Drucken
öffnen / schließen
Wenn Sie diese Felder durch einen Klick aktivieren, werden Informationen an Facebook, Twitter oder Google in die USA übertragen und unter Umständen auch dort gespeichert. Näheres erfahren Sie hier: https://www.heise.de/ct/artikel/2-Klicks-fuer-mehr-Datenschutz-1333879.html

Erste Erfahrungen mit dem AMNOG und Auswirkungen auf Patienten

Zu diesem aktuellen Thema fand am 14. Oktober 2011 zum 18. Mal der vfa-Round-Table mit Patientenselbsthilfegruppen in Berlin statt, an dem wieder von zahlreichen interessierte Vertreter aus Patienten-Bundes- und Landesorganisationen teilnahmen.

Birgit Fischer, vfa-Hauptgeschäftsführerin, konnte in diesem Rahmen verkünden, dass die Verhandlungen mit dem GKV-Spitzenverband zu den Rahmenvereinbarungen des AMNOG am Vortag bis auf einen Punkt erfolgreich abgeschlossen werden konnten. Als Folge des AMNOGs veränderten sich zukünftig die Rollen der einzelnen Beteiligten. Dies erfordere Dialog und Kooperation, so Frau Fischer, es müssten gemeinsam Lösungen gesucht werden, um die Patientenerfordernisse zu erfüllen. Das AMNOG müsse ein Verfahren werden, das die Qualität für die Patienten sicher stellt, der Preis für die Arzneimittel müsse aber angemessen ausgehandelt werden. Um diesen Herausforderungen gerecht zu werden, sei auch die Einbindung des Erfahrungs- und Praxiswissen der Patienten notwendig, denn nur so könne der Nutzen der Innovationen langfristig gesehen und erhalten werden.

In seinen Ausführungen zur Neuregelung des AMNOG aus Patientensicht wies Dr. Martin Danner, Bundesgeschäftsführer der BAG-Selbsthilfe, darauf hin, dass man momentan nur von „allerersten Erfahrungen“ sprechen könne. Allerdings könne man sagen, dass das AMNOG das Verfahren der Patientenbeteiligung in der Frühen Nutzenbewertung zu sehr beschleunigt habe. Er habe Bedenken, dass die Qualität der dabei abgefragten Stellungnahmen durch diese enge Taktung auf der Strecke bleiben könnte. Er forderte, dass die Patientenversorgung nicht aus dem Fokus gelange und in der Bewertung die Festlegung der Patientenrelevanten Endpunkte mit der Patientenselbsthilfe abgestimmt werde.

Über die Sichtweise des GKV-Spitzenverbands zum „Nutzen für Versicherte und Beitragszahler“ referierte Wolfgang Kaesbach, Leiter des Bereichs Arznei- und Hilfsmittel. Er sieht in den veröffentlichten Ergebnissen der Frühen Nutzenbewertung einen hohen Nutzen für die Patienten und erwartet, dass sich die Industrie jetzt auf patientenrelevante Forschung und Entwicklung konzentrieren werde.


Prof. Jürgen Windeler, den Institutsleiter des IQWiG, gab einen Einblick in die Aufgaben des IQWiGs bei der Frühen Nutzenbewertung. Er vertrat die Meinung, dass eine Frühe Nutzenbewertung durchaus möglich sei, da dies vor allem davon abhänge, wie die Datengrundlage sei. Aber auch für ihn muss das gesamte Verfahren transparent gestaltet sein und dies sei auch gewährleistet.


Die Statements der Patientenvertreter eröffnete Dr. Annette Mund, Bundesvereinigung SeHT e.V.. Sie macht sich Sorgen über die Einbeziehung der Patientenorganisationen in den Nutzenbewertungsprozess da sie den Eindruck hat, dass die Eingaben der Patientenvertreter nicht so wertgeschätzt werden, wie die der Experten. Sie forderte, die Patientenvertreter frühzeitig über das Verfahren der Beteiligung zu informieren und einzubinden.

Kritisch wird die Frage der Patientenrelevanten Endpunkte von Harry Kletzko, Vizepräsident der Deutschen Schmerzliga (DSL) e.V. gesehen. Er stellte die Frage, wer die Endpunkte festlege und wo die Grenzwerte zu finden seien. Auch sei für ihn unklar, welche Patientenorganisationen vom IQWiG um eine Stellungnahme gebeten würden. Auch wenn er die Bewertung eines Zusatznutzens als grundsätzlich positiv für die Patienten ansieht, betrachtet er die jeweils unterschiedlichen Beurteilungen in den Ländern sehr kritisch. Die Patienten würden verunsichert, da sie nicht überblicken könnten, wie, ob und wann ein Arzneimittel eingeführt werde.

Für Dieter Möhler, den Bundesvorsitzenden des Deutschen Diabetiker Bundes DDB e.V., steht in der heutigen Gesundheitspolitik der Mensch nicht mehr im Mittelpunkt sondern lediglich die Interessen von Krankenkassen und Ärzten. Für ihn sind Festbeträge für Arzneimittel gleichbedeutend mit Forschungsbeschränkungen. Er hält es für unabdingbar, dass Patienten und die sie vertretenden Organisationen in die Erarbeitung von Daten zur Festlegung der Lebensqualität einbezogen werden.

In seinem Vortrag „AMNOG – wie geht es weiter? Gesundheit und Gesundheitsversorgung neu denken“ vertrat Prof. Dr. Klaus-Dirk Henke von der Technische Universität Berlin die Ansicht, dass Evidenzbasierung auch in der Gesundheitspolitik gefordert werden müssen, d.h. auch die Politik solle den Zusatznutzen ihrer Neuerungen belegen. Die Frage, was die Gesundheit in Deutschland kosten dürfe, sei wissenschaftlich nicht festlegbar sondern in einem Gesamtgesellschaftlichen Prozess zu klären.

In der anschließenden Diskussion, die leider ohne Herrn Kaesbach stattfand, stand die Frage der Messung von Lebensqualität, die Beteiligung der Patienten beim IQWiG ebenso wie die Zulassungsmodalitäten und die Versorgung der Patienten mit Innovationen im Vordergrund.

Der Moderator der Veranstaltung, Wolfgang van den Bergh von der Ärztezeitung, zog das Fazit, dass das Interesse an dem komplizierten Thema AMNOG und Frühe Nutzenbewertung bei allen Beteiligten und allen Anwesenden sehr groß ist. Die Informationen hierzu müssten ausreichend transparent und für alle zugänglich und verständlich zur Verfügung gestellt werden. Nur so bestehe die Chance, die Beteiligung der Patienten in den Prozessen aktiver zu gestalten.

Wieder einmal zeigte sich beim Patienten-Round-Table, wie wichtig und wie hoch akzeptiert der Austausch zwischen Patientenselbsthilfe-Organisationen und vfa sowie weiteren Playern im Gesundheitswesen ist. Er hilft, die Position des jeweils anderen differenzierter zu verstehen und gemeinsame Positionen zu identifizieren. Auch in Zukunft wird dieser wichtige Dialog des vfa mit Patientenorganisationen unter Einbindung von Politik, Wissenschaft und Krankenkassen vom vfa in zahlreichen Veranstaltungen fortgeführt werden.

Die einzelnen Reden, Vorträge und Präsentationen der Veranstaltung finden Sie jeweils als PDF-Download hier: