darum, ob sich damit Herz-Komplikationen bei Covid-19-Patienten verhindern lassen.
Nachdem retrospektive Vergleiche auf einen möglichen Nutzen von Acetylsalicylsäure (ASS) hindeuteten, wird ASS nun auch in einer klinischen Studie als Therapie für stationär behandelte Covid-19-Patienten erprobt. ASS ist u.a. zugelassen zur Prophylaxe von Herzinfarkten und Schlaganfällen.
Erprobt werden zudem Gerinnsel auflösende Medikamente, u.a. mit den Wirkstoffen Alteplase und Tenecteplase (Boehringer Ingelheim).
Verschiedene medizinische Einrichtungen erproben, ob Blutdrucksenker aus der Klasse der Sartane bei der Überwindung von Lungen- und Herz-Komplikationen von Covid-19 hilfreich sind. Dazu zählen Telmisartan, Valsartan, Losartan und Candesartan. In einer irischen Studie wird allerdings auch geprüft, ob von dieser Klasse von Blutdrucksenkern (wie auch von der Klasse der ACE-Hemmer) vielleicht sogar Gefahren für Covid-19-Patienten ausgehen.
Eine Auswertung von Krankenakten in den USA durch eine Krankenversicherung deutet darauf hin, dass ältere Covid-19-Patienten, die unabhängig von dieser Erkrankung Medikamente aus der Klasse der ACE-Hemmer als Dauertherapie einnahmen, seltener stationär behandelt werden mussten. Deshalb ist nun eine klinische Studie geplant, in der bislang nicht Erkrankte (die bislang auch keinen ACE-Hemmer anwenden) entweder einen niedrig dosierten ACE-Hemmer oder Placebo einnehmen. Erforscht werden soll, ob sich die unterschiedliche Medikation bei Teilnehmern, die später an Covid-19 erkranken, auf den Krankheitsverlauf auswirkt. In einer anderen Studie wird der ACE-Hemmer Ramipril speziell bei stationär behandelten Covid-19-Patienten erprobt. Bislang sind ACE-Hemmer zur Senkung von Bluthochdruck und zur Vorbeugung von Atherosklerose zugelassen.
AstraZeneca erprobt in einer Studie, ob Dapagliflozin das Auftreten schwerer Komplikationen wie Organversagen bei Covid-19-Patienten verhindern kann. Zugelassen ist das Medikament (ein SGLT-Inhibitior) für die Therapie von Diabetes Typ 2; in Studien konnte es aber auch der Entwicklung von Herzinsuffizienz entgegen wirken.
Ambrisentan (ein Endothelinrezeptor-Antagonist) von GSK ist zugelassen zur Behandlung von pulmonaler arterieller Hypertonie; es weitet die Lungengefäße und verbessert so unter anderem die Sauerstoffaufnahme ins Blut. Das Medikament soll nun im Rahmen des TACTIC-E Trials (s.o.) in Kombination mit Dapagliflozin gegen Covid-19 erprobt werden.
CSL Behring wiederum entwickelt derzeit Garadacimab (einen Faktor-XIIa-Hemmer) als Medikament gegen hereditäres Angioödem. Nun erprobt es dieses Medikament auch auf Eignung gegen Lungenversagen bei schwerer Covid-19-Erkrankung.
Dämpfende Immunmodulatoren
Immunreaktionen sind bei Infizierten grundsätzlich erwünscht; sie dürfen nur nicht so exzessiv ausfallen, dass sie in der Lunge mehr Schaden anrichten als helfen. Eine solche überschießende Immunreaktion wird "Zytokin-Sturm" genannt, weil dabei große Mengen von Botenstoffen freigesetzt werden, die Zytokine heißen. In mehreren Projekten zur Covid-19-Therapie geht es deshalb darum, eine solche Immunreaktion mit einem geeigneten Immunmodulator zu dämpfen.
Eine wirksame Abschwächung der Immunreaktionen und damit Senkung der Sterblichkeit bei schwer erkrankten Patienten gelang in einer Studie in UK mit Dexamethason, einem Cortison-Derivat mit bekannter antientzündlicher Wirkung: Da konnte Dexamethason das Sterberisiko bei Patienten, die Sauerstoff benötigen oder sogar künstlich beatmet werden müssen, um ein Fünftel bzw. ein Drittel senken. Eine entsprechende Zulassungserweiterung hat die EMA im September 2020 empfohlen. Auch mit den verwandten Cortison-Derivaten Hydrocortison und Methylprednisolon wurden in Studien Therapieverbesserungen erzielt.
Das Jenaer Unternehmen InflaRx entwickelt derzeit das Medikament Vilobelimab (IFX-1) u.a. für die Behandlung verschiedener Entzündungskrankheiten; mehrere Studien mit Patienten wurden schon durchgeführt. In seiner Erprobung für die Covid-19-Therapie hat im September 2020 die Phase III innerhalb einer Phase-II/III-Studie begonnen – in den Niederlanden, in Deutschland und Peru. Es wird geprüft, ob Vilobelimab auch schwer an Covid-19 Erkrankten helfen kann. Der Wirkstoff ist ein monoklonaler Antikörper und spezifischer Inhibitor von C5a, einer Komponente des Komplementsystems, das wiederum zum menschlichen Immunsystem gehört.
Das Unternehmen Alexion wie auch die Univerität Cambridge (UK) erproben einen weiteren C5a-Inhibitor bei Covid-19-Patienten mit schwerer Lungenentzündung: Ravulizumab. Zugelassen ist das Medikament zur Behandlung der seltenen paroxysmalen nächtlichen Hämoglobinurie (PNH).
Und auch UCB erprobt einen C5-Inhibitor mit Patienten mit schwerer Covid-19-Erkrankung. Der Wirkstoff Zilucoplan war schon länger gegen Myasthenia Gravis (Phase III), Immune-Mediated Necrotizing Myopathy (IMNM), Amyotrophe Lateralsklerose (ALS) und andere Komplement-assoziierte Krankheiten in Entwicklung. Für das neue Projekt kooperiert das Unternehmen im Rahmen der COVID R&D Alliance.
An ähnlicher Stelle greift der C3-Inhibitor AMY-101 ins Komplementsystem ein. Amyndas Pharmaceuticals erprobt dieses Wirkstoff ebenfalls bei Covid-19-Patienten mit schwerer Lungenentzündung.
Uneinheitliche Studienergebnisse wurden von der Behandlung von Patienten mit Lungenentzündung durch Covid-19 berichtet, die mit dem Interleukin-6-Antagonisten Tocilizumab von Roche behandelt wurden: Während in einigen weniger Patienten beatmungspflichtig wurden oder starben, konnten andere Studien diesen Vorteil nicht finden. Ein Studie mit schwerkranken Patienten fand wiederum eine Senkung der Lebensgefahr.
Gleiches gilt für den Interleukin-6-Antagonisten Sarilumab von Sanofi: Auch mit ihm konnte in einer Studie mit schwerkranken Patienten die Gefahr, die Krankheit nicht zu überleben, gesenkt werden.
Auch ein direkt gegen Interleukin-6 gerichteter Wirkstoff wird nach positiven Resultaten in einer kleineren Studie jetzt in der Phase-III-Studie SILVAR mit schwer erkrankten Patienten erprobt: Siltuximab von EUSA Pharma. Das Medikament enthält einen Interleukin-6 neutralisierenden Antikörper und ist zur Behandlung der multizentrischen Castleman-Krankheit, einer Form von Lymphknotentumoren, zugelassen.
Novartis führt eine klinische Studie mit seinem Immunmodulator Canakinumab (einem Interleukin-1-beta-Blocker) in vielen Ländern durch, u.a. auch in Deutschland. Das Medikament ist zugelassen zur Behandlung mehrerer Autoimmunkrankeiten – darunter verschiedenen periodischen Fiebersyndromen, Still-Syndrom, systemische juvenile idiopathische Arthritis – und Gichtarthrititis.
