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Stärkung des transatlantischen Pharmamarkts

Bei der „Transatlantic Trade and Investment Partnership“ (TTIP) handelt es sich um ein geplantes Handelsabkommen, das zum Abbau von Handelshemmnissen, z.B. Zöllen, zwischen der EU und den USA sowie zu besseren Investitionsbedingungen in beiden Regionen führen soll. Es stellt eine Chance dar, den transatlantischen Pharmamarkt zu stärken, transatlantische Investitionen in den Biowissenschaften voranzutreiben und die Forschungszusammenarbeit zu fördern. All dies wiederum kann Ergebnisse im Gesundheitswesen sowie den Zugang der Patienten zu innovativen Arzneimitteln verbessern.

Das Bild zeigt den Schriftzug Transatlantic Trade and Investment Partnership sowie die US- und Europa-Flagge

Die aus dem derzeit verhandelten Abkommen resultierenden Vereinbarungen können u.a. Zollsenkungen, Regeln zur öffentlichen Beschaffung, Angleichung von technischen Normen, Angleichung von Zulassungsprozessen, Regeln zur geografischen Herkunft von Produktkomponenten von Waren ( „local content“) und den Abbau von Subventionen betreffen. Im Industrie- und Dienstleistungssektor kann dies alle Branchen betreffen. In der Vergangenheit hat die Europäische Union bereits vergleichbare Abkommen mit Südkorea, Singapur und Chile geschlossen.

Die TTIP kann Probleme angehen, die das tatsächliche Potenzial des transatlantischen Arzneimittelmarktes behindern. Das kann gelingen, wenn es sich mit der Vereinbarkeit ordnungspolitischer Prinzipien befasst, Grundsätze des Schutzes geistigen Eigentums formuliert, für mehr Transparenz und ordnungsgemäße Verfahren bei Preisbildungs- und Erstattungsentscheidungen sorgt, starken Schutz für Investitionen bietet, Zollverfahren und Herkunftsvorschriften strafft und die Reduzierung oder die Abschaffung der Zolltarife auf Pharmaprodukte ermöglicht.


Fast die Hälfte des weltweiten Bruttoinlandsprodukts (45%) speist sich aus dem, was der transatlantische Markt erwirtschaftet. Ein Drittel des gesamten Welthandels vollzieht sich über den Atlantik. Die Investitionszahlungen, die zwischen und Europa und Amerika die Seiten wechseln, machen 60% der globalen Investitionen aus.

„Nothing is agreed until everything is agreed“

Die Regeln, auf die sich die Partner eines Handelsabkommens verständigen müssen, beruhen auf den Grundsätzen von Transparenz und Nicht-Diskriminierung. Die beteiligten Unterhändler agieren mit dem Mandat ihrer Parlamente bzw. des Europäischen Rats. Die Industriesektoren können ihnen gegenüber zwar Ideen formulieren oder Wünsche äußern, allerdings bleibt es letztlich den Verhandlungsführern überlassen, was Gegenstand von Gesprächen und Vereinbarungen wird.

Ausgehend von der anhaltenden Wirtschaftskrise und der stockenden Handelsrunde der Welthandelsorganisation WTO nahm die EU-Kommission im Juni 2013 Verhandlungen mit dem Handelsbeauftragten der USA auf. Sie waren verknüpft mit der Erwartung nach mehr Wirtschaftswachstum und Beschäftigung durch geringere Transaktionskosten beim grenzüberschreitenden Handel sowie Wettbewerb zwischen Anbietern beider Regionen. Eine Studie prognostizierte für die EU ein jährliches Wachstum des Bruttoinlandsprodukts in Höhe von 119 Mrd. Euro und für die USA in Höhe von 95 Mrd. Euro. Das Verhandlungsergebnis muss vom Europäischen Rat, dem Europäischen Parlament und den Nationalen Parlamenten genehmigt werden. Die Investitions-Partnerschaft soll nach derzeitiger Planung Ende 2015 final besiegelt werden.

TTIP-Kritiker befürchten:

  • Aufweichung von Verbraucher- und Umweltschutzregeln in der EU
  • Außerkraftsetzung von europäischen Vorschriften durch Investitionsschutzregeln, über die Schiedsgerichte entscheiden (ISDS = Investor to State Dispute Settlement)
  • Absenkung von Schutzstandards im Gesundheitsbereich
  • Aushöhlung von Arbeitsschutzregeln
  • Mehr Privatisierungen im Bereich Wasserversorgung, Gesundheit, Bildung usw.
  • Nachteile für die Landwirtschaft in der EU
  • Schaden für das multilaterale Handelssystem der WTO

Dem steht jedoch entgegen,...

