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Malaria, Ebola und vernachlässigte, armutsassoziierte Krankheiten - Antworten für ARD "Monitor"

Im Rahmen von Recherchen hat die Redaktion der ARD-Magazinsendung "Monitor" Fragen an den vfa gestellt. Hier sind die Antworten des vfa vom 21.08.2014 dokumentiert.

Was wird derzeit getan, um neue Medikamente zu entwickeln auf dem Gebiet der von der WHO als "vernachlässigt" bezeichneten Krankheiten und Malaria?

In diesem Jahr gab es schon eine ganze Reihe von positiven Nachrichten zu Medikamente gegen Malaria und den sogenannten „vernachlässigten“ Krankheiten:

  • Am 06. März wurde ein neues Medikament gegen multiresistente Tuberkulose der Firma Janssen in der EU zugelassen (Wirkstoff: Bedaquilin). Zulassungen in den USA, Russland, Südafrika, China, Indien, Thailand, Vietnam, Kolumbien und Südkorea sind ebenfalls beantragt oder schon erteilt.
  • Am 07. April wurde ein Medikament der Firma Lucane gegen multiresistente Tuberkulose in der EU zugelassen. Es enthält den bewährten Wirkstoff (Para-Amino-Salicylsäure) in einer besser anwendbaren Form (Granulat).
  • Am 23. April verkündete die TB Alliance, dass sich gegen Tuberkulose eine neue Kombinationstherapie mit einem Medikament von Bayer in Phase-II-Studien bewährt hat und nun abschließende Studien (Phase III) beginnen.
  • Am 28. April kündigten GlaxoSmithKline und das Medicines for Malaria Venture den Start der abschließenden Studien (Phase III) mit dem neuen Medikament Tafenoquin gegen Vivax-Malaria an.
  • Am 01. Mai wurde ein neues Medikament gegen multiresistente Tuberkulose von Otsuka Pharma in der EU zugelassen (Wirkstoff: Delamanid). Zulassungen in anderen Ländern werden folgen.
  • Am 11. Juli gab das Unternehmen Sanofi bekannt, dass sein Dengue-Impfstoff-Kandidat (der erste überhaupt) 89% der hämorrhagischen Komplikationen bei Dengue-Fieber verhindern kann. Das Unternehmen bereitet laut Meldung vom 31. Juli nun die Zulassungsanträge vor, mit Priorität auf Mexiko, Brasilien, Kolumbien und mehreren asiatischen Ländern.
  • Am 24. Juli gab GlaxoSmithKline bekannt, dass sein Malaria-Impfstoff RTS,S (der erste überhaupt) nun bei der EU zur Zulassung eingereicht ist. Zulassungsanträge in weiteren Ländern sollen folgen. Der Impfstoff wurde mit der Bill and Melinda Gates-Foundation und weiteren Partnern speziell für Kleinkinder in Malaria-tropica-Gebieten entwickelt. Er senkt die Zahl der Krankheitsfälle und der schweren Verläufe.
  • Am 31. Juli wurden positive Ergebnisse von einer Phase-II-Studie mit dem neuen Malaria-Medikament KAE609 der Firma Novartis veröffentlicht (New England Journal of Medicine).
  • Im Juli und August wurde bekannt, dass zwei Unternehmen (Tekmira und Mapp Biopharmaceutical) an Ebola-Medikamenten und weitere (darunter GlaxoSmithKline und Profectus) an Ebola-Impfstoffen arbeiten. GlaxoSmithKline hat eine klinische Studie mit seinem Impfstoff angekündigt.
  • Am 12. August berichtete die Organisation DNDi vom Beginn einer Phase-II-Studie mit Fexinidazol gegen Chagas (der Wirkstoff wird zugleich in Phase III gegen Schlafkrankheit erprobt). Der Wirkstoff wird von Sanofi beigesteuert.
  • Am 20. August berichtete die TB Alliance, dass sie mehrere Wirkstoffe aus der Forschung von Novartis einlizensiert, um daraus Tuberkulose-Medikamente zu entwickeln.