In der ACTIV-5-Studie in den USA wird auch Risankizumab erprobt, das Interleukin-23 bindet und zugelassen ist zur Behandlung der Autoimmunkrankheit Schuppenflechte.
Der TNF-alpha-Inhibitor Adalimumab, der u.a. gegen Rheumatoide Arthritis zugelassen ist, wird ebenfalls mit Patienten erprobt mit dem Ziel, ein Fortschreiten der Krankheit in ein schweres oder kritisches Stadium zu verhindern. Das knüft an der Beobachtung an, dass Patienten unter Dauertherapie mit Adalimumab wegen einer Autoimmunkrankheit bei Infektion mit SARS-CoV-2 mildere Krankheitsverläufe zeigen. In der britischen Studie AVID-CC wird Adalimumab von Sandoz eingesetzt.
Als weiterer TNF-alpha-Inhibitor soll Infliximab erprobt werden, im Rahmen des ACTIV-1 Trial der US-amerikanischen National Institutes of Health (NIH). Das Unternehmen Janssen stellt ihn dafür zur Verfügung.
Zu den das Immunsystem dämpfenden Wirkstoffen zählt auch der monoklonale Antikörper Lenzilumab von Humanigen (USA). Er hemmt GM-CSF, den Granulozyten-Makrophagen-Kolonie-stimulierenden Faktor. Dieses Protein gehört zu den Zytokinen. Die Wirkung des Antikörpers wird aktuell in einer Phase-III-Studie untersucht.
GSK erprobt seinen Immunmodulator Otilimab in einer Studie mit Covid-19-Patienten. Dieser GM-CSF-Inhibitor wurde ursprünglich von Morphosys entwickelt und dann gegen Rheumatoide Arthritis erprobt; die Zulassung dafür steht aber noch aus.
Abatacept von Bristol Myers Squibb hemmt die volle Aktivierung von T-Zellen und ist bereits gegen Rheumatoide und Psoriasis-Arthritis zugelassen. Das Medikament wird künftig im Rahmen des ACTIV-1 Trial der US-amerikanischen National Institutes of Health bei Covid-19-Patienten erprobt.
Der Wirkstoff Leronlimab von CytoDyn ist ein CCR5-Antagonist, er blockiert einen Rezeptor an der Oberfläche bestimmter Immunzellen. In einer Phase II-Studie ließ sich damit die gesundheitliche Situation von mild bis mäßig an Covid-19 Erkrankten verbessern. Der Hersteller führte daraufhin eine Phase-III-Studie mit schwer Erkrankten durch und beantragte bei der FDA eine Emergency-Use-Zulassung. Bis darüber entschieden ist, können neue Patienten mit schweren Symptomen in den Krankenhäusern, die an der Studie teilnahmen, mit Leronlimab behandelt werden. Außerdem testet die Firma, ob sich mit Leronlimab auch Spätfolgen bei Covid-19-Patienten bessern, die die Infektion schon lange hinter sich haben. Entwickelt wurde der Antikörper Leronlimab seit längerem gegen HIV und dreifach-negativen Brustkrebs, wofür er auch schon in Studien erprobt wird. Die Wirksamkeit gegen HIV beruht allerdings nicht auf einer dämpfenden Immunmodulation, sondern darauf, dass der Wirkstoff den AIDS-Viren den Zugang zu den Immunzellen verwehrt, die sie sonst infizieren würden.
Ebenfalls an CCR5, aber zusätzlich noch am Rezeptor CCR2 setzt Cenicriviroc an. Die ist ein Wirkstoff, der derzeit von AbbVie gegen andere Krankheiten entwickelt und in Studien getestet wird, der aber noch keine Zulassung hat. Das Unternehmen stellt ihn nun für die Erprobung mit Covid-19-Patienten im Rahmen des ACTIV-1 Trial der National Institutes of Health in den USA zur Verfügung. Eine Phase II-Studie wurde an der Charité Berlin durchgeführt.
Das deutsche Unternehmen Merck wird M5049, einen Immunmodulator vom Typ TLR7/8-Inhibitor, in einer Studie mit stationär behandelten Covid-19 erkrankten Patienten in den USA und Brasilien erproben. Er wurde schon zuvor vom Unternehmen gegen verschiedene Immunkrankheiten erprobt. Bislang gibt es noch kein zugelassenes Medikament dieser Arzneimittelklasse.
Ein anderer dämpfender Immunmodulator ist MK-7110 (CD24Fc) von MSD. Ursprünglich wurde dieser Wirkstoff zur Behandlung der Graft-versus-Host-Disease entwickelt und hierfür auch schon erfolgreich in einer Phase II-Studie erprobt. Seit September wird in einer Phase III-Studie auch geprüft, ob damit auch stationäre behandelte Covid-19-Patienten wirksam vor überschießenden Immunreaktionen bewahrt werden können. Strukturell gesehen ist MK-7110 ein künstliches Protein, dass aus dem "Fußteil" eines Antikörpers und aus einem Stück des Zelloberflächenproteins CD24 fusioniert wurde. Er setzt am angeborenen Immunsystem an und hemmt die Ausschüttung von Zytokinen.
Erprobt wird in den USA auch Fosamatinib von Rigel Pharmaceuticals. Dieser SYK-Inhibitor (Hemmer der Milz-Tyrosinkinase) kann bestimmte Immunreaktionen dämpfen, darunter die Bildung netzartiger Strukturen aus DNA und Proteinen – den NETs – durch bestimmte weiße Blutkörperchen. Diese Mechanismus gehört zur angeborenen Immunabwehr. Zugelassen ist der Wirkstoff bislang gegen chronische Immunthrombozytopenie (Thrombozyten-Mangel). Fehlgeleitete Immunreaktionen mit der Bildung von NETs tragen wesentlich zur Gefährlichkeit des schweren Stadiums eine Covid-19-Erkrankung bei, weil sie die Bildung von Thrombosen fördern. Das wurde unter anderem an der Universität Nürnberg-Erlangen entdeckt.
Amgen erprobt bei stationär behandelten Covid19-Patienten im Rahmen der COMMUNITY-Studie Apremilast, einen Phosphodiesterase-IV-Inhibitor (PDE4-Inhibitor). Das Medikament ist zur oralen Behandlung von Psoriasis und Psoriasis-Arthritis zugelassen. Für das neue Projekt kooperiert das Unternehmen im Rahmen der COVID R&D Alliance.
Die Immunreaktionen dämpfen soll auch Lanadelumab, ein Anti-Kallikrein-Antikörper von Takeda, der noch keinerlei Zulassung hat. Das Unternehmen erprobt ihn im Rahmen der gleichen COMMUNITY-Studie der COVID R&D Alliance bei stationär behandelten Covid-19-Patienten. Das Medikament soll zusätzlich Flüssigkeitsansammlungen in der Lunge entgegen wirken.
Die Immunreaktionen dämpfen soll auch Lanadelumab, ein Anti-Kallikrein-Antikörper von Takeda. Er wurde zur Behandlung des seltenen heriditären Angioödems entwickelt und in Studien getestet, hat aber noch keine Zulassung. Das Unternehmen erprobt ihn im Rahmen COMMUNITY-Studie der COVID R&D Alliance bei stationär behandelten Covid-19-Patienten. Das Medikament soll zusätzlich Flüssigkeitsansammlungen in der Lunge entgegen wirken.
Das US-amerikanisch/deutsche Unternehmen Immunic Therapeutics erprobt seinen Immunmodulator IMU-838 in zwei Phase II-Studien mit stationär behandelten Covid-19-Patienten (einmal als Monotherapie, einmal in Kombination mit Oseltamivir). Der Wirkstoff hemmt als selektiver oraler Inhibitor des Enzyms DHODH (Dihydroxyorotat-Dehydrogenase) den Stoffwechsel in aktivierten T- und B-Zellen, was die Immunantwort bremst. Andere Immunzellen beeinflusst IMU-838 kaum. Das Medikament war bislang in Entwicklung als Mittel gegen schubförmige Multiple Sklerose und andere Autoimmunkrankheiten. Es zeigte in Zellkulturen auch Wirkung gegen AIDS-, Hepatitis C- und Influenza-A-Viren.