  • ...dass keine konkreten Verhandlungs-Zwischenergebnisse bekannt sind
  • ...dass das Abkommen keine Arbeitsschutzbestimmungen, Sozial- oder Umweltstandards unterhöhlen darf – das würde dem Mandat der Verhandlungspartner widersprechen
  • ...dass Schiedsgerichte keine Gesetzgebungen aushebeln können, sondern nur über Entschädigungen entscheiden
  • ...dass das Abkommen nur gültig wird, wenn Europäischer Rat, Europäisches Parlament und Nationale Parlamente damit einverstanden sind

Pharma-Anliegen für TTIP

Die Pharma-Industrie wünscht sich eine Harmonisierung der Zulassungskriterien und -verfahren. Diese würde Doppelarbeit bei Studien und Tests vermeiden helfen, die heute noch nötig sind, um den jeweils etwas abweichenden Anforderungen beiderseits des Atlantiks zu entsprechen. Mit dieser Harmonisierung ließen sich wiederum Kosten und Zeit einsparen. Zudem wäre die gegenseitige Anerkennung von Inspektionen in Produktionsstätten für Medikamente im Sinne der Good-Manufacturing-Practice - durch die Zulassungsbehörden FDA und EMA - wünschenswert. Auch hier könnten durch einen homogenen Kontrollmodus und gegenseitige Anerkennung der von der jeweils anderen Kontrollbehörde durchgeführten Inspektionen Kosten und Zeit eingespart werden.
Was für die Arzneimittelhersteller jedoch nicht infrage kommt, sind die Absenkung von Schutzstandards sowie die direkte Übernahme von US- oder EU-Zuilassungen durch die jeweils andere Zulassungsbehörde.

Die forschenden Pharma-Unternehmen wünschen sich zudem ein eigenes Kapitel zum Schutz geistigen Eigentums. Es würde der Förderung von Innovationen dienen, wobei angemessene Anreize für die Entwicklung innovativer Arzneimittel sichergestellt würden: „Keine Innovationen ohne Investitionen und keine Investitionen ohne adäquaten Schutz.“ Geistiges Eigentum ist das Herzblut unserer wissensbasierten Wirtschaft in Europa und Amerika. Es könnte eine stärkere Angleichung zwischen EU und USA fördern, ohne das bestehend hohe Schutzniveau zu verringern.

Die Verfügbarkeit und Wirksamkeit von robusten Systemen zum Schutz geistigen Eigentums ist essenziell wichtig zur Unterstützung von pharmazeutischer Forschung und Entwicklung und nachhaltiger Innovation. Viele medizinische Durchbrüche wären ohne einen stützenden Patentrahmen nicht möglich gewesen.

Verbunden ist damit auch die Hoffnung, dass die Berücksichtigung der Pharma-Belange im Zusammenhang mit Intellectual Property Modellcharakter für andere bilaterale Abkommen haben könnte, wie etwa zwischen der Europäischen Union und den ASEAN-Staaten, Brasilien bzw. dem Mercosur oder Japan.
Eine Verlängerung von Schutzfristen wird hingegen nicht adressiert.

Im Sinne eines erleichterten Marktzugangs wäre ein eigener Pharma-Annex innerhalb des TTIP wünschenswert. Nach dem Vorbild des EU-Südkorea-Freihandelsabkommens - und eventuell mit Modellcharakter für künftige Freihandelsabkommen mit weiteren Drittstaaten - könnte ein solcher Annex dazu beitragen, dass sowohl Transparenz als auch ordnungsgemäße Verfahren bei der Entwicklung und Implementierung von staatlichen Preisbildungs- und Erstattungsprozessen auf beiden Seiten des Atlantiks sichergestellt sind. Der Anhang soll weder in die bestehende Gesetzgebung eingreifen noch soll er die tatsächlichen, staatlich bestimmten Preise vorschreiben. Vielmehr gewährleistet er, dass die staatlichen Preisbildungs- und Erstattungsverfahren für innovative Arzneimittel transparent und zeitnah ablaufen.

Der Arzneimittel-Anhang könnte faire, transparente und planungssichere Verfahren gewährleisten, die klaren und nachweisbaren Regeln unterliegen. Ferner könnte er garantieren, dass Preisbildungs- und Erstattungsregeln den Wert innovativer Arzneimittel für Patienten und die Gesellschaft angemessen anerkennen - und nicht zuletzt die in der EU-Transparenzrichtlinie bereits bestehenden Grundsätze bestätigen.