Daran können Sie erkennen, dass forschende Pharma-Unternehmen an Medikamenten gegen die genannten Krankheiten arbeiten. Gegen einige andere davon gibt es schon seit langem wirksame Medikamente, oft schon ohne Patentschutz. Die Arzneimittelneuentwicklung konzentriert sich deshalb darauf, therapeutische Lücken im vorhandenen Sortiment zu schließen und Abhilfe bei aufkommenden Resistenzen zu schaffen.

Während das in den 1990er Jahren nur sporadisch geschah, haben die Pharma-Unternehmen ihre Arbeit auf diesem Gebiet seit den frühen 2000er Jahre wesentlich verstärkt. Einen Teil dieser Projekte betreiben sie im Alleingang, den größeren Teil im Rahmen von Produktentwicklungspartnerschaften, also im Verbund mit Partnern (regierungsnahen und anderen Organisationen, Stiftungen, Forschungseinrichtungen und anderen Unternehmen).

Einige Produkte und neue Therapien sind aus diesem Engagement schon hervorgegangen (u.a. gegen Malaria, Tuberkulose und Schlafkrankheit). Viele weitere Medikamente sind derzeit in unterschiedlichen Stadien der Entwicklung, siehe unten.


Wie ist der Stand der Forschung auf dem Gebiet?

Einen Überblick über den Stand der Forschung und Entwicklung von Impfstoffen und therapeutischen Medikamenten gegen die genannten Krankheiten geben wir Ihnen in den folgenden Tabellen [zum Download]. Sie stützen sich auf Websites von Produktentwicklungspartnerschaften, die Datenbank PharmaProjects und Recherchen des vfa.

Zusätzlich unterstützen forschende Pharma-Unternehmen auch öffentliche Forschung zu den genannten Krankheiten, indem sie Zwischenergebnisse aus der eigenen Medikamentenforschung kostenlos zur Verfügung stellen, etwas über WIPO re:search (http://www.wipo.int/research/en/ ).


Was tun die Pharma-Unternehmen in der Hinsicht, gibt es da eine gewisse Verantwortung, die die Unternehmen erfüllen?

Viele Pharma-Unternehmen tragen schon seit Jahren dazu bei, dass in ärmeren Ländern Malaria und vernachlässigte, armutsassoziierte Krankheiten (wie Flussblindheit, Bilharziose, Elephantiasis, weitere Wurmkrankheiten, afrikanische Schlafkrankheit, Trachom und Lepra) bekämpft werden können. Das tun sie unter anderem mit umfangreichen und fortdauernden Medikamentenspenden oder Lieferung von Medikamenten zu Herstellungskosten. Die Medikamente liefern sie dazu in der Regel an die WHO. Die Anwendung der Medikamente erfolgt in der Regel in Programmen von Hilfsorganisationen.

13 forschende Pharma-Unternehmen aus Industrienationen (fast alle sind auch vfa-Mitglieder) haben sich darüber hinaus im Rahmen der London Declaration von 2013 verpflichtet, an der Ausrottung oder Eindämmung von zehn solchen Krankheiten bis 2020 mitzuwirken und dafür ihre Medikamente zur Verfügung zu stellen: lymphatische Filariose, Lepra, afrikanische Schlafkrankheit, Trachom, Bilharziose, bodenübertragene Wurmkrankheiten, Chagas, viszerale Leishmaniose, Flussblindheit und Medina-Wurm-Befall.

Andere Pharma-Unternehmen – seien es Firmen aus Schwellenländern wie Indien oder Brasilien – oder Generika-Unternehmen jeglicher Herkunft beteiligen sich nicht daran.

Ausführlich ist das in http://blog.wellcome.ac.uk/2012/01/31/neglected-tropical-diseases-the-london-declaration/ und http://unitingtocombatntds.org beschrieben.

Neue Medikamente gegen diese Krankheiten entwickeln die Unternehmen mit dem ausdrücklichen Ziel, sie in den betroffenen Ländern zu Sonderkonditionen verfügbar zu machen. Bei Projekten in Produktentwicklungspartnerschaften ist das meist sogar Fördervoraussetzung.