Die Unternehmen Sanofi und Denali Therapeutics erproben den Immunmodulator DNL758 in einer Phase Ib-Studie mit Covid-19-Patienten. Dieser Inhibitor von RIPK1, einem Molekül aus einem immunrelevanten Signalweg, wird seit 2018 gegen verschiedene Entzündungskrankheiten erprobt.
Die Unternehmen Lilly und Incyte erproben ihren Januskinase-Inhibitor Baricitinib (z.T. Kombination mit Remdesivir) bei stationär behandelten Covid-19-Patienten. Er hat bislang nur eine Zulassung gegen Rheumatoide Arthritis. In einer Studie ließ sich durch die Verabreichung beider Medikamente im Vergleich zu Remdesivir alleine die Genesungszeit verkürzen. Sehr schwer Erkrankte profitierten deutlicher als Patienten mit leichteren Symptomen. In den USA wurde die Kombinationstherapie zur Notfallanwendung bei Patienten mit Covid-19 zugelassen. Eine Studie zur Behandlung mit Baricitinib allein ist noch nicht abgeschlossen. Auch deutsche Kliniken sind an der Erprobung von Baricitinib gegen Covid-19 beteiligt.
In einer Studie ließ sich die Genesungszeit von stationär behandelten Covid-19-Patienten mit der Kombination von Remdesivir und Baricitinib noch weiter verkürzen als mit Remdesivir allein.
Analog erprobt auch Novartis seinen Januskinase-Inhibitor Ruxolitinib in Studien mit dieser Patientengruppe – unter Beteiligung deutscher medizinischer Einrichtungen. Zugelassen ist Ruxolitinib zur Behandlung bestimmter Krebsarten; zudem wird es gegen Graft-versus-Host-Disease erprobt, bei der es ebenfalls um eine überschießende Immunreaktion geht.
Ebenfalls als Krebsmedikament in Entwicklung ist Opaganib von RedHill (Israel). Dieser Sphingosinkinase-2 (SK2)-Inhibitor hat in vorklinischen Studien eine entzündungshemmende, aber auch eine antivirale Wirkungen gezeigt. Das könnte für die Behandlung einer Covid-19-bedingten Lungenentzündung hilfreich sein. Das Medikament wurde in Italien über ein Härtefallprogramm verfügbar gemacht und soll auf seine Eignung erprobt werden.
Ebenfalls als Krebsmedikament in Entwicklung ist Opaganib von der israelisch/US-amerikanischen Firma RedHill Biopharma. Dieser Sphingosinkinase-2 (SK2)-Inhibitor hat in vorklinischen Studien eine entzündungshemmende, aber auch antivirale Wirkung gezeigt. Das könnte für die Behandlung einer Covid-19-bedingten Lungenentzündung hilfreich sein. Das Medikament wurde in einer Phase-II-Studie in den USA erprobt. Erste Analysen der Studie weisen positive Resultate aus.
Auch Acalabrutinib, ein Brutontyrosinkinase-Inhibitor des Unternehmens AstraZeneca, wurde für die Krebstherapie entwickelt und hat eine Zulassung zur Therapie bestimmter Leukämien. Nun erprobt das Unternehmen ihn zur Dämpfung überschießender Immunreaktionen bei Covid-19 in einer klinischen Studie.
Zanubrutinib ist ebenfalls ein Brutontyrosinkinase-Inhibitor, der ursprünglich gegen eine Krebsart (Mantelzell-Lymphom) entwickelt wurde. Nun wir er vom chinesischen Unternehmen BeiGene bei Patienten mit schwerer Covid-19-Infektion erprobt.
In über 25 klinischen Studie wurde und wird Colchicin als Mittel gegen überschießende Immunreaktionen erprobt. In einer kleineren Studie in Griechenland hat das Mittel die Erholung schwer erkrankter Covid-19-Patienten beschleunigt. Jetzt ist der Wirkstoff im adaptiven mehrarmigen Recovery-Trial (UK) in Erprobung. Auch das Montreal Heart Institute leitet eine Studie. Colchicin dämpft die Aktivität bestimmter Immunzellen und die Bildung des Immunaktivators Cytokin. Das Mittel ist zugelassen gegen Gicht und in manchen Ländern auch gegen Herzbeutelentzündung.
Immunzellen (Makrophagen und Dendritische Zellen) setzt das israelische Unternehmen Enlivex ein, um das Immunsystem im Fall eines Zytokinsturms wieder herunter zu dimmen. Sein Zelltherapeutikum Allocetra war vor der Pandemie schon gegen Sepsis in Entwicklung. Nach erfolgreicher Erprobung mit wenigen Patienten ist eine Phase-II-Studie geplant.
Einen Immunmodulator ganz neuer Art stellt EDP1815 von Evelo Biosciences dar. Es enthält das natürlich vorkommende menschliche Darmbakterium Prevotella histicola, das aus dem Dünndarm eines Spenders isoliert wurde. Botenstoffe von EDP1815 können aus dem Darm heraus die Bildung bestimmter Zytokine dämpfen, ohne zugleich auch die Produktion von Typ-1-Interferonen herunterzuregeln, die die Virenabwehr stärken. Das Medikament wird gegen Autoimmunkrankheiten wie Schuppenflechte und atopische Dermatitis entwickelt, wird nun aber auch in UK in der Studie Tactic-E gegen Covid-19 erprobt (siehe unten).
Medikamente für Lungenkranke
Eins dieser Medikamente enthält den Wirkstoff Aviptadil. Das Schweizer Unternehmen Relief Therapeutics entwickelt damit schon seit einigen Jahren ein Medikament zur Therapie des akutes Atemnotsyndroms (ARDS) und erreichte damit bereits Phase III.
Der Wirkstoff wirkt u.a. antientzündlich und schützt vermutlich einen bestimmten Typ von Lungenzellen (Alveolar Typ-2-Zellen), der für das Aufrechterhalten der Lungenfunktion besonders wichtig ist, vor Virusbefall. Nun wird es in Studien der Unternehmen Relief Therapeutics und NeuroRx (USA) bei intensivmedizinisch behandelten COVID-19-Patienten mit akutem Lungenversagen erprobt. Erste Tests zeigten, dass sich der Zustand beatmeter Covid-19-Patienten schnell und deutlich besserte. Von der FDA erhielt der Wirkstoff eine Notfallzulassung. Eine Phase-II-Studie läuft.
Das kanadische Unternehmen Algernon Pharmaceuticals erprobt sein Medikament NP-120 (Ifenprodil) auf Eignung bei schwerkranken Covid-19-Patienten, die Sauerstoffzufuhr benötigen. Ifenprodil ist mittlerweile patentfrei in Japan und Südkorea zugelassen gegen neurologische Krankheiten. Algernon entwickelt mit diesem Wirkstoff seit einiger Zeit ein Medikament gegen idiopatische Lungenfibrose.
Das kanadische Unternehmen Algernon Pharmaceuticals erprobt sein Medikament Ifenprodil (NP-120) auf Eignung bei schwerkranken Covid-19-Patienten, die Sauerstoffzufuhr benötigen. Eine Phase III-Studie hat begonnen. Der Wirkstoff bindet an den GluN2B-Rezeptor. Man nimmt an, dass damit die schädliche Überaktivierung des Immunsystems verhindert werden kann. Ifenprodil ist patentfrei in Japan und Südkorea gegen neurologische Krankheiten zugelassen. Algernon entwickelt mit diesem Wirkstoff seit einiger Zeit ein Medikament gegen idiopathische Lungenfibrose, eine Erkrankung, die durch eine zunehmende Atemnot gekennzeichnet ist.
