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Festbeträge, Rabattverträge - wohin steuert die Arzneimittelpolitik?

Apotheke: Verwirrspiel um die RezepteFür viele Patienten ist das Einlösen eines Rezepts in der Apotheke zum Verwirrspiel geworden: Bekomme ich die Tabletten, die ich bislang immer hatte, oder etwa ein alternatives Präparat, das laut Apotheker auf die gleiche Weise wirkt? Sind meine Medikamente in der Apotheke vorrätig oder muss ich noch einmal wiederkommen, weil ich - trotz Alternativen - das Produkt eines ganz bestimmten Herstellers erhalten soll? Wieviel muss ich zuzahlen oder gibt es möglicherweise zuzahlungsfreie Alternativ-Präparate? Kaum ein Patient schaut da noch durch.

Regulierung durch Festbeträge

Die Verunsicherung der Patienten ist letztlich Folge der häufigen, zum Teil widersprüchlichen Interventionen des Gesetzgebers im Arzneimittelbereich. Viele Jahre lang waren insbesondere Festbeträge ein wichtiges Regulierungsinstrument im Arzneimittelmarkt. 1989 wurde mit dem Gesundheits-Reformgesetz vom Gesetzgeber vorgegeben, dass gesetzliche Krankenkassen die Kosten für Arzneimittel nur bis zu einem Festbetrag übernehmen. Es wurden somit bundesweit einheitliche Erstattungsobergrenzen für Arzneimittel eingeführt (s. Erläuterung im Kasten).

Das Festbetragssystem ist seitdem vielfach modifiziert und ausgebaut worden. Die Patienten bekamen dies vor allem seit 2004 bei der Umsetzung des GKV-Modernisierungsgesetzes zu spüren, als patentgeschützte Arzneimittel in die Festbetragsregelung mit einbezogen wurden. Moderne patentgeschützte Arzneimittel, etwa zur Blutfettsenkung (Statine), zur Therapie säurebedingter Magenerkrankungen (Protonenpumpenhemmer) oder zur Behandlung von Hypertonie und Herzinsuffizienz (ACE-Hemmer), für die niedrige Festbeträge festgesetzt worden waren, waren für gesetzlich Versicherte mit einem Male nur noch zu einem Aufpreis erhältlich. Die Differenz zwischen dem höheren Apothekenverkaufspreis und dem Festbetrag mussten sie selbst tragen - zusätzlich zu der ohnehin geltenden gesetzlichen Zuzahlung von in der Regel fünf bis zehn Euro je Medikamentenpackung.

Die nächste Intervention des Gesetzgebers in das Festbetragssystem brachte dem Patienten ausgewählte Zuzahlungsbefreiungen. Seit 1. Juli 2006 sind preisgünstige Medikamente, deren Einkaufspreis deutlich unter dem Festbetrag liegt, von der gesetzlichen Zuzahlung freigestellt. Damit will der Gesetzgeber erreichen, dass Patienten ihre Ärzte darauf ansprechen, besonders preisgünstige Arzneimittel zu verordnen. Auch diese Bestimmung gilt für alle gesetzlich Versicherten gleichermaßen, unabhängig davon in welcher Kasse sie versichert sind. Die Liste der zuzahlungsbefreiten Medikamente wird von den Spitzenverbänden der Krankenkassen gemeinsam und einheitlich festgelegt.

Rabattverträge im Aufwind

Mit der jüngsten Gesundheitsreform, dem seit 1. April 2007 geltenden GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz, hat der Gesetzgeber hingegen kassenindividuellen Erstattungsregelungen die Vorfahrt erteilt. Krankenkassen können mit Arzneimittelherstellern Rabattverträge aushandeln, und Apotheken sind verpflichtet, solche rabattierten Arzneimittel bevorzugt abzugeben (s. Erläuterung im Kasten). Gegenwärtig existiert eine Vielzahl verschiedener Rabattverträge, die sich vornehmlich auf den generikafähigen Markt beziehen. Einzelne Krankenkassen verzichten darüber hinaus bei rabattierten Medikamenten (teilweise) auf die gesetzliche Zuzahlung, wenn die betreffenden Produkte nicht ohnehin bereits von den Spitzenverbänden der Krankenkassen kassenübergreifend freigestellt worden sind.

Damit hat die Unübersichtlichkeit im Arzneimittelsektor für alle Beteiligten eine neue Stufe erlangt. Zentrale Steuerungsinstrumente, wie das Festbetragssystem, stehen - zum Teil unvereinbar - neben dezentralen Regelungen, wie die genannten Rabattvereinbarungen. Einerseits setzt die Politik heute auf direkte Verhandlungen zwischen Kassen und Herstellern, um weitere Einsparungen bei den Arzneimittelausgaben zu erzielen. Andererseits hält sie an zentralen Regulierungen fest, die eine kasseneinheitliche Preisgestaltung voraussetzen, und schränken die Gestaltungsspielräume der Beteiligten für einzelvertragliche Lösungen zugleich unnötig ein. Die Politik hat bislang versäumt, den undurchschaubaren Regulierungsdschungel im Arzneimittelsektor zu lichten. Noch ist offen, ob die Arzneimittelversorgung der Patienten in Zukunft über den Vertragswettbewerb der Krankenkassen oder das Festbetragssystem und andere zentrale Regulierungen bestimmt wird.

Kommentierung des VFA

Der VFA steht dem Vertragswettbewerb im Arzneimittelsektor grundsätzlich offen gegenüber. Voraussetzung für dezentrale Abstimmungsprozesse ist aber, dass auch zwischen den Krankenversicherern echter Wettbewerb herrscht und die Regeln der Wettbewerbskontrolle greifen. Das ist zurzeit nicht gegeben. Eine Forcierung von Einzelverhandlungen zwischen Krankenkassen und Arzneimittelherstellern innerhalb des bestehenden hochregulierten Gesamtsystems, das durch massive Eingriffe in die Preisbildungsfreiheit der Hersteller und eine Monopolstellung der Krankenkassen gekennzeichnet ist, ist inkonsequent und abzulehnen.

Unsere Mitglieder und ihre Standorte

Unsere Mitglieder und ihre Standorte

Die Mitglieder des vfa repräsentieren mehr als zwei Drittel des gesamten deutschen Arzneimittelmarktes und beschäftigen in Deutschland rund 102.000 Mitarbeiter:innen.
Rund 21.000 davon sind für die Erforschung und Entwicklung von Arzneimitteln tätig. Allein in Deutschland investieren die forschenden Pharma-Unternehmen jährlich 9,6 Mrd. Euro in die Arzneimittelforschung für neue und bessere Medikamente. Dies entspricht etwa 42 Millionen Euro pro Arbeitstag.