Damit jedoch wirklich den Erkrankten und Gefährdeten geholfen werden kann, sind weitere Anstrengungen in den betroffenen Ländern erforderlich. Jede Behandlung braucht beispielsweise einen Arzt, der sie anleitet, braucht sichere Lieferwege für die Medikamente, braucht auch – das Beispiel Ebola zeigt es – ein Mindestmaß an Aufklärung über Gesundheit und Krankheit bei den Bürgern. Wo den Menschen selbst das Geld für den Bus zum Arzt fehlt, ist eine nachhaltige Bekämpfung von Krankheiten nicht einmal mit gespendeten Medikamenten möglich. Hier müssen insbesondere Regierungen im Verbund mit Hilfsorganisationen und weiteren Akteuren ein Mindestmaß an Gesundheitsinfrastruktur schaffen – sonst bleibt aller Aufwand für die Entwicklung neuer Medikamente nutzlos.


Welche Krankheiten werden von den forschenden Pharma-Unternehmen in Deutschland am stärksten beforscht? In welchen Bereichen wird am meisten Geld für die Forschung ausgegeben?

Pharma-Unternehmen forschen international, und zwischen den unternehmenseigenen Forschungsstandorten gibt es Arbeitsteilung. In ihren deutschen Labors konzentrieren sich die Unternehmen vor allem auf neue Medikamente gegen Krebs, Alzheimer, Schmerzen, Atem-wegs-, Entzündungs- und Frauenkrankheiten, Diabetes und Herz-Kreislauf-Krankheiten. Labors für Medikamente gegen tropische Infektionskrankheiten und TB betreiben die vfa-Unternehmen u.a. in den USA, Frankreich, Belgien, Spanien, Italien, Indien und Singapur.

Klinische Forschung führen unsere Unternehmen in Deutschland zu Krankheiten durch, die hierzulande mit einer gewissen Häufigkeit auftreten. Klinische Studien zu tropischen Infektionskrankheiten lassen sich zwangsläufig fast nur in Ländern durchführen, in denen sie heimisch sind. Einige deutsche Tropenkliniken haben allerdings schon an Malariastudien unserer Mitgliedsfirmen mitgewirkt.

In welchem Bereich der Medizin von unseren Unternehmen hierzulande am meisten Geld ausgegeben wird, ist dem vfa nicht bekannt. Denn die Forschungsgelder werden nur aufsummiert veröffentlicht.


Unter den 324 Medikamentenprojekten von vfa-Mitgliedsunternehmen mit Aussicht auf baldige Zulassung, die Sie auf Ihrer Internetseite auflisten, sind 12 Prozent Projekte zu Infektionskrankheiten. Wie viele davon befassen sich mit den so genannten vernachlässigten, armutsassoziierten Krankheiten?

Unter den Medikamenten in Entwicklung gegen Infektionskrankheiten, die bis 2017 kommen könnten, finden sich:

1 Malaria-Impfstoff für Kleinkinder
2 Medikamente zur Malaria-Behandlung
4 Tuberkulose-Medikamente
1 Medikament zur Bilharziose-Behandlung bei kleinen Kindern
1 Impfstoff gegen Dengue-Fieber

Viele weitere Medikamente sind in Entwicklung (siehe Tabellen oben), sind allerdings auch im Erfolgsfall erst nach 2017 zulassungsreif.


Welchen finanziellen Umfang haben die 324 Projekte zusammen genommen? Wie viel Geld davon fließt in die Projekte zu vernachlässigten, armutsassoziierten Krankheiten und wie viel in die Projekte zu Krebs und Herz-Kreislauf-Erkrankungen? Welchen finanziellen Umfang hat die Forschung der vfa-Mitgliedsunternehmen insgesamt? Wie viel Geld davon fließt in die Erforschung und Entwicklung im Bereich der vernachlässigten, armutsassoziierten Krankheiten und wie viel in die Forschung zu Krebs und Herz-Kreislauf-Erkrankungen?