Das Wiener Biotech-Unternehmen Apeptico will seinen Wirkstoff Solnatide gegen aktutes Lungenversagen (ARSD) auf Eignung für Covid-19-Patienten mit schweren Lungenschäden erproben. Es soll die Dichtigkeit von Membranen im Lungengewebe wiederherstellen.
Auch Boehringer Ingelheim arbeitet an einem Medikament, das im Fall von akutem Atemnotsyndrom bei Covid-19 eingesetzt werden soll, um die Funktionstüchtigkeit der Lunge aufrecht zu erhalten: BI 764198, ein Inhibitor des Rezeptor-Potential-Kationenkanals 6 (TRPC6). Es wurde zur Therapie einer anderen Krankheit schon vor der Pandemie bis einschließlich Phase I entwickelt und erprobt. Nun soll ein Phase-II-Studie mit Covid-19-Patienten beginnen.
Boehringer Ingelheim erprobt außerdem in einer Phase-III-Studie mit Patienten, ob ein schon gegen andere Formen von Lungenfibrose zugelassenes Medikament mit Nintedanib auch gegen eine Vernarbung der Lunge (Fibrose) wirksam ist, zu der es bei Covid-19 kommen kann.
Das US-amerikanische Unternehmen Bioxytran entwickelt derzeit ein Medikament mit dem Wirkstoff BXT-25 für Patienten mit ARDS. Es kann voraussichtlich die Sauerstoffaufnahme in einer geschädigten Lunge verbessern und Patienten helfen, die sonst nur noch über eine künstliche Lunge zureichend mit Sauerstoff versorgt werden können. Das Unternehmen möchte sein Medikament mit einem Partner auch für schwerkranke Patienten mit Covid-19 erproben.
Gegen durch Covid-19 verursachte Undichtigkeiten in den Blutgefäßen der Lunge und in anderen Organen soll der Peptid-Wirkstoff FX06 des Wiener Unternehmen MChE/F4-Pharma wirksam sein. Eine klinische Studie ist in Vorbereitung. Entwickelt wurde das Medikament zur Behandlung anderer Gefäßkrankheiten, wofür es bereits in klinischen Studien erprobt wurde.
In den USA wurde für das Beatmungsgerät des Unternehmens Bellerophon Therapeutics zugelassen, die Atemnot bei Covid-19-Patienten durch Beimengung von etwas Stickstoffmonoxid zur Atemluft zu lindern. Dieses Gas, das der Körper selbst als Botenstoff bildet, kann durch Muskelentspannung die Blutgefäße in den Lungen weiten. Dieses Vorgehen zeigte schon während der SARS-Epidemie positive Efffekte.
Medikamente anderer Art
Einige Medikamente, für die ein Repurposing vorgeschlagen ist, lassen sich in keine der genannten Katergorien einordnen. Sie werden erprobt, weil man sich trotzdem von ihnen eine antivirale oder immundämpfende Wirkung erwartet. Manche Medikamente ließen sich auch mit gleicher Berechtigung gleichzeitig in mehrere der obenstehenden Kategorien einsortieren.
Das Heidelberger Unternehmen Apogenix erprobt sein Medikament mit dem Wirkstoff Asunercept, einem CD95L-Inhibitor, in Phase-II-Studien in Russland, Spanien, Wien, Köln und London bei stationär behandelten Covid-19-Patienten. Das Medikament ist eigentlich zur Behandlung verschiedener Krebsarten in Entwicklung, bei denen es das Immunsystem in der Krebsbekämpfung unterstützt; es hat noch keine Zulassung. Bei COVID-19-Patienten wirkt es unter anderem dem Absterben von Lungenepithelzellen entgegen.
Medikamente mit Camostat oder Nafamostat haben in Japan eine Zulassung gegen Bauchspeicheldrüsenentzündung. Forscher eines deutschen Konsortiums von Forschungseinrichtungen unter Führung des Deutschen Primatenzentrums in Göttingen haben aber festgestellt, dass sie im Labor ein Enzym von Lungenzellen hemmen (die transmembrane Serinprotease 2), das für das Eindringen der SARS-CoV-2-Viren essenziell ist. Mittlerweile laufen mit beiden Medikament weltweit mehrere klinische Studien mit Covid-19-Patienten. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) fördert ein Projekt, bei der das 50fach stärker antiviral wirksame Nafamostat in intravenöser Verabreichung erprobt werden soll; zudem ist die Entwicklung eines Nasensprays mit dem Wirkstoff vorgesehen.
Der Wirkstoff Brilacidin des Unternehmens Innovation Pharmaceuticals wird derzeit zur Therapie von entzündlichen Darmerkrankungen und Entzündungen der Mundschleimhaut erprobt. Jedoch ist zu erwarten, dass er auch die äußere Hülle des SARS-CoV-2-Virus angreifen kann. Dies wird derzeit in Zellkulturen geprüft.
Das spanische Unternehmen PharmaMar erprobt nach ermutigenden Labortests sein Medikament mit Plitidepsin in einer Studie gegen Covid-19. Das Medikament, das eigentlich in Australien und Südostasien zur Therapie des Multiplen Myeloms (einer Form von Knochenmark-Krebs) zugelassen ist, hemmt mußmaßlich die Virenvermehrung, weil es das dafür nötige Protein EF1A in den befallenen Zellen blockiert.
Wissenschaftler der Universitäten Würzburg und Münster konnten zeigen, dass das Antidepressivum Fluoxetin die Virenvermehrung in Zellkulturen hemmen kann, weil es ein Enzym in Körperzellen hemmt (die saure Sphingomyelinase); dieser Eingriff stört wiederum die Virenvermehrung in diesen Zellen. Das gilt in gleicher Weise auch für die Wirkstoffe Amidaron und Imipramin. Klinische Studien zur Erprobung des therapeutischen Effekts stehen noch aus.
Bereits anderweitig zugelassen, nämlich gegen Milben und parasitische Fadenwürmer (Flussblindheit), sind Medikamente mit Ivermectin, einem Wirkstoff aus der Forschung von MSD. Er wird in individuellen Heilversuchen und Studien darauf erprobt, ob er Covid-19-Patienten helfen kann. Eine retrospektive Auswertung der Therapieverläufe von Covid-19-Patienten mit und ohne Ivermectin (ICON Trial) der Florida International University deutet daraufhin, dass Ivermectin das Risiko, an Covid-19 zu sterben, verringern könnte. Die Autoren der noch nicht reviewten Vorab-Veröffentlichung weisen aber auf die Notwendigkeit prospektiver Studien hin, um dies zu bestätigen oder zu entkräften. In Bangladesh wurde in einer klinischen Studie die Kombination Ivermectin/Doxycyclin erprobt, und auch hier deuten die Ergebnisse auf eine Wirksamkeit der Kombination hin. Als mögliches Präventionsmittel wird Ivermectin zudem vom französischen Unternehmen MedinCell erprobt.
Vom Bandwurm-Mittel Niclosamid ist bekannt, dass es die zelleigene "Müllverarbeitung" (Autophagie) verstärkt. Denn dieser Prozess ist bei mit SARS-CoV-2 befallenen Zellen gedrosselt. In Laborexperimenten in der Berliner Charité konnte mit dem Mittel die Virusvermehrung gesenkt werden – wie auch mit den Wirkstoffen Spermidin (einer körpereigenen Substanz) und MK-2206 (einem Wirkstoff gegen Brustkrebs). Studienergebnisse gibt es noch keine.
Erprobt wird außerdem die Therapie mit dem Magensäure vermindernden Medikament Famotidin (einem H2-Blocker), das zur Behandlung Magensäure-bedingter Krankheiten zugelassen ist. Bei Covid-19-Patienten wird es allerdings in neunfach höherer Dosis als zugelassen eingesetzt. Hintergrund dafür sind Hinweise aus der Auswertung chinesischer Krankenakten, die darauf hindeuten, dass Famotidin einnehmende Patienten möglicherweise ein geringeres Risko haben, an Covid-19 zu sterben.
