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Tierversuche und Tierschutz in der Pharmaindustrie

Viele Krankheiten lassen sich heute lindern oder sogar heilen: Eine HIV-Infektion ist heute kein Todesurteil mehr, Hepatitis C sogar heilbar, mit Diabetes kann man alt werden und gegen den Risikofaktor Nr. 1 – den Bluthochdruck – helfen viele Medikamente. Was Kinderlähmung, Diphtherie oder Tetanus anrichten, weiß hierzulande fast niemand mehr – dank wirksamer Impfungen. Um die Medikamente und Impfstoffe dafür entwickeln zu können, mussten die Forscher neben vielen anderen Tests auch Tierversuche durchführen.

Wozu Tierversuche?

Für viele Krankheiten werden noch bessere Behandlungsmöglichkeiten benötigt.

Viele Patienten mit anderen Krankheiten, etwa metastasiertem Krebs oder Multipler Sklerose, warten aber noch auf Heilung. Auch bei Krankheiten, die schon recht wirksam behandelbar sind – wie Diabetes oder Arthritis – lässt sich eine allmähliche Verschlechterung des Situation oft nicht verhindern. Pharmaforscher arbeiten daran, hier wirksame Hilfe zu schaffen.

Dafür stehen ihnen viele Techniken zur Verfügung, mit denen sie Abläufe in Zellen außerhalb des Körpers studieren können; sie können sogar einzelne Moleküle untersuchen. Computersimulationen liefern ihnen ebenfalls wichtige Informationen über die Vorgänge im Körper. Doch lassen sich mit diesen Mitteln nicht alle Arten von Untersuchungen durchführen, die auf dem langen Entwicklungsweg eines Medikaments von der Idee bis zur Zulassung nötig sind. An bestimmten Stellen sind Tierversuche nötig:

Krankheitsvorgänge verstehen

Grundlage für ein neues Medikament ist fast immer ein genaues Verständnis der Krankheitsprozesse. Manches daran lässt sich bei Erkrankten studieren, doch verbieten sich bei diesen bestimmte Eingriffe, die wichtige Antworten liefern könnten. Da bleibt nur, ähnliche Krankheiten bei Tieren zu untersuchen.

Wirkstoffe erfinden

Ist ein Krankheitsprozess verstanden und bekannt, überlegen Forscher, an welcher Stelle ein Medikament eingreifen könnte. Häufig stellen sie fest, dass man dazu ein bestimmtes Enzym (ein Molekül im Körper, das bestimmte Stoffe herstellt) oder bestimmte Rezeptoren (Empfangsantennen der Zellen für Hormone und andere Botenstoffe) blockieren sollte.

Forscher erarbeiten dann einen Wirkstoff, der genau das leistet. Das ist eine mehrjährige Arbeit, bei der immer wieder Veränderungen am Molekül vorgenommen werden. Viele Schritte davon lassen sich ohne Tiere durchführen. Einige jedoch erfordern Tierversuche, mit denen überprüft wird, ob ein neu geschaffener Stoff nicht unbeabsichtigt zu Bewusstlosigkeit führt, die Immunabwehr außer Kraft setzt oder andere unerwünschte Wirkungen an unerwarteter Stelle hervorruft.

Toxikologische Tests

Haben die Forscher schließlich eine Substanz erarbeitet, die alle Anforderungen an einen guten Wirkstoff zu erfüllen scheint, möchten sie natürlich wissen, ob sie tatsächlich Menschen hilft. Doch müssen sie zuvor alles tun, um auch die Gefahren zu erkennen, die eventuell von der Substanz ausgehen – die ersten menschlichen Wirkstoff-Tester sollen ja keinem vermeidbaren Risiko ausgesetzt werden. Dafür ist ein umfassendes Testprogramm vorgeschrieben. Einige dieser sogenannten Toxizitätstests werden im Reagenzglas oder mit Bakterienkulturen durchgeführt. Andere Tests machen Untersuchungen in einem Gesamtorganismus nötig. Da kommen dann Tiere den Verhältnissen im menschlichen Körper immer noch näher als jedes Labor-Testsystem. Die Behörden prüfen die tierexperimentellen Ergebnisse genau, ehe sie einer Studie mit Menschen zustimmen.

«

Für mich bleibt es ein Dilemma, dass ich Tiere beanspruchen und dabei auch einige töten muss, um Menschen helfen zu können.»

ein Wissenschaftler in der Wirkstoff-Forschung eines Pharma-Unternehmens in Deutschland

Ein Dilemma

Pharmaforscher können Menschen helfen, aber nur um den Preis, dass sie dafür auch Tiere beanspruchen, töten oder Risiken aussetzen müssen. Dieser Zwiespalt ist auf absehbare Zeit nicht aufzulösen, will man nicht auf die Erfindung neuer Medikamente verzichten. Es lässt sich aber viel dafür tun, dass die Tiere dabei optimal gehalten und so schonend und so sparsam wie möglich eingesetzt werden.