International werden von Pharma-Unternehmen jährlich mehr als 92 Milliarden US-Dollar für die Entwicklung von Medikamenten ausgegeben. In Deutschland wenden die vfa-Mitgliedsunternehmen jährlich rund 5,5 Milliarden Euro für Forschung und Entwicklung auf. Wie sich dieses Geld international oder national auf Krankheitsgebiete oder gar auf einzelne Projekte verteilt, ist dem vfa nicht bekannt.


CDU, CSU und SPD haben in ihren Koalitionsvertrag erstmals einen Absatz zu den "vernachlässigten, armutsassoziierten Erkrankungen" aufgenommen und kündigen darin an, eine "Stärkung von Forschung" in diesem Bereich erreichen zu wollen. Würden sich die vfa-Mitgliedsunternehmen wünschen, dass das auch ihrer Forschung zu vernachlässigten Krankheiten zu Gute kommt?

Zur Entwicklung neuer Produkte gegen vernachlässigte, armutsassoziierte Erkrankungen (seien es Diagnostika, Impfstoffe oder therapeutische Medikamente) haben sich in den letzten Jahren Produktentwicklungspartnerschaften als besonders geeignet erwiesen. Beispiele dafür sind das Medicines for Malaria Venture, die TB Alliance, die Drugs for Neglected Diseases Initiative (DNDi) und die Tuberculosis Vaccine Initiative (TBVI).

Einer der Pluspunkte dieser Partnerschaften ist, dass in ihrem Rahmen das begrenzte verfügbare Geld besonders effizient für ausgewählte, aussichtsreiche Projekte eingesetzt wird; und das Risiko, dass Fördergelder beim Misserfolg eines Projekts keinen Ertrag erbringen, über mehrere Projekte gestreut wird. Deshalb könnte für die Bundesregierung eine Strategie zur Stärkung der angewandten Forschung darin bestehen, mit mehr Geld als bisher zu internationalen Produktentwicklungspartnerschaften (PDPs) beizutragen, statt direkt einzelne Forschungsgruppen und Unternehmen zu fördern. Mitgliedsunternehmen des vfa könnten bei den PDPs Anträge auf Förderung von Entwicklungsetappen für Medikamente stellen, im Wettbewerb mit anderen Einrichtungen mit guten Projektvorschlägen.

Sinnvoll ist es aber auch, die öffentliche Grundlagenforschung zu den genannten Krankheiten zu fördern, da daraus Ansatzpunkte für neue Bekämpfungsmaßnahmen und Medikamente hervor gehen können.


Würden diese [die vfa-Mitgliedsunternehmen] sich stärker engagieren, wenn es von der Politik Anreize dazu gäbe – zum Beispiel steuerlicher Art?

Der Vorschlag einer steuerlichen Förderung der Medikamentenentwicklung für vernachlässigte, armutsassoziierte Erkrankungen ist im vfa noch nicht diskutiert worden. Wie erläutert geht der vfa aber davon aus, dass für die öffentliche Hand eine mittelbare Förderung über die Stärkung von Produktentwicklungspartnerschaften in der Regel ein besserer Ansatz ist als die direkte Förderung einzelner Firmen.

Der vfa hat die Forderung nach öffentlicher Förderung von Produktentwicklungspartnerschaften in der Vergangenheit unterstützt und begrüßt die diesbezüglichen Aktivitäten der Bundesregierung.


Seit einiger Zeit gibt es Produktentwicklungspartnerschaften (PDP), die im Bereich der vernachlässigten Krankheiten forschen und Wirkstoffe entwickeln. An wie vielen solcher Projekte sind vfa-Mitgliedsunternehmen beteiligt? Welche Unternehmen und welche PDP sind das?