Große Aufmerksamkeit haben zeitweilig mehrere Malaria-Medikamente erfahren, darunter solche mit den Wirkstoffen Chloroquin und Hydroxychloroquin. Nach positiven Labortests gegen SARS-CoV-2 wurden sie zunächst in China, später auch in anderen Ländern in Studien erprobt. Die Ergebnisse mehrerer Studien deuteten allerdings darauf, dass die Medikamente zumindest bei Patienten in bestimmten Krankheitsstadien keine positive Nutzen-Risiko-Bilanz hat. Deshalb wurde der Studienarm mit Chlorquin/Hydroxychloroquin in der SOLIDARITY-Studie der WHO angehalten und eine zwischenzeitliche Notfallzulassung für Hydroxychloroquin in den USA wieder aufgehoben.
Vor allem in Afrika wird der Einsatz eines weiteren Antimalaria-Wirkstoffs propagiert: Artemisinin. Er ist sonst Teil von Malaria-Kombinationsmedikamenten, die als Tabletten eingenommen werden. Gegen Covid-19 wird es Getränk eingesetzt. Am Max-Planck-Institut Potsdam und in anderen Forschungseinrichtungen wird die Wirksamkeit des Wirkstoffs gegen SARS-CoV-2 in Laborversuchen systematisch erforscht.
An diesen Standorten in Deutschland forschen Unternehmen an Mitteln gegen Covid-19
Unsere interaktive Karte zeigt, wo in Deutschland Unternehmen an Impfstoffen oder therapeutischen Medikamenten gegen Covid-19 arbeiten. Sie beruht auf Meldungen der genannten Unternehmen und Medienberichten; ohne Anspruch auf Vollständigkeit. Sie wird laufend aktualisiert.
Neue Medikamente gegen SARS-CoV-2
In einer wachsenden Zahl von Projekten wird auch versucht, neue Medikamente gegen Covid-19 zu entwickeln. Hier kann man drei Arten von Projekten unterscheiden:
- Projekte für antivirale Antikörper
- Vorhandene Projekte in frühen Stadien für antivirale Medikamente
- Projekte zur Neuentwicklung anderer geeigneter Wirkstoffe
Hier einige Beispiele für Projekte aus diesen Bereichen:
Antivirale Antikörper
In einem Podcast vom 30.10.2020 erläutert vfa-Forschungssprecher Dr. Rolf Hömke den Stand der Entwicklung von Medikamenten mit antiviralen Antikörper.
Diese mit Hilfe moderner biotechnologischer Methoden entwickelten und produzierten Medikamente beruhen letztlich auf einem schon alten Ansatz zur Bekämpfung von Erregern. Denn schon seit Jahrzehnten werden Patienten mit bestimmten Infektionskrankheiten oder Vergiftungen die Antikörper aus dem Blutserum von menschlichen Spendern (oder Tieren) injiziert oder infundiert, die die betreffende Krankheit bereits überstanden haben. Schon das Diphtherie-Antiserum von Emil von Behring von 1891 wirkte so, auch wenn damals niemand Genaueres über die enthaltenen Antikörpern wusste. Ein anderes Beispiel sind die Spritzen zur Passivimmunisierung von Personen, die sich über eine Verletzung mit Tetanus angesteckt haben könnten. Vor kurzem haben auch mehrere Ebola-Medikamente mit solchen Antikörpern in Studien eine hohe Wirksamkeit gezeigt.
Bei den meisten Projekten zur Neuentwicklung von Medikamenten gegen SARS-CoV-2 steht deshalb ebenfalls die Blutflüssigkeit vormaliger Covid-19-Patienten mit ihren Antikörpern im Zentrum, das sogenannte „Rekonvaleszentenserum“ oder "Rekonvaleszentenplasma" (Serum ist Plasma, aus dem bestimmte Gerinnungsstoffe entfernt wurden). Nach Art der Vorgehensweise lassen sich Gruppen von Projekten unterscheiden:
1. Direktweitergabe der Antikörper von Rekonvaleszenten
Im einfachsten Fall erhalten Patienten direkt Infusionen mit einer (auf Unbedenklichkeit kontrollierten) Blutplasma-Spende ehemaliger Covid-19-Patienten oder mit frisch daraus gewonnenen Antikörpern. Dies wird in Deutschland bereits an einigen Kliniken als Heilversuch praktiziert; und an vielen Orten werden Genese eingeladen, Plasma zu spenden (beispielsweise vom Deutschen Roten Kreuz). Parallel wird diese Therapie in einer Studie mit Freiwilligen getestet. Auch in anderen Ländern wird Plasma gesammelt (etwa in Österreich) und diese Therapie praktiziert, z.B. in den USA. Überzeugende Therapieerfolge wurden allerdings bislang nicht publiziert.
Als Variante dieses Ansatzes kann man das Projekt des Indian Council of Medical Research (ICMR) und mit dem indischen Unternehmen Biological E Ltd verstehen, bei dem das Plasma von Pferden aufgearbeitet wird, denen zuvor inaktivierte SARS-CoV-2 injiziert wurden. Das Plasma soll in klinischen Studien als Therapeutikum und zur Prophylaxe getestet werden. Das Projekt erinnert an die Pioniere der Therapieform, denn schon das erste Diphtherie-Antiserum wurde vor allem mit Pferden hergestellt.
2. Antikörperpräparate aus Rekonvalenzentenplasma
Einige Unternehmen wollen stattdessen die Antikörper aus solchem Plasma gewinnen und daraus ein Medikament für Infusionen herstellen, genannt polyklonales Anti-SARS-CoV-2 Hyperimmunglobulin (H-IG). Solch eine Medikament hat gegenüber Rekonvaleszentenplasma den Vorteil, dass die Wirksamkeit nicht von Anwendung zu Anwendung schwankt, man die Antikörper konzentrieren kann und man das Mittel auch leicht verschicken kann.
Für ein solches Mittel haben sich unter anderem etliche Unternehmen, die bereits andere Medikamente aus Plasma herstellen, zur CoVIg-19 Plasma Alliance zusammengeschlossen: Takeda (Japan), Biotest (Deutschland), Bio Products Laboratory (UK), CSL Behring (Australien), LFB (Frankreich), Octapharma (Schweiz), ADMA Biologics (USA), BioPharma Plasma (Ukraine), GC Pharma (Südkorea), and Sanquin (Niederlande). Die Allianz wird ihr Medikament ab Oktober einer klinischen Studie zu erproben, zusammen mit dem National Institute of Allergy and Infectious Diseases (NIAID) der USA.
Das Unternehmen Grifols (Spanien) entwickelt ebenfalls ein H-IG-Präparat. Es sieht vor, dieses dann in den USA zu produzieren. Eine klinische Studie ist in Vorbereitung. Sie soll im Februar 2021 beginnen.
Auch das polnische Unternehmen Biomed Lublin entwickelt solch ein Medikament; eine Erprobung in Studien hat allerdings noch nicht begonnen.
3. Präparate mit "kopierten" Antikörpern aus Rekonvaleszentenplasma
Weitere Unternehmen und Forschungsgruppen in der Welt folgen dem gleichen Grundgedanken, gingen aber einen Schritt weiter. Sie pickten aus Rekonvaleszenten-Seren die am besten geeigneten Antikörper heraus und "kopierten" sie mit biotechnischen Mitteln, um sie in großen Mengen mit Zellkulturen zu produzieren und daraus ein Medikament herzustellen. Am weitesten fortgeschritten sind Projekte der US-Unternehmen Lilly und Regeneron: beide erhielten für je eines ihrer Antikörper-Medikamente in den USA eine Emergency Use Authorization (Notfallzulassung) auf der Basis von Phase-II-Studien für die Anwendung bei ambulant behandelten Patienten ab 12 Jahren, die ein hohes Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf haben.
Bei der Entwicklung des monoklonalen Antikörpers Bamlanivimab (= LY-CoV555) kooperiert Lilly mit AbCellera (Kanada). Die Phase II-Studie BLAZE-1 mit gefährdeten Patienten mit mildem oder moderatem Verlauf lieferte positive Zwischenergebnisse, die Basis für die Notfallzulassung in den USA. Im Rahmen der vergleichenden Phase-III-Studie BLAZE-2 wurde Bamlanivimab zudem präventiv bei Bewohnern und Betreuern in Altenheimen und Einrichtungen des betreuten Wohnens eingesetzt. Das Risiko, an Covid-19 zu erkranken, sank bei den Bewohnern laut Hersteller um bis zu 80 %. Ein anderer Teil der Teilnehmer der BLAZE-2-Studie erhält das Medikament zur Therapie; Ergebnisse dazu stehen noch aus.
Für die großtechnische Produktion des Medikaments kooperiert Lilly mit dem US-Unternehmen Amgen und dem südkoreanischen Unternehmen Samsung BioLogics. Mit Blick auf den international hohen Bedarf für Medikamente dieser Art einerseits und die vorerst begrenzten Produktionsmengen andererseits hat Lilly für sich selbst Grundsätze für eine möglichst verantwortungsvolle Belieferung ausgearbeitet, die neben dem Fokus auf Hochrisikopatienten und anderen Aspekten auch ein abgestuftes Preissystem umfasst. Neben diesem Projekt entwickelt Lilly auch mit Shanghai Junshi Biosicences (China) entwickelt Lilly (China) einen weiteren antiviralen Antikörper: Etesevimab (JS016, LY-CoV016) für die ambulante Behandlung.
Regenerons mit der Notfallzulassung ausgestattetes Antikörper-Medikament REGN-COV2 enthält die monoklonalen Antikörper Casirivimab und Imdevimab. Diesem Cocktail liegt die Analyse von Antikörpern von transgenen Mäusen (siehe unten) und von genesenen Covid-19-Patienten zugrunde. Seit August 2020 kooperiert Regeneron für die weitere Entwicklung und die Produktion des Medikaments mit dem Unternehmen Roche; dieses soll insbesondere die Belieferung der EU übernehmen. REGN-COV2 wird nach ersten positiven Daten derzeit in einer Phase-II/III-Studie mit ambulant behandelten Patienten erprobt. Auch bei der Behandlung hospitalisierter Covid19-Patienten zeigte REGN-COV2 antivirale Effekte. Diese ersten Studiendaten werden in der mit mindestens 2000 Patienten angelegten britischen RECOVERY-Studie mit stationären Patienten überprüft. Außerdem läuft eine Phase-III-Studie, in der es Freiwillige zur Prävention erhalten. Nach einem Hinweis des für eine Patientenstudie zuständigen Data Monitoring Board wird Regeneron die Erprobung bei beatmungsbedürftigen Patienten nicht weiterführen. Für die Großproduktion erhielt Regeneron Unterstützung von der US-Regierung. Außerdem kooperiert Regeneron für die Entwicklung
Zusätzlich hat Regeneron die Dreifach-Antikörperkombination REGN-EB3 entwickelt, der auch in Studien erprobt werden soll.
Auch AstraZeneca (UK) hat ein Medikament mit zwei gentechnisch hergestellten Antikörpern entwickelt, die von Antikörpern abgeleitet sind, die die US-amerikanischen Vanderbilt University in Rekonvaleszenten-Plasma gefunden hat. Sie wurden so verändert, dass sie länger als gewöhnliche Antikörper im Blut verbleiben. Das Medikament trägt die Bezeichnung AZD7442. Nach positiven Zwischenergebnissen soll es nun in Phase III-Studien darauf getestet werden, ob es zur Therapie und zur Prävention von Covid-19 geeignet ist. Das Unternehmen Lonza wird an einem US-Standort an der Produktion mitwirken.
Celltrion (Südkorea) hat ebenfalls ein solches Medikament entwickelt: CT-P59. Derzeit wird erprobt, ob es sich zur Therapie (Phase II/III) und zur Postexpositionsprophylaxe (Phase III) eignet. Zwischenergebnisse aus der Therapie-Studie deuten auf eine Verkürzung der Genesungszeit und ein selteneres Fortschreiten der Krankheit in ein schwereres Stadium bei Patienten mit milden bis moderaten Symptomen. Celltrion beabsichtigt, eine Notfallzulassung in Südkorea zu beantragen.
In Deutschland entwickelt ein Konsortium aus der Uniklinik Köln, der Universität Marburg, dem Deutschen Zentrum für Infektionsforschung (DZIF) und dem Unternehmen Boehringer Ingelheim das Medikament BI 767551, dessen monoklonaler Antikörper-Wirkstoff von einem Antikörper aus Rekonvaleszentenplasma abgeleitet ist. In einer Phase-I/IIa-Studie wird derzeit sowohl eine Anwendung durch Injektion als auch durch Inhalation geprüft.
Auch das CORAT Konsortium setzt auf einen vergleichbaren Ansatz, wobei es zur Identifikation geeigneter menschlicher Antikörper die Labormethode "Phage Display" benutzte. Dem Konsortium gehören unter anderem das Braunschweiger Biotech-Unternehmen Yumab, das Helmholtz Zentrum für Infektionsforschung (Braunschweig), die TU Braunschweig und die Universität Tübingen an. Der von Yumab entwickelte Antikörper COR-101 steht seit Mitte November in ausreichenden Mengen für eine klinische Studie zur Verfügung, die Anfang 2021 beginnen soll.
Ebenfalls in Deutschland arbeiten die Berliner Charité, das Deutsche Zentrum für neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) und das Biotech-Unternehmen Miltenyi Biotec an einem solchen Medikament. Positive Ergebnisse aus Versuchen mit Tieren liegen vor.
Einen weiteren Antikörper, der von Rekonvaleszentenplasma abgeleitet ist, entwickeln die Unternehmen Memo Therapeutics und Northway Biotechpharma (Schweiz und Litauen). Klinische Studien haben noch nicht begonnen.
Ein weiteres in diesem Feld aktives Unternehmen BeiGene (China). Es erprobt in Lizenz neutralisierende Antikörper, die vom Unternehmen Singlomics Biopharmaceuticals rekonvaleszenten Patienten abgeschaut wurden und gentechnisch produziert werden.
Weitere Antikörper, die in Labortests das Covid-19-Virus neutralisieren, entwickelten Forscher von der Tsinghua Universität in Peking und der Firma Brii Biosciences. Das Antikörper-Duo BRII-196 und BRII-198 wird nun im Rahmen der US-amerikanischen ACTIV-3-Studie getestet.
Auch an der Universität Tel Aviv (Israel) wird ein Drei-Antikörper-Cocktail dieser Art entwickelt. Bislang liegen positive Laborergebnisse vor.
Ein weiteres Projekt dieser Art verfolgt das schwedische Karolinska Institut.
Anders als bei den bisher genannten Projekten entwickelt das Unternehmen Aridis ein Medikament mit einem rekombinanten Antikörper (AR-711) zum Inhalieren; es soll insbesondere in den Atemwegen wirksam sein.