Wir wissen von 15 Mitgliedsfirmen, dass sie an 60 Projekten größerer Produktentwicklungspartnerschaften (PDPs) zu Malaria, Tuberkulose und vernachlässigten, armutsassoziierten Krankheiten mitwirken; acht weitere Projekte betreiben sie in Kooperation mit einzelnen Partnern aus der akademischen Forschung. Welche Firmen und Projekte das sind, können Sie den oben stehenden Projektlisten entnehmen.

Der internationale Pharmaverband IFPMA hat sogar 142 Projekte in größeren PDPs oder kleineren akademisch-industriellen Kooperationen identifiziert, an denen Pharmafirmen mitwirken (auch Nicht-vfa-Mitglieder).

Die Entwicklung eines Wirk- oder Impfstoffs ist extrem langwierig und kostspielig, zehn bis fünfzehn Jahre und Summen im dreistelligen Millionenbereich sind normal. Ist das aus Sicht eines gewinnorientierten und seinen Aktionären verpflichten Unternehmens schlicht zu viel für einen zu wenig lukrativen Markt?

Die oben aufgelisteten Medikamente in Entwicklung wie auch die Medikamentenspenden unserer Firmen für die Eradikations- und Eindämmungsprogramme für armutsassoziierte Krankheiten zeigen, dass börsennotierte Unternehmen verschiedentlich Wege gefunden haben, an der Lösung der genannten Krankheitsprobleme mit ihren Medikamenten mitzuwirken. Manchmal ist ihnen das im Alleingang möglich, meist jedoch erst dann, wenn sie bei der Entwicklung und im Vertrieb mit Partnern zusammenarbeiten können.


Schätzungsweise eine Milliarde Menschen sind von den vernachlässigten, armutsassoziierten Krankheiten betroffen. Gibt es diesen Menschen gegenüber nicht eine Verpflichtung der reichen Länder in Europa und Nordamerika – und auch der dort ansässigen Pharma-Unternehmen? Und könnte es bei der schieren Mengen an Betroffenen am Ende nicht doch sogar lukrativ für die Pharma-Unternehmen sein?

Staatsmittel reicher Länder, Stiftungen und Pharma-Unternehmen aus Industrienationen haben in der Tat bislang den größten Teil der Kosten und des Aufwands für die Entwicklung und Lieferung von Medikamenten übernommen. Ein weiterer Teil sind Spendengelder von Bürgern aus Industrienationen, die Hilfsorganisationen wie das Rote Kreuz / Roter Halbmond, Ärzte ohne Grenzen und andere für Hilfsaktionen in betroffenen Ländern verwendet haben.

Mit „lukrativ“ meinen Sie vermutlich, dass sich ein Medikament ohne finanzielle Zuschüsse entwickeln und gewinnbringend verkaufen lässt (die Refinanzierung der Entwicklung eingeschlossen). Ob das für eine der genannten Krankheiten möglich ist, hängt insbesondere davon ab, ob das Medikament überhaupt eine substanzielle Zahl von Patienten erreicht und ob jemand bereit ist, für die Anwendung des Medikaments beim Gros der Patienten deutlich mehr als nur die Herstellungs- und Logistikkosten zu bezahlen. Danach sieht es derzeit bei Malaria und den meisten vernachlässigten, armutsbedingten Krankheiten nicht aus. Zukünftige Entwicklungen in diesem Feld können wir nicht vorhersehen.

In jedem Fall könnten Firmen eine mögliche Refinanzierung der Medikamentenentwicklung schon etwas besser kalkulieren, wenn von Anfang an klar wäre, wie vielen Patienten das Mittel später zugänglich gemacht werden könnte.


In den Ländern, die vor allem mit den vernachlässigten, armutsassoziierten Krankheiten zu kämpfen haben, gibt es oft kein funktionierendes Gesundheitswesen und schon gar keine Pharma-Industrie. Diese Leerstelle können also nur die großen Pharmakonzerne aus den reichen Ländern in Europa und Nordamerika ausfüllen. Werden die forschenden Arzneimittelhersteller ihrer Verantwortung vor diesem Hintergrund in ausreichendem Maße gerecht?

Auch viele Schwellenländer sind massiv von vernachlässigten, armutsassoziierten Krankheiten betroffen, darunter die Raumfahrtnation Indien und das im Flugzeugbau aktive Brasilien. Beide Länder verfügen über zahlreiche ein¬heimische Pharma-Unternehmen (mehrere Tausend im Falle Indiens). Beide Länder könnten daher zur Erfindung und Lieferung neuer Medikamente gegen die genannten Krankheiten wesentlich beitragen, tun es jedoch so gut wie nicht. Auch eine finanzielle Beteiligung dieser Länder an Produktentwicklungs-partnerschaften kam nach unserer Kenntnis bislang nicht zustande.

Das Gesundheitssystem im eigenen Land auf- und auszubauen, ist eine staatliche Aufgabe, bei der andere Staaten, Hilfsorganisationen und die Privatwirtschaft unterstützend, aber nicht leitend tätig sein können. Der Mangel an Ärzten, Pflegekräften, Krankenstationen, Apothekenwesen und anderer Gesundheitsinfrastruktur in vielen Ländern der Erde ist erschreckend, aber bei seiner Überwindung müssen die landeseigenen Behörden vorangehen. Auch in Europa will ja niemand die Organisation des Gesundheitswesens der Privatwirtschaft überlassen. Unsere Firmen sind aber gerne bereit, an konkreten Verbesserungsmaßnahmen mitzuwirken. Dafür gibt es viele Beispiele, etwa aus der Wasserhygiene oder der Logistik für die HIV-Patientenversorgung.


Im Zuge unserer Recherche sind wir der Forderung nach einem internationalen Fonds begegnet, in den auch die großen Pharmakonzerne einzahlen sollten. Wie stehen Sie zu dieser Forderung? Wären die vfa-Mitgliedsunternehmen bereit, sich an einem solchen Projekt zu beteiligen?

Wir kennen die Forderung nach so einem Fonds nicht. Bekannt ist uns nur der Vorschlag für einen "Research Treaty", durch den möglichst viele Nationen (abgestuft nach Vermögen) Geld für Projekte gegen Malaria, TB und anderen Krankheiten in einen Fonds einzahlen sollen.

Das wichtigste, was Pharma-Unternehmen zu neuen Behandlungsmöglichkeiten beitragen können, sind ihre Labors, ihr Knowhow und vor allem die Manpower ihres Forschungspersonals. Denn hier können sie etwas beisteuern, was kaum andere einbringen können. Auf diese Form des industriellen Beitrags sollte man auch in Zukunft setzen.

Außerdem sind viele Unternehmen bereit, mit Institutionen wie dem Medicines Patent Pool zusammen zu arbeiten, und auf diese Weise Know-how und Rechte an andere Firmen weitergeben, damit diese z. B. an anderen Versionen der Medikamente arbeiten können.


In der TV-Kampagne der forschenden Pharma-Unternehmen („Forschung ist die beste Medizin“) tauchen ausnahmslos weiße Menschen auf, die dank der Pharma-Forschung entweder geheilt wurden oder „mit der Krankheit gut leben“ können. Wäre es nicht eine schöne Vorstellung, in so einem Spot eines Tages ein afrikanisches Kind sagen zu hören: „Ich hatte die afrikanische Schlafkrankheit, aber dank moderner Medikamente bin ich geheilt“?

Die Schlafkrankheit ist eine entsetzliche Krankheit, die aber glücklicherweise schon heute oft mit vorhandenen Medikamenten geheilt werden kann. Diese Medikamente stiften unsere Mitgliedsfirmen. Zudem arbeiten Unternehmen an neuen Medikamenten: für Patienten, denen man heute noch nicht helfen kann. Somit werden die Grundlagen für einen solchen Spot gerade gelegt. In unseren Spots haben allerdings stets Erwachsene gesprochen, und daran würden wir auch im Fall einer Wiederaufnahme der TV-Kampagne (die 2010 endete) nichts ändern. Aber mit einem Erwachsenen könnten wir Ihre Idee vielleicht in einigen Jahren realisieren.