4. Medikamente mit Genen für Antikörper aus Rekonvaleszentenplasma
Noch einen Schritt weiter gehen ein Konsortium von Forschungseinrichtungen in den USA im Rahmen der DARPA Pandemic Preparedness Platform wie auch ein Kooperationsprojekt der Unternehmen Ethris und Neurimmune (Planegg bei München und Schweiz). In ihren jeweiligen Medikamenten sollen am Ende nicht Kopien der wirksamsten Antikörper aus Rekonvaleszenten-Plasma selbst enthalten sein, sondern stattdessen die Gene dafür – in Form von mRNA. Wer diese mRNA injiziert bekommt, stellt für eine Weile in seinem Körper die Antikörper selbst her und ist geschützt. Der Vorteil dieses Vorgehens: Wahrscheinlich kann man so schneller große Mengen an Medikamenten-Dosen herstellen als wenn man die Antikörper biotechnisch produzieren muss. Der Nachteil: Bisher gibt es noch kein anderes Medikament, das so funktioniert. Geleitet wird das Projekt des US-amerikanischen Konsortiums unter anderem von James Crowe, Vanderbilt University, Tennessee, der für seine Pionierarbeiten auf diesem Gebiet 2019 den Future Insight Prize des deutschen Unternehmens Merck erhielt. Das von Ethris und Neurimmune geplante Medikament hat als Besonderheit, dass die mRNA inhaliert werden soll, so dass die Antikörper dicht beim Angriffsort der Viren gebildet werden.
5. Präparate mit kopierten Antikörpern aus SARS- oder MERS-Rekonvaleszentenplasma
Mehrere Projekte für neue Medikamente dehnen den Ansatz "Rekonvaleszentenplasma" aus auf Krankheiten, deren Erreger eng mit dem SARS-CoV2-Virus verwandt sind und auf ihrer Oberfläche strukturell ähnlich Proteine tragen. So hat Vir Biotechnology Antikörper aus dem Blutserum von Personen analysiert, das 2003 nach einer überstandenen SARS-Infektion abgenommen wurde. Ein Antikörper erwies sich als besonders wirksam gegen SARS-CoV-2-Viren; daraus gingen weiterentwickelte Antikörper-Varianten hervor, von denen eine, VIR-7831, mit Patienten in einer Phase-II/III-Studie erprobt wird (im Rahmen des von den US-amerikanischen National Institutes of Health (NIH) geförderten ACTIV-3 Protokolls). Für die klinische Erprobung kooperiert Vir Biotechnology mit dem Unternehmen GSK, für die Produktion der Antikörper mit den Unternehmen Biogen (USA) und WuXi Biologics (China).
Auch das Imperial College London arbeitet mit Partnern an einer Antikörpertherapie ausgehend von Antikörpern aus dem Blutserum von früheren SARS-Patienten.
6. Präparate mit Antikörpern von Labortieren oder aus dem Computer
Eine weitere Variante des gleichen Grundprinzips besteht darin, gar keine Antikörper von Genesenen anzusehen, sondern geeignete Antikörper mit Labortieren oder auf synthetischem Wege zu erhalten. Diese können dann wiederum biotechnisch hergestellt, zu einem Medikament verarbeitet und Patienten infundiert weden.
Wissenschaftler der Universität Utrecht (Niederlande) haben beispielsweise ebenfalls Antikörper gegen SARS untersucht; diese wurden jedoch von transgenen Mäusen hergestellt. Sie fanden einen Antikörper, der die Vermehrung von SARS-CoV-2 in Kultur hemmen kann. In diesem Antikörper wurden dann Nagetier-typische Teile durch menschliche Abschnitte ersetzt. Diesen nun "human 47D11" genannten Antikörper entwickelt die Universität Utrecht gemeinsam mit den Unternehmen AbbVie und Harbour BioMed sowie dem Erasmus Medical Center weiter. Der Antikörper wird derzeit in einer Phase-I-Studie auf Verträglichkeit und Verbreitung im Körper getestet.
Forscher der Universität Erlangen-Nürnberg in Kooperation mit dem Fraunhofer-Institut für Zelltherapie und Immunologie (Leipzig), dem Deutschen Primatenzentrum (Göttingen) und dem Unternehmen Trianni (Erlangen) genveränderte Mäuse als Quelle für geeignete Antikörper.
Aus einem mit Hilfe eines Lamas gewonnenen Antikörper stammen wiederum Teile eines künstlichen Anti-SARS-CoV-2-Antikörpers, den ein Konsortium der Universität Gent, dem Flemish Institute for Biotechnology, der Universität Austin (Texas) und dem Deutschen Primatenzentrum in Göttingen erzeugt hat.
Auch die University of Pittburgh (USA) setzten ein Lama ein, jedoch um einen besonderen Antikörpertyp zu gewinnen: Nanobodies, die wesentlich kleiner als gewöhnliche Antikörper sind. Ein darauf aufbauend entwickeltes Medikament mit gentechnisch hergestellten Nanobodies gegen Covid-19 soll bald in klinischen Studien erprobt werden. Nanobodies haben den Vorteil, dass sie leichter herzustellen sind als gewöhnliche Antikörper, und obendrei auch längere Zeit bei Raumtemperatur aufbewahrt werden können. Sie kommen auch für ein Medikament zum Inhalieren in Betracht.
Das Biotech-Unternehmen Formycon aus Martinsried ging noch einen anderen Weg: Gezielt kombinierte es einen Antikörperteil mit dem menschlichen Protein ACE2, um das Molekül FYB207 zu schaffen, das sich statt an das Virus an dessen Andockstelle auf Lungenzellen setzt. Sind diese blockiert, so die Strategie, können keine Viren mehr eindringen und sich vermehren. Labortests bestätigen diesen Ansatz. Eine Erprobung mit Patienten steht aber noch aus.
Einen tabellarischen Überblick über alle laufenden Projekte für SARS-CoV-2-neutralisierende Antikörper gibt die Antibody Society.
Die Organisation IAVI und der Wellcome Trust haben einen Aufruf an Regierungen, Organisationen und die Industrie gestartet, weltweit ‒ und damit auch in ärmeren Ländern ‒ für Zugang zu Antikörper-Medikamenten gegen Covid-19 zu sorgen.
Vorhandene Projekte in frühen Stadien für antivirale Medikamente
Einen anderen Weg verfolgt ein Forschungsteam der Universität Lübeck. Es entwickelt seit Jahren sogenannte Alpha-Ketoamide als antivirale Wirkstoffe gegen Corona- und Enteroviren (die u. a. für Mundfäule verantwortlich sind). In Laborversuchen hemmen neuen experimentellen Wirkstoffe die Vermehrung dieser Viren. Einer davon, genannt "13b", ist gegen Coronaviren optimiert. Er soll nun in Zellkulturen und mit Tieren getestet und im Fall von positiven Ergebnissen gemeinsam mit einem Pharma-Unternehmen in Studien mit Menschen erprobt werden.
Andere Projekte zur Neuentwicklung geeigneter Wirkstoffe
Forschungsgruppen an den Universitäten Mainz, Gießen und Würzburg haben Wirkstoffe erfunden, die ein Enzym von SARS-CoV-2 lahmlegen können (eine Protease), die das Virus zu seiner Vermehrung braucht. Sie müssen nun weiter getestet werden, ehe sie mit Menschen erprobt werden können.
Eine Reihe großer Pharma-Unternehmen haben sich zusammengetan, um neue therapeutische Medikamente (wie auch Impfstoffe und Diagnostika) gegen Covid-19 zu entwickeln. In einem ersten Schritt werden sie ihre firmeneigenen Sammlungen von Molekülen, für die bereits einige Daten zu Sicherheit und Wirkungsweise vorliegen, zur Verfügung zu stellen. Diese sollen von der Einrichtung Covid-19 Therapeutics Accelerator getestet werden, die von der Gates Foundation, dem Wellcome Trust und Mastercard ins Leben gerufen wurde. Für als aussichtsreich eingestufte Moleküle sollen dann binnen zwei Monaten auch Tests mit Tieren beginnen. Zu der Unternehmens-Gruppe gehören BD, bioMérieux, Boehringer Ingelheim, Bristol-Myers Squibb, Eisai, Lilly, Gilead, GSK, Janssen (Johnson & Johnson), MSD, Merck, Novartis, Pfizer und Sanofi.
Die Unternehmen Molecular Partners und Novartis entwickeln zwei antivirale Medikamente auf Proteinbasis (genannt MP0420 und MP0423), die sich ähnlich wie Antikörper an die Viren heften und diese so an der Vermehrung hindern sollen. Dieser ursprünglich an der Universtiäts Zürich entwickelte Proteintyp wird DARPins genannt. Bislang wurden sie noch nicht mit Menschen erprobt.
Einen anderen Plan verfolgen die Unternehmen, die SARS-CoV-2 mittels Gene Silencing bekämpfen wollen. Bei diesem Ansatz wird verhindert, dass bestimmte Gene zur Virusvermehrung genutzt werden können. Vir Pharmaceuticals und Alnylam Pharmaceuticals (beide USA) wollen diese mit Hilfe sogenannte siRNA-Wirkstoffe erreichen. Auch das südkoreanische Unternehmen OliX Pharmaceuticals arbeitet an einem Wirkstoff dieser Art. Das deutsche Biotech Secarna und die chinesische Guangzhou's Sun Yatsen Universität wollen das Gene Silencing mit Hilfe eines Antisense-Oligonucleotids erreichen – einem Molekül aus einer verwandten Wirkstoffklasse.
Großstudien mit vielen Armen
Um mit einer begrenzten Zahl von Patienten möglichst viele Erkenntnisse über Behandlungsmöglichkeiten zu gewinnen, bietet es sich an, die Erprobung mehrerer Medikamente in der gleichen Studie durchzuführen; dann dient die gleiche Patientengruppe, die nur eine Grundbehandlung erhält, als Kontrolle für alle anderen Studien"arme" mit experimentellen Medikamenten. Die teilnahmewillige Patienten werden auf die Arme randomisiert – also nach dem Zufallsprinzip – verteilt.
Eine besonders große Studie dieser Art führt die Weltgesundheitsorganisation WHO zur stationären Behandlung von Covid-19-Patienten durch, den SOLIDARITY Trial. Er hat derzeit zwar nur die folgenden Studienarme:
- Grundbehandlung allein
- Grundbehandlung + Remdesivir (Hemmstoff der RNA-Polymerase des Virus)
- Grundbehandlung + Ritonavir/Lopinavir (HIV-Medikament) + Beta-Interferon (MS-Medikament)
Doch gab es anfangs noch weitere Studienarme, die aber zwischenzeitlich stillgelegt wurden, nachdem sich die jeweiligen Medikamente als problematisch oder nicht zureichend wirksam erwiesen hatten. Auch das sind wichtige Erkenntnisse.
An der Studie wirken medizinische Einrichtungen vieler Länder mit, auch aus Deutschland. Den deutschen Teil der Studie koordinieren das Deutsche Zentrum für Infektionsforschung (DZIF) und das Deutsche Zentrum für Lungenforschung (DZL). Ausführliche Informationen zur Studie finden sich im ISRCTNregistry.
Parallel dazu läuft die Studie DISCOVERY mit sehr ähnlichem Aufbau, koordiniert von der französischen Forschungsorganisation INSERM. Bislang wurden fast ausschließlich französische Patienten einbezogen.
Eine weitere große Studie, genannt RECOVERY Trial, findet unter Leitung von Medizinern der Universität Oxford in Kliniken in UK mit stationär behandelten Patienten statt. Sie hat derzeit die folgenden Studienarme:
- Grundbehandlung allein
- Grundbehandlung + Colchicin
- Grundbehandlung + Tocilizumab (dämpfender Immunmodulator)
- Grundbehandlung + Rekonvaleszentenplasma = Plasma von Personen, die Covid-19 überstanden (und Antikörper gebildet haben) haben
- Grundbehandlung + REGN-COV2 (antivirale monoklonale Antikörper)
- Grundbehandlung + Acetylsalicylsäure (= ASS)
- Grundbehandlung + Dexamethason in niedriger Dosierung (nur bei Kindern)
Von den USA aus werden ebenfalls große klinische Studien zur Covid-19-Therapie mit ausgewählten Medikamenten organisiert, darunter der Adaptive COVID-19 Treatment Trial (ACTT), für den die National Institutes of Health (NIH) verantwortlich sind. Rund 75 medizinische Einrichtungen weltweit sollen daran mitwirken, auch in der EU und in UK. Die Studie hat zunächst zweiarmig begonnen:
- Grundbehandlung allein
- Grundbehandlung + Remdesivir (Hemmstoff der RNA-Polymerase des Virus)
Es ist aber vorgesehen, die Studie um weitere Arme zu ergänzen.
Zwei weitere große Studien werden in UK durchgeführt: TACTIC-E und TACTIC-R; unter der Leitung des Cambridge University Hospitals NHS Foundation Trust und finanziert von den beteiligten Pharma-Unternehmen.
TACTIC-E hat derzeit folgende Arme:
- Grundbehandlung (Standard of Care) allein
- Grundbehandlung + EDP1815 (ein immunmodulatorisches Bakterium)
- Grundbehandlung + Ambrisentan (ein zugelassener Endothelinrezeptor-Antagonist) + Dapagliflozin (ein zugelassenes Antidiabetikum mit positiven Herz-Kreislauf-Eigenschaften)
TACTIC-R hat derzeit folgende Arme:
- Grundbehandlung (Standard of Care) allein
- Grundbehandlung + Baricitinib (ein zugelassener Januskinase-Inhibitor)
- Grundbehandlung + Ravulizumab (ein zugelassener Immunmodulator)
In mehreren Fällen stellen Unternehmen für diese Studien große Mengen ihrer Medikamente zur Verfügung. So liefert Merck Interferon beta-1a für den DISCOVERY Trial und den SOLIDARITY Trial.
Wie schnell gibt es eine gute Therapie?
Jedes Medikament muss darauf geprüft werden, ob es für die Behandlung von Menschen mit Covid-19 geeignet ist. Das gilt auch für Medikamente, die für andere Patienten schon zugelassen oder weitgehend durcherprobt sind. Die Zulassungsbehörden müssen anschließend jedes Medikament anhand der Ergebnisse auf Wirksamkeit, Verträglichkeit und technischer Qualität prüfen können. Die Zulassungsbehörden haben aber signalisiert, dass sie sowohl die Genehmigungsverfahren für klinische Studien als auch die Zulassungsverfahren für erfolgreich getestete Medikamente mit Priorität bearbeiten werden. Zulassungsanträge werden Unternehmen auch "kapitelweise" einreichen können, was die Prüfung durch die Behörden weiter beschleunigt.
Wesentlich für einen schnellen Weg geeigneter Medikamente in die Patientenversorgung werden aber auch die Erfahrung und die Ressourcen sein, wie sie Unternehmen einbringen können, die schon seit Jahren Medikamente entwickeln und verkaufen. So hat beispielsweise das Unternehmen Pfizer angeboten, seine umfassende Erfahrung mit Studien, Zulassungsverfahren und Produktionsverfahrens-Entwicklung sowie seine Produktionskapazität in Kooperationen mit kleineren Unternehmen einzubringen, die Corona-Medikamente entwickeln. Auch wird das Unternehmen Labormethoden, die es für seine eigene Corona-Forschung entwickelt hat, auf "open source"-Basis allen zur Verfügung stellen.
Was ist was?
Coronavirus: Es handelt sich um den Oberbegriff für eine Familie von Viren, die Menschen oder Tiere befallen. Die Erreger von SARS in den Jahren 2002/2003, MERS und mehreren Erkältungsformen zählen ebenfalls dazu.
SARS-CoV-2: Der Erreger der aktuellen Pandemie erhielt diesen Namen im Februar 2020. Häufig wird er einfach „neuartiger Coronavirus“ genannt. Die Abkürzung steht für Severe Acute Respiratory Syndrome-Coronavirus-2.
Covid-19: Zum Glück erkrankt nicht jede Person, die sich mit SARS-CoV-2 ansteckt. Diejenigen, die nach einer Ansteckung mit dem neuen Erreger Symptome zeigen, leiden unter der Atemwegserkrankung Covid-19. Die Bezeichnung leitet sich ab von „Coronavirus-Disease“ und dem Jahr des ersten Auftretens, 2019.